285 Seiten von Sascha Lobos Romandebüt „Strohfeuer“ liegen hinter mir. Lobo, der eine Werbeagentur gründete und insolvent ging, schreibt über eben das. Wieso tut man sich das an? Nicht die Lektüre. Warum quält sich jemand wie Lobo über Monate für ein Honorar, das er viel einfacher und vor allem schneller mit seinem Live-Geschwurbel auf Tagungen und in Talkshows verdienen könnte? Nur um gedruckt zu werden?
Das mag für einen Tastenschubser attraktiv scheinen. Aber wieso sind dann Lohnschreiber wie Gorkow, Martenstein, Poschardt nicht davor gefeit, deren Namen eh ständig in der Zeitung stehen? Aus Gier? Bei jährlich über 93.000 Neuerscheinungen deutscher Verlage bleibt es ein Glücksspiel, ausgerechnet mit einem Buch Millionär zu werden. (Für unsere Leser in Unterföhring: Bücher sind nichtperiodische Publikationen mit einem Umfang von 49 Seiten oder mehr – so die UNESCO.)
An der Generation Gold eines Florian Illies oder Axel Hacke wird es kaum liegen, denn bereits lange bevor diese sich mit ihren Plattitüden dumm und dämlich verdient haben, wurden selbst härteste Reporter rührselig, wenn es darum ging, mit dem eigenen Namen einen Schutzumschlag zu schmücken. Ein Haudegen wie Axel Thorer muß natürlich so etwas Merkwürdiges wie Stacheldraht sammeln und in Afrika aus Überzeugung Wilderer abknallen, aber ist es nicht weit skurriler, dass er seinen Kindern ausgerechnet als Schriftsteller in Erinnerung bleiben will? Und ob er sich diesen Traum als Mallorca-Hemingway mit einem „Lexikon der Inselgeheimnisse“ erfüllt hat?
Franz Josef Wagners literarische Jugendsünden („Big Story“, „Das Ding“) werden längst für einen Cent auf Amazon verhökert, aber diesen Sommer opferte er für einen 208 Seiten langen „Brief an Deutschland“ unverdrossen seinen Urlaub.
BILD-Unterhaltungschef Daniel Steil kündigte für die Schreibklausur sogar seinen Job, wechselte aber letztlich nur das Büro mit seinem Nachfolger Gerald Selch, um im Springer-Gebäude an seiner Masterarbeit zu schreiben. Wann die Fleißaufgabe wohl in einem Verlagsprogramm auftaucht?
Karl Lagerfeld wunderte sich einmal über einen Journalisten, „die Cremeschnitte, der vor acht, zehn Jahren einmal mit mir gesprochen hat und jetzt mit einem Buch daherkommt”. Ich wundere mich, wie produktiv manche Kollegen sind. Okay, beim „Playboy“ arbeitet sich niemand tot, da kann Textchef Christian Thiele locker Jahr für Jahr ein Sachbuch raushauen. Und sein ex-Chef Stefan Schmorrte flog aus der Chefetage butterweich auf einen Stapel Buchmanuskripte, mit denen er seitdem hausieren geht.
Aber wie schafft es „Focus“-CvD* Michael Klonovsky (laut Verlagswerbung alles andere als ein Nichtleister, nämlich: „Romanautor, Essayist und Journalist“) neben der wöchentlichen Tretmühle bis zu zwei Bücher jährlich über Puccini, den Ramses-Code, das Radfahren, Lebenswerte und was auch immer auszustoßen? Und diese dann auch noch zu promoten, denn die Literaturagenten und Verlage lieben Journalisten nicht etwa, weil diese besser schrieben, sondern weil sie all ihre Duzbekanntschaften damit nerven, ja auch über ihr Buch zu berichten.
All dieser Aufwand – und wozu? Wieso gibt sich selbst ein Hubert Burda, entschuldigung, Dr. Hubert Burda mit den „lousy pennies“ im Buchhandel ab und finanziert einen Schmöker nach dem anderen über sich, seine Mama und die Wohlklangdimensionen seiner Geisterwelt? Weil sie alle noch dieses Kulturreptilienhirn besitzen, von der Bücherwand mit Goldschnitt und Lederrücken träumen, sich auf alle Zeiten im Pantheon wähnen, sobald sie nur ein Buch verfasst haben. (Auch wenn dieser Büchertempel längst muffig riecht und im Schatten des Internets steht, das dem kleinsten Artikel ewige Aufmerksamkeit schenken kann.)
Noch schlimmer als schriftstellernde Journalisten sind nur Kollegen mit einem Filmprojekt. Meike Winnemuth und Peter Praschl haben das – wie es sich für Edelfedern geziemt – recht elegant gelöst. Ihren Roman „Auf und davon“ verfilmt Christoph Waltz jetzt bei seinem Regiedebüt.
Diese Kolumne erschien in einer hiervon abweichenden Fassung im „Clap-Magazin“ #29 September/Oktober 2010.
*Damals war Klonovsky noch Chef vom Dienst. Inzwischen wurde er bei „Focus“ zum Leiter des neu geschaffenen Debattenressorts ernannt.
Freitag, 15. Oktober 2010
Donnerstag, 14. Oktober 2010
„Gainsbourg“ von Joann Sfar
Zigaretten, U-Bahn-Tickets, leere Flaschen, die Fans schmücken Serge Gainsbourgs Grab in Montparnasse mit einem Sammelsurium an Erinnerungsstücken und Liebesbeweisen. Nicht viel anders funktioniert Joann Sfars Filmbiografie, die das Beste daraus macht, ein Künstlerleben zwischen Malerei und Musik, zwischen Chanson, Säuselpop und Reggae, zwischen Frauen wie Juliette Gréco, Brigitte Bardot und Jane Birkin auf rasant kurzweilige 121 Minuten zu verdichten. Und mittendrin, ein, zwei, im Grunde sogar drei Gainsbourgs: Denn Sfar, vor seinem Regiedebüt bereits ein gefeierter Comiczeichner, stellt Hauptdarsteller Eric Elmosnino weitere Serges, einen Gezeichneten und einen aus Pappmaché Geformten, zur Seite, ein überraschender wie genialer Kunstgriff. Hier stellen nicht mehr nur Schauspieler ein Promileben nach, hier wird dem Künstlerfuror, seinen Ängsten und Antriebskräften nachgestellt.
Diese Filmkritik erschien zuerst in „Sono“ September/Oktober 2010
Diese Filmkritik erschien zuerst in „Sono“ September/Oktober 2010
Mittwoch, 13. Oktober 2010
Burda hat das Internet doch noch lieb
„Wir werden einen nicht unerheblichen Teil unserer verlagsgetriebenen Online-Aktivitäten auf ein notwendiges Minimum herunterfahren.“ Nach diesen Worten Philipp Weltes und diversen (auch noch bevorstehenden) Abgängen der Vorzeige-Onliner im Hause wähnten nicht wenige einen Paradigmenwechsel bei Burda. Um so beruhigender mag es sein, daß der Verleger selbst gestern bei einem Auftritt im Bayerischen Landtag ganz die alten Visionen lieferte.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Der Landtag im Gespräch mit...“ nutzte Hubert Burda seinen Lobgesang auf die Fugger, um vom revolutionären Buchdruck seinerzeit auf den Paradigmenwechsel der Gegenwart zu sprechen zu kommen, auf die „epochale Veränderung“ durch das Internet, die er nicht nur mit Gutenbergs Erfindung gleichsetzte, sondern dazu auch noch die Entdeckung Amerikas mit in die Waagschale warf.
Der Verleger sprach frei, die Burda-Kommunikation wies meinen Wunsch nach einem Redemanuskript mit dürren Worten ab: „Eine schriftliche Fassung der Rede gibt es leider nicht. Ich bitte um Ihr Verständnis.“ Und unterließ es zugleich, mich auch nur auf die konzerneigene schriftliche Zusammenfassung im Internet hinzuweisen.(Wo bleibt die Pressemitteilung dazu?)
Die Landtagsverwaltung dagegen gab mir nicht nur den Tip mit der Burda-Veröffentlichung, sondern war insgesamt auskunftsfreudiger: „Eine Zusammenfassung der Rede ist in Abstimmung. In den nächsten Tagen wird diese Zusammenfassung auf der Homepage des Landtags eingestellt. Gerne können wir die Ihnen auch per Mail zukommen lassen.“
Updates: Die „Bayerische Staatszeitung“ über den Vortrag.
„Denken Sie an die Debatten über Google Street View, denken Sie an die Demonstrationen gegen Stuttgart 21, die mit Hilfe von Twitter, Facebook, SMS und Handy eine vollkommen neue Qualität an Organisationsstruktur haben“, zitiert die Website des Bayerischen Landtags Burda und prokolliert den Abend.
(Foto: Bildarchiv Bayer. Landtag, Fotograf Rolf Pos)
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Der Landtag im Gespräch mit...“ nutzte Hubert Burda seinen Lobgesang auf die Fugger, um vom revolutionären Buchdruck seinerzeit auf den Paradigmenwechsel der Gegenwart zu sprechen zu kommen, auf die „epochale Veränderung“ durch das Internet, die er nicht nur mit Gutenbergs Erfindung gleichsetzte, sondern dazu auch noch die Entdeckung Amerikas mit in die Waagschale warf.
Der Verleger sprach frei, die Burda-Kommunikation wies meinen Wunsch nach einem Redemanuskript mit dürren Worten ab: „Eine schriftliche Fassung der Rede gibt es leider nicht. Ich bitte um Ihr Verständnis.“ Und unterließ es zugleich, mich auch nur auf die konzerneigene schriftliche Zusammenfassung im Internet hinzuweisen.
Die Landtagsverwaltung dagegen gab mir nicht nur den Tip mit der Burda-Veröffentlichung, sondern war insgesamt auskunftsfreudiger: „Eine Zusammenfassung der Rede ist in Abstimmung. In den nächsten Tagen wird diese Zusammenfassung auf der Homepage des Landtags eingestellt. Gerne können wir die Ihnen auch per Mail zukommen lassen.“
Updates: Die „Bayerische Staatszeitung“ über den Vortrag.
„Denken Sie an die Debatten über Google Street View, denken Sie an die Demonstrationen gegen Stuttgart 21, die mit Hilfe von Twitter, Facebook, SMS und Handy eine vollkommen neue Qualität an Organisationsstruktur haben“, zitiert die Website des Bayerischen Landtags Burda und prokolliert den Abend.
(Foto: Bildarchiv Bayer. Landtag, Fotograf Rolf Pos)
Sonntag, 10. Oktober 2010
Petit Déjeuner Musical (84): Zaz
Messieursdames, Zaz!
ZAZ „je veux“ (clip officiel)
(Update: Schöne Fassung von „Je veux“ für „Die Zeit“)
ZAZ : „Les Passants“ – Live Francofolies La Rochelle
ZAZ : „Ni oui ni non – Live Francofolies La Rochelle (2010)
ZAZ „je veux“ (clip officiel)
(Update: Schöne Fassung von „Je veux“ für „Die Zeit“)
ZAZ : „Les Passants“ – Live Francofolies La Rochelle
ZAZ : „Ni oui ni non – Live Francofolies La Rochelle (2010)
Samstag, 9. Oktober 2010
Wochenplan
Pressevorführung von Tom Tykwers „Drei“, Vernissage „Zimmer frei“ / Hotel Mariandl, Munich Startup Event 2010 mit Mike Butcher (TechCrunch) / Bürgerhaus Unterföhring, Medientage München / ICM, Nacht der Medien / Justizpalast, Clemens en August on tour / Kunstverein, Grand Opening / Die Goldene Bar, Neue Filme aus Rumänien (pdf-Download) / Filmmuseum
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Langweilt sich Petra Winter bei der „Cosmopolitan“?
Wer liest schon das Magazin „[mo:de]“ der Absolventen des Ausbildungsgangs Modejournalismus/ Medienkommunikation der Münchner AMD Akademie Mode & Design? Zum Glück die Kollegen von „werben & verkaufen“, sonst wäre mir – wie auch der darüber nicht ganz so glücklichen Waltraut von Mengden – die Porträtstrecke der da noch schwangeren* „Cosmopolitan“-Chefredakteurin Petra Winter entgangen.
Während Winter sich mit den Bildern für den Jungbäuerinnenkalender zu bewerben scheint, schwebt ihr beruflich weit höheres vor: „Irgendwann möchte sie in einer Führungsposition definitiv zurück zur Tageszeitung und sich einem weitläufigeren Spektrum an Themen widmen als jetzt bei der Cosmopolitan.“ Wobei Ihr aktueller Job auch nicht unterschätzt werden darf: „Als reine Schischi-Branche kann man den Modejournalismus nicht abstempeln. Schließlich trage ich trotz vieler Privilegien auch eine große Verantwortung. Natürlich bekomme ich viele Geschenke, aber darum geht es ja nicht nur.“
*Anfang September kam Sohn Vincent zur Welt.
Während Winter sich mit den Bildern für den Jungbäuerinnenkalender zu bewerben scheint, schwebt ihr beruflich weit höheres vor: „Irgendwann möchte sie in einer Führungsposition definitiv zurück zur Tageszeitung und sich einem weitläufigeren Spektrum an Themen widmen als jetzt bei der Cosmopolitan.“ Wobei Ihr aktueller Job auch nicht unterschätzt werden darf: „Als reine Schischi-Branche kann man den Modejournalismus nicht abstempeln. Schließlich trage ich trotz vieler Privilegien auch eine große Verantwortung. Natürlich bekomme ich viele Geschenke, aber darum geht es ja nicht nur.“
*Anfang September kam Sohn Vincent zur Welt.
Josef von Ferenczy – Münchner Medienveteran mit „zu viel Zeit und zu wenig Zuhörern“
Er war der Fescheste und am besten Vernetzte, damals, als Verleger noch ein Reich hatten, über das sie autokratisch herrschen konnten, und Edelfedern wie Husaren in die Schlacht um Auflagen und Sensationen zogen. Während ein Kardinal Richelieu nur an einem Hof die Strippen zog, war Josef von Ferenczy die allgegenwärtige Eminenz, die zwischen vielen Verlagshäusern, Redaktionen und Autoren vermittelte. Ein ganz großer Münchner, wunderbar von Fritz Muliar als Medienmanager Gregori Wiener in „Kir Royal“ dargestellt.
Und von einem unbarmherzigen Schicksal gebeutelt, wie es selbst den ganz Großen widerfährt. Beide Söhne tragisch früh verstorben, alle Besitztümer passé, der Einfluß verschwunden, in den Zeitungen von gestern im Rollstuhl, am Grab seiner Frau trauernd zu sehen. In seinem Grünwalder, längst verkauften Heim nur noch bis zum Frühjahr geduldet. Seine letzten Besitztümer am 2. Dezember bei Neumeister meistbietend zu ersteigern. Aber selbst im Schmerz immer noch ganz groß. Ein paar Jahrzehnte früher hätte er ein Schicksal wie seines als Fortsetzungsgeschichte an die „Quick“ verhökert.
Für das Oktober-Heft der „w&v Society“ hat Lisa Priller-Gebhardt die Medienlegende besucht, die heute „zu viel Zeit und zu wenig Zuhörer hat“ und den 91-Jährigen liebevoll porträtiert, seinen Aufstieg, der ebenso beispiellos war wie sein Abstieg. Heute ist selbst sein Telefon oft gesperrt, wenn er die Rechnung nicht zahlen kann.
Update: Wie die „BILD“ meldete, ist Josef von Ferenczy am 29. Mai gestorben. Die Bayerische Staatsregierung würdigte seine Lebensleistung.
Beate Wedekinds Porträt zum 90.
Und von einem unbarmherzigen Schicksal gebeutelt, wie es selbst den ganz Großen widerfährt. Beide Söhne tragisch früh verstorben, alle Besitztümer passé, der Einfluß verschwunden, in den Zeitungen von gestern im Rollstuhl, am Grab seiner Frau trauernd zu sehen. In seinem Grünwalder, längst verkauften Heim nur noch bis zum Frühjahr geduldet. Seine letzten Besitztümer am 2. Dezember bei Neumeister meistbietend zu ersteigern. Aber selbst im Schmerz immer noch ganz groß. Ein paar Jahrzehnte früher hätte er ein Schicksal wie seines als Fortsetzungsgeschichte an die „Quick“ verhökert.
Für das Oktober-Heft der „w&v Society“ hat Lisa Priller-Gebhardt die Medienlegende besucht, die heute „zu viel Zeit und zu wenig Zuhörer hat“ und den 91-Jährigen liebevoll porträtiert, seinen Aufstieg, der ebenso beispiellos war wie sein Abstieg. Heute ist selbst sein Telefon oft gesperrt, wenn er die Rechnung nicht zahlen kann.
Update: Wie die „BILD“ meldete, ist Josef von Ferenczy am 29. Mai gestorben. Die Bayerische Staatsregierung würdigte seine Lebensleistung.
Beate Wedekinds Porträt zum 90.
Mittwoch, 6. Oktober 2010
Die schöne neue Welt des Bayerischen Rundfunks
Wenn Ulrich Wilhelm am 1. Februar als Intendant des Bayerischen Rundfunk antritt, wird zumindest die Fernsehabteilung des BR nicht unbedingt mehr ganz dieselbe sein, sondern vielleicht großstädtischer, multikultureller, ja Berlinerischer.
Nicht daß die Münchner Programmdirektion nicht schon früher ihre Meriten mit „Türkisch für Anfänger“ im Ersten erworben hätte oder mit dem „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“ im III. Programm. Doch dieses Mal geht es um mehr als nur ein paar bunte Tupfer im Sendeplan, diesmal geht's ums Ganze. Um „EIN Fernsehprogramm für alle, bei jedem kulturellen Hintergrund, durch alle Genres, für jede Altersgruppe.“ Es geht um „Migranten/Migrantinnen in Deutschland und ihr Zugang zum deutschen Fernsehprogramm“, um das „Projekt einer Kundenbeteiligung“. Es geht um ein Zukunftsmodell für den Bayerischen Rundfunk.
Gerhard Engel, ehemaliger Präsident des Bayerischen Jugendrings und in dieser Funktion auch Rundfunkrat, hat von Andreas Bönte, dem Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung, den Auftrag erhalten, diese Kundenbefragung durchzuführen. Und wer nun darauf wartet, daß die Ergebnisse dieser Studie der Öffentlichkeit präsentiert werden, kann lange warten, handelt es sich doch um eine interne Maßnahme zur Programmverbesserung.
Als der Münchner Ausländerbeirat diesen Montag aber im Rathaus über „Integration durch Medien“ diskutieren ließ, präsentierte Engel unter dem Fazit „Fernsehen kann und muß zur Integration von Zuwanderern beitragen“ in einem Impulsreferat einige Details seiner Zukunftswerkstatt. In Aschaffenburg, Bayreuth, Cham, Günzburg, München und Nürnberg setzte er sich mit jeweils ca. 60 Männer und Frauen aus 20 bis 30 Ländern zusammen. Im ersten Schritt sollten die Fernsehzuschauer das Programm bewerten, in einem Brainstorming dann entwerfen, wie ein Bayerisches Fernsehprogramm ihrer Wahl aussehen könnte und abschließend mit einem Vertreter der Fernsehdirektion über die tatsächliche Umsetzung diskutieren.
Während diese Peergroups die „Münchner Runde“ beispielsweise zu staatstragend fanden, gefielen die „Rundschau“, „Quer“ und „Dahoam is dahoam“. Letzteres wohl nicht uneingeschränkt, denn die Migranten können zwar deutsch, aber nicht unbedingt bayerisch. Deutsche Untertitel für dialektgefärbte Sendungen war daher ein Vorschlag beim Brainstorming.
Nicht nur Bayerisch kann zum Problem werden. „Ich mußte Englisch lernen, um das deutsche Fernsehen zu verstehen“, beklagte sich eine 58-Jährige aus Sibirien und ermunterte: „Pflegt die deutsche Sprache und Tradition. Heimat ist das Wertvollste, das es gibt.“
Sie solle positiv präsentiert werden, ob nun die deutsche (Wahl-)Heimat oder die Heimat, aus der man stammt, überhaupt wollten die Befragten ihre Lebenswirklichkeit als Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich nicht nur problemorientiert präsentiert sehen. „Stellt Migranten auch positiv dar, zeigt diejenigen, die's geschafft haben, das Zusammenleben im Viertel, in den Vereinen“.
So registrierte Engel in den Gruppen eine starke Sehnsucht nach Harmonie, Normalität und Schönheit, nach „lockerem und fröhlichen“ Fernsehen. Klingt nach einer schönen neuen Welt, die dem Bayerischen Fernsehen aber längst alles andere als fremd ist.
(Foto: „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“, Megaherz/BR)
Nicht daß die Münchner Programmdirektion nicht schon früher ihre Meriten mit „Türkisch für Anfänger“ im Ersten erworben hätte oder mit dem „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“ im III. Programm. Doch dieses Mal geht es um mehr als nur ein paar bunte Tupfer im Sendeplan, diesmal geht's ums Ganze. Um „EIN Fernsehprogramm für alle, bei jedem kulturellen Hintergrund, durch alle Genres, für jede Altersgruppe.“ Es geht um „Migranten/Migrantinnen in Deutschland und ihr Zugang zum deutschen Fernsehprogramm“, um das „Projekt einer Kundenbeteiligung“. Es geht um ein Zukunftsmodell für den Bayerischen Rundfunk.
Gerhard Engel, ehemaliger Präsident des Bayerischen Jugendrings und in dieser Funktion auch Rundfunkrat, hat von Andreas Bönte, dem Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung, den Auftrag erhalten, diese Kundenbefragung durchzuführen. Und wer nun darauf wartet, daß die Ergebnisse dieser Studie der Öffentlichkeit präsentiert werden, kann lange warten, handelt es sich doch um eine interne Maßnahme zur Programmverbesserung.
Als der Münchner Ausländerbeirat diesen Montag aber im Rathaus über „Integration durch Medien“ diskutieren ließ, präsentierte Engel unter dem Fazit „Fernsehen kann und muß zur Integration von Zuwanderern beitragen“ in einem Impulsreferat einige Details seiner Zukunftswerkstatt. In Aschaffenburg, Bayreuth, Cham, Günzburg, München und Nürnberg setzte er sich mit jeweils ca. 60 Männer und Frauen aus 20 bis 30 Ländern zusammen. Im ersten Schritt sollten die Fernsehzuschauer das Programm bewerten, in einem Brainstorming dann entwerfen, wie ein Bayerisches Fernsehprogramm ihrer Wahl aussehen könnte und abschließend mit einem Vertreter der Fernsehdirektion über die tatsächliche Umsetzung diskutieren.
Während diese Peergroups die „Münchner Runde“ beispielsweise zu staatstragend fanden, gefielen die „Rundschau“, „Quer“ und „Dahoam is dahoam“. Letzteres wohl nicht uneingeschränkt, denn die Migranten können zwar deutsch, aber nicht unbedingt bayerisch. Deutsche Untertitel für dialektgefärbte Sendungen war daher ein Vorschlag beim Brainstorming.
Nicht nur Bayerisch kann zum Problem werden. „Ich mußte Englisch lernen, um das deutsche Fernsehen zu verstehen“, beklagte sich eine 58-Jährige aus Sibirien und ermunterte: „Pflegt die deutsche Sprache und Tradition. Heimat ist das Wertvollste, das es gibt.“
Sie solle positiv präsentiert werden, ob nun die deutsche (Wahl-)Heimat oder die Heimat, aus der man stammt, überhaupt wollten die Befragten ihre Lebenswirklichkeit als Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich nicht nur problemorientiert präsentiert sehen. „Stellt Migranten auch positiv dar, zeigt diejenigen, die's geschafft haben, das Zusammenleben im Viertel, in den Vereinen“.
So registrierte Engel in den Gruppen eine starke Sehnsucht nach Harmonie, Normalität und Schönheit, nach „lockerem und fröhlichen“ Fernsehen. Klingt nach einer schönen neuen Welt, die dem Bayerischen Fernsehen aber längst alles andere als fremd ist.
(Foto: „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“, Megaherz/BR)
Mode & Sicherheit
oder: die Kleiderordnung der Stabi
Die Gefahr ist auf den ersten Blick zu erkennen. Bis in die frühen achtziger Jahre hing an Diskothekeneingängen oft der Hinweis, daß man in Lederjacken keinen Einlaß fände.
Heutzutage wird man in dem Outfit nicht mehr als prügelnder Halbstarker abgekanzelt, sondern als Bücherdieb. Denn die Türsteher residieren jetzt am Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek und sie lassen keinen in Lederjacken hinein. Sakkos? Ja. Sackartige Pullis? Ja. Ausladenden Strickjacken? Ja. Hoodies? Ja. Lederjacken? Nein.
Tatsachenentscheidungen nennt das die Hausordnung, und wie beim Fußball ist das so eine Sache mit den Tatsachenentscheidungen. Denn neben Mänteln und Anoraks sind eben auch „Jacken, die überwiegend im Freien getragen werden“, im Lesesaal untersagt, was der Interpretation freies Spiel läßt. Nur bei Lederjacken nicht. Die kommen nicht rein.
Bei Computern etwa ist selbst eine Staatsbibliothek großzügiger oder einfach in der Gegenwart angekommen, denn laut Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken (ABOB) bedarf in den Lesesälen „die Verwendung von technischen Geräten, wie Schreibmaschine, Computer oder Diktiergerät, der besonderen Genehmigung durch die Bibliothek“ – stört aber kein Schwein, sind ja auch keine Lederjacken.
Der Türsteher läßt sich auf gar keine Diskussion ein, sondern läßt sich ob meiner Kritik den Stabi-Ausweis zeigen und notiert sich meine Ausweisnummer. Darf er ja, trägt ja schließlich Uniform.
Der Pressesprecher Peter Schnitzlein, natürlich im Anzug, nennt Sicherheitsbedenken als Grund, die Angst vor dem Bücherklau, läßt sich dann aber auch nicht weiter auf die durchaus spannende Frage ein, ob so ein Foliant nicht eher unter einen Winterpulli paßt, denn in eine eng geschnittene Lederjacke. Von den Möglichkeiten meinesTweetTweedsakkos daheim gar nicht zu sprechen.
Irgendwo muß ich doch noch eine lederne Bettjacke aus meiner Fetischphase haben, definitiv nicht fürs Freie geeignet, einen Versuch wäre es wert, ist doch die Stabi auch als Kontaktbörse und erotischer Laufsteg bekannt.
(Foto: digital cat/flickr)
Heutzutage wird man in dem Outfit nicht mehr als prügelnder Halbstarker abgekanzelt, sondern als Bücherdieb. Denn die Türsteher residieren jetzt am Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek und sie lassen keinen in Lederjacken hinein. Sakkos? Ja. Sackartige Pullis? Ja. Ausladenden Strickjacken? Ja. Hoodies? Ja. Lederjacken? Nein.
Tatsachenentscheidungen nennt das die Hausordnung, und wie beim Fußball ist das so eine Sache mit den Tatsachenentscheidungen. Denn neben Mänteln und Anoraks sind eben auch „Jacken, die überwiegend im Freien getragen werden“, im Lesesaal untersagt, was der Interpretation freies Spiel läßt. Nur bei Lederjacken nicht. Die kommen nicht rein.
Bei Computern etwa ist selbst eine Staatsbibliothek großzügiger oder einfach in der Gegenwart angekommen, denn laut Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken (ABOB) bedarf in den Lesesälen „die Verwendung von technischen Geräten, wie Schreibmaschine, Computer oder Diktiergerät, der besonderen Genehmigung durch die Bibliothek“ – stört aber kein Schwein, sind ja auch keine Lederjacken.
Der Türsteher läßt sich auf gar keine Diskussion ein, sondern läßt sich ob meiner Kritik den Stabi-Ausweis zeigen und notiert sich meine Ausweisnummer. Darf er ja, trägt ja schließlich Uniform.
Der Pressesprecher Peter Schnitzlein, natürlich im Anzug, nennt Sicherheitsbedenken als Grund, die Angst vor dem Bücherklau, läßt sich dann aber auch nicht weiter auf die durchaus spannende Frage ein, ob so ein Foliant nicht eher unter einen Winterpulli paßt, denn in eine eng geschnittene Lederjacke. Von den Möglichkeiten meines
Irgendwo muß ich doch noch eine lederne Bettjacke aus meiner Fetischphase haben, definitiv nicht fürs Freie geeignet, einen Versuch wäre es wert, ist doch die Stabi auch als Kontaktbörse und erotischer Laufsteg bekannt.
(Foto: digital cat/flickr)
Samstag, 2. Oktober 2010
Wochenplan
Wiesnfinale, Podiumsdiskussion „Integration durch Medien“ mit Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung), Eleni Iliadou (BR) Georg Thanscheidt („Abendzeitung“), Rahmi Turan („Sabah“), Nihat Yildirim („Türkiye Gazetesi“) und Serkan Önder („Türkiye Gazetesi“) / Großer Sitzungssaal des Rathauses, „24“ – die 8. Staffel / Kabel 1, „Art Cars“ / BMW-Museum, Pressevorführungen „Gainsbourg“, „Machete“ und „Fair Game“, Vernissage „typisch! Klischees von Juden und Anderen“ / Jüdisches Museum, Vernissage „Urban Jungle“ / Lumas, Opening Reception Jake & Dinos Chapman / Galerie Daniel Blau, mein Cameo-Auftritt am roten Teppich der „Popstars“ / Pro Sieben, Barcamp München, DJV-Tagung Besser Online / Bayerischer Rundfunk (mit mir als Koreferent zum Thema „Wie können sich Journalisten als Marke positionieren – ob mit Twitter, Facebook oder WordPress?“), DJV-Kongreß Prosa trifft Pixel / Hochschule Magdeburg-Stendal, München-Premiere von Patrick Banushs „Die Liebe und Viktor“ / Valentinstüberl
Freitag, 1. Oktober 2010
Wenn Eunuchen von Sex labern – Klaus Lemke und sein Hamburger Manifest
Neben manchen Torries und Liberalen ist Klaus Lemke wahrscheinlich der einzige, der die Auflösung des britischen Film Councils gut heißt, obwohl es genau jene kleinen, schmutzigen Filme förderte, die Lemke selbst zu machen nur vorgibt. Aber nun gut, „Film muss noch nicht mal gut sein“, konstatiert Lemke in seinem Hamburger Manifest, das dieser Tage für Aufsehen sorgte beziehungsweise von der „Süddeutschen Zeitung“ für unterhaltsam erklärt wurde. Die darin angegriffene deutschen Filmförderungsgremien wollten sich zu Lemkes Pöbeleien offenbar mit einer Ausnahme nicht äußern, weshalb der Münchner Studentensender m94,5 auch mich um ein Statement bat, nachdem ich mich offenbar unlängst als Lemke-Experte etabliert habe. Hier Brit Ullrichs Beitrag:
Abonnieren
Posts (Atom)