Freitag, 2. April 2010

K1 reloaded – Wetten, daß keiner blank zieht?

Die Mission: Eine Ikone der 68er, Thomas Hesterbergs Nacktfoto der Kommune 1, nachzustellen. Der Ort: Das Studio 9 der Bavaria in Geiselgasteig, wo für das ZDF gestern abend Thomas Gottschalks Geburtstagsrevue „My Sixties“ inszeniert wurde. Das Problem: Genügend Leute zu finden, die unbezahlt blank ziehen. Denn es mangelt den Castingshow-geprüften Produzenten von Tresor TV sicherlich nicht an genügend Komparsen in der Kartei, die für ein paar Euro nackte Tatsachen sprechen ließen. Aber manchmal geschehen kleine Wunder, und das Produktionsteam wollte tatsächlich auf Überzeugungstäter setzen, die um der Sache willen posieren und nicht wegen der Gage:
„Thomas Gottschalk sucht für seine Zeitreise 'My Swinging Sixties' - Samstag, 3. April 2010, 20.15 Uhr, im ZDF - 'nackte Tatsachen': Einer der legendärsten 'Schnappschüsse' der wilden 60er ist zur Ikone dieser Zeit geworden. Sieben Männer und Frauen ziehen blank und zeigen der biederen Welt: Spießigkeit war gestern, es lebe die Freiheit und der Nonkonformismus!
Was die Kommune 1 damals konnte, sollte im Jahr 2010 schon lange drin sein: Für eine ganz besondere Neuauflage des bekannten Fotos im Rahmen seiner Show 'My Swinging Sixties' sucht Thomas Gottschalk jetzt unerschrockene Fotomodelle in Rückansicht, die die Aufnahme im Studio nachstellen.
Die wilden 60er sind Party und gute Laune, aber sie haben mit ihren revolutionären Errungenschaften auch das gesellschaftliche Denken nachhaltig geprägt. Wer den überzeugenden - und vor allem unbekleideten - Beweis antreten möchte, dass der Geist von damals auch heute noch lebendig ist, kann sich ab sofort melden.“

Nun ist es keineswegs so, daß ich alles tun würde, um Samstag abend in der prime time von Thomas Gottschalk im ZDF interviewt zu werden, aber als ich den unter anderem von der „Abendzeitung“ veröffentlichten Aufruf las, dachte ich nicht lange nach und sagte sofort zu.
Ob es nun an den Osterferien, dem angeblich prüden Bayern oder einer unzureichenden Kommunikationsarbeit lag, jedenfalls fanden sich nur etwa drei Exhibitionisten, die wie ich bereit gewesen wären, vor laufender Kamera das legendäre Bild nachzustellen – wahlweise mit oder ohne hautfarbenem Tanga. (Selbst der „Spiegel“ hat das Original seinerzeit nur retuschiert veröffentlicht. Von wegen Swinging!)
Zwar lautete die Ansage ursprünglich, man würde in der Sendung auf jeden Fall über die K1 und unsere Gründe, das Bild nachzustellen, sprechen, und je nach Anzahl der Freiwilligen im Studio entscheiden, ob man das Shooting dann tatsächlich noch einmal mit einem Sechziger-Jahre-Fotografen wiederhole. Aber welcher Fernsehsender will schon in einer Samstagabendshow sein Scheitern thematisieren? Also wurde der Programmteil kurzfristig durch einen Auftritt der schlechtesten Beatles-Cover-Band ever ersetzt.
So blieb es Helmut Berger vorbehalten, etwas Anarchie und Widerspenstigkeit in die ansonsten recht glatt gebügelte Retroshow zu schmuggeln, genug, um die Regie wild mit „Verabschieden!“-Schildern wedeln zu lassen, die Thomas Gottschalk aber souverän ignorierte. Mal sehen, was von Bergers lyrischem Weltschmerz morgen abend in der zurechtgestutzten Sendung noch übrig bleibt.

Updates: Sie haben nur herausgeschnitten, wie Berger und Gottschalk zum Schluß zu „Honky Tonk Woman“ tanzen. Hier Helmut Bergers Auftritt auszugsweise als Video in der ZDF-Mediathek, und etwas ausführlicher auf YouTube. Michael Graeter über Bergers München-Aufenthalt.


(Fotos: ZDF/Astrid Schmidhuber)

Donnerstag, 18. März 2010

CDU, Twitter und das Strafrecht: Von der Vortäuschung einer Vortäuschung

Unbekannte Hacker, intrigante Parteifreunde aus der Jungen Union oder gar die NPD? Als während der sächsischen Landtagswahl am 30.August 2009 anderthalb Stunden vor Schließung der Wahllokale eine ziemlich präzise Prognose vom Account des CDU-Politikers Patrick Rudolph getwittert wurde, waren zwei Dinge klar: Laut Rudolph, daß er diese Zahlen nicht veröffentlicht habe, sondern Dritte sich seines Kontos bemächtigt hätten („Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat“), ja noch schlimmer sogar: „sein Account sei von Unbekannten gehackt worden“. Und für mich, daß die umgehend eingeleitete Untersuchung des mutmaßlichen Prognosenverrats im Nichts versanden verlaufen würde.
Und tatsächlich hat die Landeswahlleiterin, Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, nunmehr ein halbes Jahr später das Verfahren eingestellt, da kein direkter Zusammenhang zwischen den Nachwahlbefragungen am Tag der Wahl des 5. Sächsischen Landtages einerseits und den Twitter-Meldungen vor Ablauf der Wahlzeit andererseits nachgewiesen werden“ konnte. Wie schon im vergleichbaren Ausplaudern erster Hochrechnungen durch bild.de während der hessischen Landtagswahl waren auch dieses Mal die beiden Meinungsforschungsinstitute Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap Kronzeugen und damit Herren des Verfahrens.
Interessanter ist aber, daß keine Rede mehr von finsteren Mächten war, sondern die Landeswahlleiterin mir gestern recht einsilbig Patrick Rudolph als Urheber der Prognosen bestätigte.
Demnach hätte der Radebeuler Stadtrat und Vorsitzende der örtlichen CDU letztes Jahr nur vorgetäuscht, daß Dritte mutmaßlich durch eine Straftat – etwa durch das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) – vorgetäuscht hätten, daß er eine Ordnungswidrigkeit durch Veröffentlichung der Wahlnachfragen – § 31 (2) SächsWahlG – begangen hätte. Mal sehen, was die Exit-Polls-Nomenklatur bei der kommenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an Merkwürdigkeiten zu bieten hat.

Mittwoch, 17. März 2010

„Raus aus Amal – Fucking Åmål“

Den schmalen Grat zwischen Scherz und Schmerz, pubertären Stereotypen und erzählerischer Phantasie meistert Lukas Moodyssons „Fucking Åmål“ bis zuletzt. Jung zu sein, kann gelegentlich schon zur Bürde werden; aber in einem Kaff wie dem schwedischen Åmål aufzuwachsen, ist eine ganz besondere Last.
Als dort die ersten Raves stattfinden, stehen sie in den Hochglanzmagazinen bereits auf der Out-Liste. Der Samstagabend glänzt in den Farben der Bingoshows ausstrahlenden Fernsehröhre und Glück bedeutet, das Geheimnis zu kennen, wie man die beste Schokoladenmilch zubereitet.
Doch auch in der Provinz gibt es Mädchen wie Elin, auf die alle Jungs stehen und sie wie eine Trophäe durchreichen. Aber diesmal verliert auch eine Mitschülerin ihr Herz an die Schulschlampe. Und gerät dabei in einen Wirbel aus Mißverständnissen und Intrigen, Liebesbeweisen und Zurückweisungen, der frei von jedwelchem lesbischen Lehrton vergnüglichst das Leid mit der Liebe ausspielt.

Dieser Text erschien in der „Berliner Morgenpost“ vom 15. Februar 1999

Samstag, 13. März 2010

Montag, 8. März 2010

BILD halluziniert von nackigen Protesten

Mal ganz im Vertrauen, träumen nicht viele von uns gelegentlich von einem Playmate? Die Kunst besteht eben darin, zu wissen, wann man phantasiert, und nicht wie die Kollegen von der „BILD“ München so eine Halluzination auch noch ins Blatt zu hieven.
„So sexy kann protestieren sein! Bei frostigen Temperaturen und nur mit zarten Dessous bekleidet, räkelte sich Playmate Doreen Seidel am Samstag in der Münchner Fußgängerzone auf einem kuscheligen Bett! Eine Aktion, die für Aufsehen sorgte“, dichtet das Lügenblatt heute auf Seite 6 seiner Münchner Ausgabe.
Zu dumm, daß diese Anti-Pelz-Aktion von Peta am Samstag (Ihr erinnert Euch, es schneite wie wild!) kurzfristig um 9.29 Uhr abgesagt wurde, da Peta-Aktivistin Tanja Wiemann, „als auch das für diese Aktion benötigte Bett auf einer gesperrten Autobahn feststecken“, es war die A8, um genau zu sein. Haben die Kollegen vom Isartorplatz nun die Story mit einem Archivbild aus dem „Playboy“ illustriert, weil sie vom Peta-Auftritt grundsätzlich nichts ausreichend nackiges erwartet haben oder weil, warum nur, kein Bild von dem Ereignis aufzutreiben war?

Sonntag, 7. März 2010

Live-Blog zur Oscar-Verleihung

(Update: Oscar-Verleihung 2015 hier)

Alle Jahre wieder: Auch heuer blogge (twittere und facebuckle) ich an dieser Stelle wieder live zur Verleihung der Academy Awards. Wer sonst zwischen Hollywood und Wien noch so bloggt, streamt oder die Übertragung von Pro Sieben und ORF 1 als Public Viewing präsentiert, habe ich da auszugsweise zusammengestellt. Bis später!

23.46 Uhr
Associated Press startet ihren Live Stream vom roten Teppich.

00.03 Uhr
It never rains in california? Wie bei den Golden Globes ist das Wetter auch heute nicht ganz trocken, aber offenbar ist die Academy darauf besser vorbereitet. Bisher kein Regenschirm in den Streams zu sehen.

00.29 Uhr
Bis es richtig losgeht, kann man auch schnell einen Blick auf die klassischen Stars werfen. Old Hollywood!

02.00 Uhr
 Okay, Maggie Gyllenhaals blaues Cocktailkeid von Dries Van Noten ist nicht schlecht - für eine Strandbar. Aber die Oscars?????

Charlize Theron

Miley Cyrus und Amanda Seyfried


Natürlich gäbe es auch eine ganze Reihe Jungs, aber in ihren Smokings sehen Lenny Kravitz, Jason Reitman, James Cameron, Tom Ford & Co recht austauschbar aus.

Rachel McAdams

Carey Mulligan









Cameron Diaz

Kate Winslet

Christoph Waltz

George Clooney mit Elisabetta Canalis

Neil Patrick Harris' Anfangsnummer.
Demi Moore

Pedro Almodóvar und Quentin Tarantino

Robert Downey jr

Jeff Bridges

Penelope Cruz zeichnet Christoph Waltz als besten männlichen Nebendarsteller aus.

Elizabeth Banks










10.58 Uhr
Warum so schweigsam? Wie auch schon bei anderer Gelegenheit erlebt, hat sich auch letzte Nacht gezeigt, daß Twitter und Facebook meinen Blog vielleicht nicht töten, aber doch deutlich schwächen. Aber ich muß auch sagen, daß die Oscar-Verleihung 2010 mich nicht sonderlich zu irgendwelchen Kommentaren oder Statements inspiriert hat. Mag an der Veranstaltung liegen, mag aber auch an meiner Tages- oder vielmehr nächtlichen Form liegen. Das ist eben live.

Tom Ford mit Sarah Jessica Parker – Was trägt sie da für ein Umstandskleid von Chanel und was brütet sie bloß in ihren Haaren aus? 

In ihrem Schneewittchen-Look würde Sandra Bullock bei „Unser Star für Oslo“ nicht weiter auffallen. Deutsch sprechen kann sie ja.

Women's Lib: Barbra Streisand zeichnet Kathryn Bigelow mit dem Regie-Oscar aus. Bigelow ist damit die erste Frau, die in dieser Kategorie gewinnt. Was trägt sie da bloß am linken Arm: bereits das Einlaßbändchen für die Vanity-Fair-Party? Ich dachte, die Oscar-Statuette würde dafür reichen.

Honorary Award für Lauren Bacall („You know you don't have to act with me, Steve. You don't have to say anything, and you don't have to do anything. Not a thing. Oh, maybe just whistle. You know how to whistle, don't you, Steve? You just put your lips together and... blow.“, „To have and have not“ 1944) und Roger Corman.

Jennifer Lopez und Sam Worthington

Ich mag diesen asymmetrischen Togenlook nicht sonderlich, aber Sigourney Weaver sieht klasse aus.

Mammarazza: Meryl Streep knipst Geoffrey Fletcher und Brian Siberell beim Governors Ball. 

Christoph Waltz beim Governors Ball.

(Fotos: Matt Petit, Niall McCarthy, Darren Decker, Richard Harbaugh, Greg Harbaugh, Michael Yada / ©A.M.P.A.S.)

Freitag, 5. März 2010

And the Oscar goes to...

(Update: Liveblog zur Oscar-Nacht 2015 hier!)

Sonntag wird hier natürlich wieder wie die letzten Jahre live vor dem Fernseher gebloggt. Aber bis dahin stelle ich noch eine Liste aller anderen Live-Blogger und Public Viewings zusammen, die ich interessant finde. Und aktualisiere sie hier laufend.

Bis dahin noch ein kleiner Hinweis, daß Danny Glover und Workers United alle Stars auffordern, bei der Verleihung der Academy Awards nichts von Hugo Boss zu tragen. Das dürfte mir nicht schwer fallen...

Natürlich werde ich auch dazu twittern und mit Beate Wedekind auf Facebook einen Kommentardialog führen.

Live-Blogger:
Public Viewing:
Red Carpet Livestreams
    Oscar Live Stream
    Update: Heuer stehen weit weniger Übertragungen des Pro-Sieben-Fernsehsignals in Kinos, Mensen u.a. an als die Jahre zuvor. (Während es in Österreich mit der ORF-1-Übertragung offenbar weniger Probleme gibt.) Eine frühere gemeinsame Marketingaktion des Senders mit der Cinemaxx-Gruppe wird offenbar nicht wiederholt.
    Um das Cineplex Münster zu zitieren: „Leider hat sich die rechtliche Situation zur Übertragung der Oscarnacht geändert und wir sind nach momentanem Stand der Dinge nicht in der Lage diese schöne Tradition fortzuführen. (...) Pro Sieben kann wohl die Rechte an der Übertragung nicht mehr vermarkten. Im letzten Jahr war die Situation auch schon problematisch und eine Genehmigung ging erst wenige Tage vor der Verleihung bei uns ein, so dass wir da schon nicht mehr in der Lage waren das Event aufzuziehen. Angesichts der Sachlage in diesem Jahr wird das Ganze noch unwahrscheinlicher, da wir keine Verletzung von Lizenzbestimmungen in Kauf nehmen können und wollen.“
    Eine Rückfrage bei Pro Sieben ergab, daß der Sender Übertragungen der Oscar-Nacht in Kinos oder sonstigen Public Viewings, ausgenommen einer Marketing-Kooperation mit der Cinemaxx-Gruppe, nie unterstützt hätte, da man dafür gar nicht die erforderlichen Rechte besäße.

    (Foto: Niall McCarthy / ©A.M.P.A.S.)

    Donnerstag, 4. März 2010

    Young Gasteig: Nadelstiche, Bömbchen und ein Blog

    Die Revolution begann mit Fingerfood. Der Gasteig hatte sich nicht lumpen lassen und gestern abend die 25 Gesichter seiner aktuellen Frischzellenkur zu einem Brainstorming mit anschließender Party in der Black Box eingeladen.
    Was letzten Herbst mit einer in der Münchner Kulturszene eher skeptisch aufgenommenen Werbekampagne („Wir 25 werden 25. Der Gasteig auch“) startete, wird nun vom plakativen Auftritt zum konkreten Statement. Die Älteren unter uns mögen sich noch daran erinnern, wie der Gasteig Mitte der achtziger Jahre, etwa während des Münchner Filmfests, den Brennpunkt der Stadt bildete, wo man abend für abend jeden traf, der jung und kreativ war, bis die Leitung des Hauses dem dubiosen Partytreiben ein Ende bereitete und der Ziegelsteinbau zur düsteren Trutzburg verkam.
    Daß sich die Zeiten wieder zum Guten wandeln, ließ bereits das digitalanalog Festival ahnen, und zum 25-jährigen Jubiläum versucht der städtische Kulturbunker nun sogar, eine kleine „Revolution“ zu initiieren oder vielmehr das, was die Verantwortlichen im Haus sich darunter vorstellen. Man muß nur Hartmut Dedert, den Kommunikationschef im Gasteig, von Zehra Spindler schwärmen hören, um zu wissen, daß offenbar neue, aufregende Zeiten bevorstehen könnten. Weniger Volkshochschule und Stadtbücherei, mehr Kultur.
    Der Ansatz stimmt, die ersten Schritte sind getan, doch wie so oft in Deutschland scheinen in der Kulturszene wie in den Medien die Bedenkenträger noch den Ton anzugeben, denn wann hätte es zuletzt eine derart allgegenwärtige Kulturkampagne gegeben, die so wenig Resonanz fand.
    Eine Mystery-Kampagne der Werbeagentur Sputniks in Zusammenarbeit mit dem Medienpartner „Abendzeitung“ und der direkte Kontakt zu den örtlichen Akademien, Hochschulen und Institutionen wie das Literaturhaus brachte nur wenig Rücklauf, vielleicht weil sie zu enigmatisch war. „Man muss schon sehr kreativ sein, um an dieser besonderen Münchner Aktion teilnehmen zu können, die sich an junge und kreative Menschen wendet“, kritisierte Dirk von Gehlen den Wettbewerb.
    Aber nicht zuletzt auch aus dem Bekanntenkreis der Beteiligten fanden sich 25 „(Lebens-)Künstler“, die dann zwischen den Jahren stadtweit via Litfaßsäulen, Moskito-Wechselrahmen, Großflächen und U-Bahnstationen plakatiert wurden. An der Philharmonie und im S-Bahnhof Rosenheimer Platz hängen sie noch heute.
    Vielleicht haben Münchens junge Kreativen und die Medien die Aktion „25 werden 25“ als oberflächliche Werbekampagne verkannt, und der Gasteig plant auch eine zweite Welle in Form eines Werbespots, der ab Oktober in den Programmkinos laufen soll, aber der Kern dieser Kampagne liegt nicht etwa nur in der Ökonomie der Aufmerksamkeit.
    Der Höhepunkt war auch keineswegs die gestrige Prämierung der Autorin Katrin Baumer, Tänzerin Amanda Billberg und Fotografin Andreea Varga als primae inter pares mit jeweils 500 Euro.
    Jetzt geht's erst überhaupt so richtig los: Der Gasteig will allen 25 jungen Künstlern bis in den Sommer 2011 hinein sein Haus als Plattform bieten, und beim ersten Brainstorming gestern nachmittag war die Rede von „Nadelstichen“ und „Bömbchen“, die man dem herkömmlichen Besucher zumuten wolle. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe („25 werden 25“) wird weiter an den gemeinsamen, genreübergreifenden Veranstaltungen getüftelt, und einen Blog wird es natürlich auch bald geben. Der Gasteig lebt, wer hätte das erwartet.
    1. Sarah Barnert, Kommunikationsdesignerin
    2. Julia Barthel, Bratschistin/Akademistin der Philharmoniker
    3. Katrin Baumer, Autorin (Nadaville)
    4. Kathi Bestler*, Sängerin
    5. Amanda Billberg, Tänzerin
    6. Alexander Cappek, Veranstaltungstechniker
    7. Christy*, Singer/Songwriterin
    8. Zsofia Csirke (oder Csirske?), Trompeterin
    9. Mina Esfandiari, Fotodesignerin
    10. Mary Marinette Fischer, Kommunikationsdesignerin
    11. Ulrike Hoff, Sängerin
    12. Herman Hübner, Veranstaltungstechniker
    13. Saskia Jahreis, Percussionistin
    14. Benny Kottmair, Pianist
    15. Theresa Kratschmer*, Unternehmenskommunikation
    16. Lukas Mayer*, Gastronom
    17. André Meier*, DJ
    18. Hannah Elisabeth Müller*, Sopranistin
    19. Tamara Müller, Modedesignerin
    20. Josef Nguyen*, Gitarrist
    21. Marie Preußler, Tänzerin
    22. Jessica Riccò, Wissenschaftsjournalistin (Nadaville)
    23. Natascha Sagorski*, Autorin (laut Vita Jahrgang 1984?)
    24. Ferdinand Schmidt-Modrow*, Schauspieler
    25. Monika Schuster, Autorin (Nadaville)
    26. Laura Theis, Singer-Songwriterin
    27. Andreea Varga, Fotografin
    28. Tino Wagner*, Schlagzeuger
    29. David Werker*, Comedian
    30. Jutta Witt, Dekorateurin
    31. Daniela Wolf, Schauspielerin (laut Vita aber bereits 26?)

    Updates

    *Offenbar wurden seit März mehrere Teilnehmer ausgewechselt und zur Programmpräsentation am 26. November durch neue wie den Comedian David Werker ersetzt.

    Programm der 25 Young-Gasteig-Veranstaltungen zum Jubiläum. Als „Gasteig on tour“ verläßt man dabei auch mal den Kulturbunker, um die Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen dort abzuholen, wo sie sich sonst aufhalten, im Bob Beaman oder 8 below:
    • Gasteig Open Video – Start Playing, mit Weltpremiere von Bendict Mirows 25 Tanzfilms mit Marie Preußler und Amanda Billberg sowie Eva Svaneblom, Mariella Aranda und Johannes Härtl (26.11., 21 Uhr, Eintritt frei)
    • Konzert JB's First – Support: Waldmeister (4.12., 20 Uhr)
    • Weihnachtskonzert im Weihnachtswald mit der Trompeterin Zsofia Csirske – oder Csirke? (5.12., 18 Uhr, Eintritt frei)
    • Lesung „Stille Nächte im Weihnachtswald“ mit Nadaville: Katrin Baumer, Jessica Riccò und Monika Schuster (12.12., 18 Uhr, Eintritt frei)
    • Ausstellung „Das geheimnisvollste Stück Materie auf Erden“ von Caroline von Eichhorn, Günter Götzer und Marinette Fischer (13.12.-20.1., Vernissage am 12.12. um 20 Uhr)
    • Ausstellung „Dance around Munich“ – Von Mode-Design Studentin Tamara Müller entworfene Kleider wurden von den beiden Tanz-Künstlerinnen Marie Preußler und Amanda Billberg getragen, während Andreea Varga sie sie spontan in den Straßen Münchens und in den Räumlichkeiten des Gasteigs in Szene gesetzt und fotografiert hat (13.12.-20.1., Vernissage am 12.12. um 20 Uhr)
    • David Werker: Morgens 15.30 in Deutschland (19.1.2011, 20 Uhr)
    • Klassik im Club: Julia Barthel & José Gallardo im Bob Beaman (17.2., 20 Uhr)
    • Nadaville-Lesung mit Katrin Baumer, Jessica Riccò und Monika Schuster im 8 below (8.4., 20 Uhr)
    • Best of 25: Marinette Fischer, Sarah Barnert, Mina Esfandiari und Andreea Varga präsentieren ihr Werk (22.4.-11.5., Vernissage 21.4., 20 Uhr)
    • Man irani hastam. Mina Esfandiaris Iran-Porträts (22.4.-11.5., Vernissage 21.4., 20 Uhr)
    • White Noise/Black Silence Festival (23./24.4.)
    • Lange Nacht der Musik, unter anderem mit dem Madrigalchor, Beißpony ft. Laura Theis, Bracc, Christy, der Schulmusiker-BigBand der Hochschule für Musik und Theater München, Hannah Elisabeth Müller, KaPaSa sowie „Romy Schneider in Berlin“ ft. Saskia Jahreis (28.5.)
    • Modenschau Tamara Müller (6.6., 19 Uhr, Eintritt frei)
    • Bewerbungstraining mit den Schauspielern Daniela Wolf und Ferdinand Schmidt-Modrow (23.7., 11 Uhr, Eintritt frei)
    • Dance around gast (23.7., 14 Uhr, Eintritt frei)
    • Nadaville-Lesung „Haute Cuisine für arme Schlucker“ mit Katrin Baumer, Jessica Riccò und Monika Schuster (24.7., 12 Uhr, Eintritt frei)

    Sonntag, 28. Februar 2010

    Ulrike Zeitlinger: Vom Blattmacher zum V.I.P. Chocolatier

    Wir kennen Sie als langjährige Blattmacherin („Mädchen“, „Cosmopolitan“, „freundin“) und working mom, doch nun hat sich Ulrike Zeitlinger, derzeit mit vier fünf Blättern („freundin“, „Wellfit“, „Burda Style“, „Alley Cat“, „Anton“ „freundin DONNA“) nicht gerade unterbeschäftigt, auf völlig neuem Terrain bewiesen, als V.I.P. Schokofee: Anläßlich der Eröffnung der Bunten Schokowelt von Ritter Sport in Berlin kreierte Zeitlinger neben Stars wie Iris Berben, Amelie Fried, Sarah Kuttner, Michaela May, Boris Entrup, Caroline Link und Florian Langenscheidt ihre ganz persönliche V.I.P.-Mischung aus Cranberry, Rotem Pfeffer und Macademia.
    Ganz so neu ist das süße Geschäft für Zeitlinger auch nicht, schließlich beweist sich die Chefredakteurin seit der Geburt ihres nunmehr 5-jährigen Sohnes Ben als begeisterte wie begnadete Plätzchenbäckerin und Geburtstagstortenkünstlerin. Vom geschickten Einsatz vielfältiger Süßigkeiten zur Befriedung ihrer Redaktion ganz zu schweigen, da hat sie von ihrer langjährigen Mentorin Patricia Riekel gelernt, die erst unlängst wieder postulierte, daß Redakteurinnen nicht weinen könnten, wenn man ihnen etwas Süßes in den Mund steckt. 
    Verkauft wurden die Promitafeln auf eBay, das ein noch härterer Bekanntheitsbarometer ist als „Buntes“ Star Control. Während Berben, Kuttner, Langenscheidt und ein Max Herre für ihre Tafeln zwischen 13 und 20 Euro zugunsten der – von Langenscheidt gegründeten – Kinderhilfsorganisation Children for a better World e. V. erzielten, liegt Zeitlinger immerhin noch mit ihren erlösten Geboten über Bestsellerautorin und Talk-Veteranin Amelie Fried oder Oscar-Preisträgerin Caroline Link.
    Was wohl als nächstes kommt: eine Teemischung von Giovanni di Lorenzo oder Nagellack von Petra Winter?

    Samstag, 27. Februar 2010

    Wochenplan

    Pressevorführungen „Remember me“, „Chloé“ und „Dorian Gray“, Redaktionsbesuch „w&v“, Starkbierprobe Nockherberg, Preisverleihung & Party „25 Jahre werden 25 / Gasteig, Vernissage Olaf Otto Becker / f 5.6, Multimediale Lesung „Wut, Angst & Chaos“ mit Katrin Baumer, Caro, Felix Bonke, Alex Burkhard und Deef Pirmasens / Niederlassung, München 852 Opening / Brienner 48, Vernissage Giampaolo Babetto / Pinakothek der Moderne, Lesung Taubenvergrämer & Kapinski / Brienner 48, Premiere „Surprise“ / GOP. Varieté, Oscar-Nacht

    (Foto: Todd Wawrychuk / ©A.M.P.A.S.)

    Freitag, 26. Februar 2010

    Nimmerland ist abgebrannt: „Der Dämon in mir – The Woodsman“

    „Woran denkst Du gerade?“ Kaum eine Frau wird im Kuschelrausch dieser Frage widerstehen können, und kein Mann wird ehrlich erwidern: „Nichts…was ich Dir sagen kann, ohne daß Du verletzt sein wirst.“ Im Kopf eines Mannes verbergen sich genug finstere Fantasien, um die Glaubenskongregation bis zum Jüngsten Tag mit Verfahren zu versorgen. Doch da man dem anderen schwer in den Schädel gaffen kann, hilft manchmal auch ein Blick auf sein gelötetes Hirn, die Festplatte, um einen Schimmer von den Abgründen einer Seele zu erhaschen.
    Walter (Kevin Bacon) hat keinen Computer. Denn nach zwölf Jahren Knast besitzt er nicht viel mehr als die Kleider an seinem Leib. Seine Schmuddelbilder hat er im Kopf, gut versteckt vor allen anderen, und vor allem vor sich selbst. Denn Walter hält sich für einen guten Menschen. Er will nur lieben und niemandem weh tun. Doch seine Liebe brachte ihn ins Zuchthaus. Weil ihn sein Begehren verwandelt wie Michael Jackson im „Thriller“-Video.
    Liebe ist Wahn, Sucht, Rausch, aber Walters Liebe ist kriminell. Zwölf Jahre Knast und eine Freilassung auf Bewährung. Der Therapeut überredet ihn, Tagebuch zu führen, seine Gedanken aufzuschreiben, die geistigen Schmuddelbilder zu Papier zu bringen, und wir wissen nicht, was Walter mehr fürchtet: Daß seine verräterischen Notizen der hartnäckig lauernden Polizei in die Hände fallen oder daß er sich darin selbst erkennt.
    Wir kennen Leute wie Walter: Wortkarge Kollegen am Arbeitsplatz, die sich allen Routinen verschließen. Ausgehungerte One-Night-Stands, die uns zwar nicht die Sterne vom Himmel holen, aber eine Nacht Zweisamkeit schenken. Aber wer kennt schon Kinderschänder? Nicole Kassell macht es uns in ihrem Spielfilmdebüt ganz leicht: Weitab von aller Dämonie eines Peter Lorre („M – eine Stadt sucht einen Mörder“) oder Gert Fröbe („Es geschah am hellichten Tag“), ohne die Theatralik eines Michel Serrault („Das Verhör“) nähert sie sich dem Tabu, indem sie es jeder Exzentrik entzieht.
    Kinderschänder, die keine Kinderschlächter sind. Hasenbergl statt Hollywood. Wir sind nicht in Nimmerland, sondern in der amerikanischen Provinz der Sägewerke und Pick-ups, die hier – anders als bei David Lynch – keine kitschige Operettenkulisse abgibt, sondern wahrhaftig wirkt und dennoch mit jeder Einstellung allgegenwärtige Monotonie präsentiert: Der joviale Schwager (Benjamin Bratt), der Walters Schwester bei jeder Gelegenheit betrügt. Die attraktive Sekretärin (Rapperin Eve), die Zurückweisung mit Mobbing bestraft. Der fiese Bulle (HipHop-Star Mos Def), der schon zuviele geschändete Kinder gesehen hat, um Verdächtigen noch Fairness zu gewähren.
    Stück für Stück findet Walter nach seiner Entlassung zwischen diesen Monstern seine scheinbar sichere Nische: einen Arbeitsplatz, eine reife Beziehung. Alltag eben. Wird alles gut? Die Versuchung ist allgegenwärtig: Der einzige Vermieter, der einen Vorbestraften akzeptiert, quartiert ihn ausgerechnet gegenüber einer Schule ein. Den Bus, den er nach Feierabend nimmt, benutzen auch viele kleine Mädchen. Vor allem muß Walter aber entdecken, daß seine Liebe geteilt wird: Vor seinen Augen fischt ein Geistesverwandter nach Kindern. Und das Mädchen, das Walter im Park anspricht, weiß recht genau, was er will: Sein Vater genießt es auch, wenn es in seinem Schoß sitzt. Das Grauen ist überall.
    Doch manchmal findet man nicht nur in der Liebe Verwandlung, sondern auch in der Konfrontation mit den vertrauten Dämonen. Und manchmal entpuppt sich ein kleiner, sperriger Debütfilm als Meisterwerk, weil man ihn gerade nicht geflissentlich abnicken und beklatschen kann, sondern ihm hilflos gegenüber sitzt.

    Dieser Text erschien im „In München“ 10/2005 vom 5. Mai 2005

    (Foto: ZDF/ARD/Degeto)