Samstag, 30. Mai 2020

Hubert Burda & die Bayerische Hausbau: Mythenbildung im Arabellapark (Update)

Für Hubert Burda bleibt sein Büro an der Arabellastraße „der spannendste Ort“ der Welt. Was man für das Areal zwischen seinem Verlag und dem Arabellahaus längst in Frage stellen kann. „Dort pulsierte das Leben“ einst zwar mit Sicherheit.
Und auch wenn die Fußgängerzone unter Burda-Redakteuren gern „Gefängnishof“ genannt wurde, galt die Schmähung doch eher dem Arbeitgeber als der beliebten Piazza, die, wie Burda zu recht feststellt, „für die Redakteure des Verlags eine belebende soziale Atmosphäre“ bot. Und sei es nur, weil man sich gern mittags im Arabella-Hotel zu einem Schäferstündchen traf. Aber das ist lange her.
Selbst damals war der Offenburger Verleger keineswegs ein Neuankömmling in München, auch wenn er in seinem Interview für die soeben erschienene Festschrift zum 50. Jubiläum des Arabellahauses und des sich anschließenden Stadtviertels auf die arg verkürzte Frage „Was hat Sie damals bewogen, von Offenburg nach München zu ziehen – und warum gerade in den Arabellapark?“ den Eindruck entstehen läßt, 1983 quasi direkt von Offenburg nach München gekommen zu sein.
Aber bereits 1966 erhielt Junior Hubert Burda, der unter anderem in München Kunstgeschichte studiert hat, von seinem Vater, dem Senator Franz Burda, sein eigenes kleines Reich als Verlagsleiter, eine Münchner Dependance in der Arnulfstraße, wo etwa unter Helmut Markwort als Chefredakteur die „Bild + Funk“ entstand und der junge Burda bei seinem ersten Versuch als Innovator zwölf Millionen Mark mit dem Männermagazin „m“ versenken durfte.
1983 war Burda dann längst als Verlag in München etabliert. Es zog höchstens der „Hauptsitz“ um, wobei faktisch bis weit ins 21. Jahrhundert ein vom Verleger sehr bewußt gepflegter Dualismus zwischen Offenburg (Todenhöfer) und München (Markwort) weiter fortbestand. Teile und herrsche.
Seitdem ist der Arabellapark in die Jahre gekommen, um aus einer weiteren Frage an den Verleger weiter hinten in der Festschrift zu zitieren: „Sukzessive gelangen die Gebäude im Arabellapark an das Ende ihrer funktionellen Lebensdauer.“ Und das gilt nicht weniger für viele Redaktionen dieser „Fleet Street von München“.
Die Printredaktion von „Focus“ sucht längst in Berlin ihre Zukunft. Die „Cosmopolitan“, ein paar Häuser weiter von Marquard Media verlegt, und fürs Viertel so prägend, dass das Restaurant Föhn am Rosenkavalierplatz sogar den Redakteurinnen zuliebe eine „Pasta Cosmo“ kreierte (halbe Portion, aber dafür mit einem Salat), wurde an die Bauer Style & Luxury KG verkauft und ins weniger luxuriöse Neuperlach verbannt.
Und der deutsche „Playboy“ hat inzwischen auch Adresse wie Verlag gewechselt. Anders als auf Seite 23 der Festschrift behauptet, residiert er längst nicht mehr in der Arabellastraße. Seitdem Chefredakteur Florian Boitin die Last des in die Jahre gekommenen Titels seinem ehemaligen Arbeitgeber Burda abgenommen hat und das Männermagazin selbst verlegt, sitzt die Redaktion am Kaiser-Ludwig-Platz.

Sonntag, 24. Mai 2020

Wochenplan (Updates)

Wirtschaftsausschuss des Münchner Stadtrats / Rathaus, Pressekonferenz zum Kulturrettungsschirm / Kranhalle,  Mietrechts- bzw. Nachlassverfahren Lehrnbecher ./. Popa / Amtsgericht München, BND-Akte „Fix und Foxi“: „BILD“ ./. BRD – Mündliche Verhandlung zur Akteneinsicht hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes oder dessen Vorläuferin, der „Organisation Gehlen“, mit dem Kauka-Verlag und einzelnen dort tätigen Personen (BVerwG 6 A 11.19 u. a.) / Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungs- und IT-Ausschuss des Münchner Stadtrats / Rathaus, First Crew Launch with SpaceX / Kennedy Space Center, Sozialausschuss des Münchner Stadtrats / Rathaus, Vernissagen Florian Süssmayr zeigt / Galerie Schöttle und Tanja HirschfeldBartolomiej Zabielny & Franz Wechtenbruch: „Trialog“ / UtopiaDeutscher Kamerapreis, Re-Start 3. Liga: TSV 1860 vs. MSV Duisburg / Grünwalder Stadion (Geisterspiel)

Donnerstag, 21. Mai 2020

Horror Picture Show: „Oliver Twist“ (1982) mit George C. Scott und Tim Curry

Ein Mädchen, blond und zart, kämpft sich voran, durch Sturm und Regen. Mit letzter Kraft erreicht die Hochschwangere ein düsteres Anwesen, das Armenhaus einer kleinen, englischen Gemeinde, wo sie ihrem Sohn das Leben schenkt und stirbt. Ein Gentleman ist geboren, Oliver Twist hat das Licht einer Welt erblickt, die ihm trotz schrecklicher asozialer Verhältnisse nichts anhaben können wird.
 Pünktlich zu Weihnachten kommt die x-te Verfilmung von Charles Dickens' Klassiker in die Kinos, „Oliver Twist“, nicht mehr singend oder in Schwarz-weiß, sondern als opulentes Farbspektakel mit drei aufregenden Schauspielern in den bösen Rollen: Altmime George C. Scott, Frank'nfurter Tim Curry und die „Excalibur“-Schönheit Cherie Lunghi verkörpern das Milieu der korrupten und korrumpierenden Existenz.
An diese drei gerät das Waisenkind Oliver, vor Armenhaus und Kinderarbeit flüchtend, auf dem Weg in die Hauptstadt. Doch in diesem London des angehenden 19. Jahrhunderts, im Pfuhl der Armut und des Verbrechens bleibt der Kleine rein und fein, nicht umsonst ist er von besserem Blut. Nach einer aufregenden Odyssee wird Oliver als Sohn und Erbe eines edlen Herrn anerkannt.
Diese deterministische Vorstellung von der Vererbbarkeit der Klassenunterschiede schwächt die Sozialkritik des Werkes bedenklich ab. Erträglich und wohl auch ertragreich bleibt dieser Familienfilm dennoch, nicht zuletzt dank der Schauspieler und Dekors, die der altbekannten Geschichte immer neue Höhepunkte verschaffen.

Diese Filmkritik erschien in der „Münchner Stadt-Zeitung“, Ausgabe 12/1982.

Sonntag, 17. Mai 2020

Wochenplan (Update)

Vernissage „Obst und Gemüse“ mit Burcu Bilgic,  Anais Cousin, Lola Cuallado, Xenia Hartok, David Ilzhöfer,  Tom Messavilla,  Moritz Moll, Christina Reschetnikov, Antonio Sarcinella und Ilvie Schlotfeldt / Bienewitz, Erstverkaufstag der neuen VOGUE Deutschland „All About Love“ (Foto), Urteilsverkündung in Sachen „Strategische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“ / Bundesverfassungsgericht, Masks for Munich Pop-up Store / Breakout Mucbook Clubhaus, digitale Pressekonferenz zur neuen Spielzeit 2020/2021 unter der designierten Intendantin Barbara Mundel / Kammerspiele, Verkehrsministerin Kerstin Schreyer und Innenminister Joachim Herrmann ziehen Abschlussbilanz zum Bayerischen Verkehrssicherheitsprogramm 2020 / Odeon des Innenministeriums, „A Streetcar Named Desire“ mit Gillian Anderson / National Theatre at home, Romy 2020 – Der österreichische Film- und Fernsehpreis / ORF2, SubRosa Dictum BoundCon Party – Keep the Spirit Alive / YouTube

Foto: © Giampaolo Sgura für VOGUE Deutschland

Samstag, 16. Mai 2020

Kwaliteit für Klaus

Mit Typen aus Klaus Lemkes Filmkosmos rechnet man eher freitags auf Tele 5, wenn die schlechtesten Filme aller Zeiten laufen. Aber heute abend zeigt der Sender Trash ganz anderer Art, Dick Maas' Kultfilm „Flodder – Eine Familie zum Knutschen“ mit Huub Stapel in der Hauptrolle.
Dick & Huub, das war in den achtziger Jahren das Dream Team aus den Niederlanden, das mit drei Filmen: „Fahrstuhl des Grauens“, „Flodder“ und „Amsterdamned“ weltweit für Furore (und Remakes) sorgte.
Und selbst bis ins beschauliche München sprach sich der Ruhm um. Produzent Hanno Schilf hatte Klaus Lemkes „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) in Planung, und Huub Stapel sollte dem ganzen Professionalität und internationales Flair verleihen. Weshalb merkwürdigerweise ausgerechnet ich als sonst nur mit der Pressearbeit betrauter Gehilfe den Wunschstar bei Laune halten sollte.
Man schickte mich zu ihm nach Amsterdam, nur um mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen. Damit er ja auch unterschrieb und zu den Dreharbeiten erschien. Bei seinem Gegenbesuch in München besuchten wir mit Klaus Lemke die Wiesn und schossen das Promobild, mit dem die „Cinema“-Redaktion dann zwei Komparsenrollen verloste.
Während der Produktion führte ich Huub nach Drehschluss zum Runterkommen in den Wolkenkratzer, dem Club hoch oben im ehemaligen Hertie-Hochhaus, Schwabings fünfzig Meter hoher schwarzer Monolith, der dann 1992 abgerissen wurde.
Hanno hatte sich zwar vorgestellt, dass ich wie ein Pressechef alten Stils unserem Star dort Frauen zuführte, aber abgesehen davon, dass der Holländer mit dem Plüschblick das nicht nötig gehabt hätte und ich andere Vorstellungen von meinen Aufgaben hatte, war Huub dazu auch schlichtwegs zu bodenständig und normal.
Und damit so ziemlich das einzige Vernünftige an diesem wahnwitzig absurden Katastrophenprojekt (mehr dazu hier). Ob der branchenfremde Investor, die fremde Wohnungstüren eintretende Hauptdarstellerin oder ein Drehbuchautor, der nebenbei in einen Zuhälterkrieg verwickelt war, gegen die Zockerexpress-Truppe waren die Flodders bürgerliche Langweiler.
Die Dreharbeiten habe ich dann mittendrin verlassen, nachdem die vereinbarte zweite Gagenrate überfällig war und sich mir stattdessen plötzlich die Gelegenheit bot, in Paris einen Monat lang eine Wohnung zu hüten.
Den fertigen Film habe ich nie gesehen, aber in der Münchner Stadtbibliothek am Gasteig gibt es offenbar noch eine Videocassette (!?) davon zum Ausleihen. Vielleicht erbarmt sich auch Tele 5, „Zockerexpress“ einmal bei SchleFaZ auszustrahlen? Der Drehbericht der Erdinger Landkreisredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ klingt zumindest vielversprechend: „Lemke bot in den hier gefilmten Sequenzen alle Elemente des amerikanischen Aktionskinos auf. Brennende Fassaden, viel Rauch und die obligatorischen dunklen Gestalten an grauen Hauswänden.

Foto: Annape (Anna Peisl) für H.S. Film

Sonntag, 10. Mai 2020

Wochenplan (Updates)

Bayern Integrationsminister Joachim Herrmann präsentiert die Einbürgerungsstatistik 2019 und gratuliert exemplarisch einer Neubürgerin sowie zwei Neubürgern / Innenministerium, „Von der Isar nach Jerusalem“ – Gabriella Rosenthals Zeichnungen / Jüdisches Museum, „Neu- oder Stolperstart für die Gastronomie?“ Michael Käfer diskutiert auf Einladung der Jungen Union Schwabing / Zoom, Mira Mann liest „Schau mich an“ sowie aus ihrem Gedichtband „Komm einfach“ / Parasiten-TV„Ist das normal? Sprechen wir über Sex, wie du ihn willst“ – Online-Lesung mit der Sexualtherapeutin Melanie Büttner, Zeit-Online-Vize-Ressortleiter Sven Stockrahm und der Redaktionsleiterin von Spektrum.de Alina Schadwinkel / spektrum.de, Julia Fritzsche: „Tiefrot und radikal bunt: Who cares?“ / Online-Lesung mit Chat, Erstverkaufstag bzw. Auslieferung der Printausgabe der turi2 edition #11 Fußball, Re-Start der Bundesliga, Liga-Konferenz / Sky Sport News, Free European Song Contest / Pro Sieben, Eurovision Song Contest – Europe Shine a Light (Foto) / ARD, 160 Jahre TSV 1860, „Letzte Rettung Pfandleihhaus“ / ZDF

Sonntag, 3. Mai 2020

Wochenplan (Updates)

Vereidigung des neuen Münchner Stadtrats / Deutsches Theater, Star-Wars-Day, „Ein leichtes Mädchen“ / ZDF, Innenminister Joachim Herrmann / PresseClub Livestream, „Modebilder“ – Über die Rolle der Mode in den Sozialen Netzwerken sprechen die Kulturwissenschaftlerin Diana Weis und die Herausgeberin Annekathrin Kohout / Wagenbach Facebook Talk, ProSiebenSat.1 präsentiert seine Quartalszahlen / Webcast, Wiedereröffnung diverser Lesesäle / Bayerische Staatsbibliothek, Online-Vorführung von Frieder Schullers Paul-Celan-Film ,,Im Süden meiner Seele – In Sudul Sufletului Meu“ mit vorheriger Live-Diskussion / Rumänisches Kulturinstitut Berlin, Konstantin Wecker, Jo Barnikel, Fany Kammerlander und Überraschungsgäste: „Poesie & Widerstand in stürmischen Zeiten!“ / Livestream, „Die drei Tage des Condor“ (Foto) / Tele 5, „Plein Soleil – Nur die Sonne war Zeuge“ / arte

Sonntag, 26. April 2020

Wochenplan

Ottmar Traşcă: „1940 – Rumänien als Störfaktor der deutsch-sowjetischen Beziehungen“ (Online-Vortrag) / Rumänisches Kulturinstitut Berlin, 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau, Güteverhandlung und Haupttermin / Amtsgericht München – Abteilung für Mietsachen, Tag der Befreiung und der Weißen Fahnen mit Eröffnung eines Online-Museums, Turi2 Edition #11: Fußball, National Theatre at home: „Frankenstein“ mit Jonny Lee Miller und Benedict Cumberbatch (Foto) / YouTube

(Foto: National Theatre/Catherine Ashmore)

Samstag, 25. April 2020

Duden-Challenge: alle Wörter vertwittern

Wann und wer (Christiane Heinrich, Christian Beck, ich?) diesen Gedanken zuerst hatte, kann ich nicht mehr sagen… War es in den ersten Jahren des „In München“ Magazins, wo ich Woche für Woche Seiten voll schrieb? Oder anderthalb Jahrzehnte später, als wir in der „Ticket“-Redaktion des Berliner „Tagesspiegel“, eine im besten Sinne des Wortes durchgeknallte Truppe, uns so ziemlich alles trauten, was den herkömmlichen Dahlemer Abonnenten verstören könnte? Oder doch erst in den Nuller Jahren, als ich Blogchef der „freundin“-Redaktion war und in einem Scoop enthüllen durfte, dass der Duden den in der Blogosphäre erbittert geführten Streit, ob es das oder der Blog hieße, ein für alle mal entschied: sowohl als auch!
Nicht dass mir der Duden sonderlich heilig wäre. Als jemand, der Deutsch erst mit drei Jahren auf der Straße gelernt hat, nutze ich ihn zwar gern, wenn ich mir einer Formulierung oder Schreibweise nicht sicher bin. Und je länger ich bei einem Ausdruck über Deklination, Konjugation oder Pluralbildung nachdenke, desto unsicherer werde ich mir. Immer. Mein Deutsch kommt mir oft wie ein Blindflug vor. (Ohne dass ich etwa meine Muttersprache, Rumänisch, besser beherrschte. Ganz im Gegenteil.)
Aber als einer, der vom Schreiben lebt, habe ich Sprache immer als etwas Lebendiges betrachtet, das wächst, wuchert, ausgetretene Wege verwildern läßt und den Duden keineswegs als unumstößliche Referenz akzeptiert. Gerade Begriffe, die es nie ins Mannheimer Mausoleum schaffen, liebe ich: Moritz Müller-Wirths „Stehrumchen“. Sigi Sommers „Mäusefäuste“… 
Jedenfalls entstand in den vielen Jahrzehnten als Lohnschreiber zwischen München, Berlin und Offenburg diese hirnrissige Idee, jedes in einem Artikel benutzte Wort im Duden auszustreichen und zu sehen, wie weit man käme.
Rund 130.000 Stichwörter umfasst der Duden von 2006 (24. Auflage), den ich sonst kaum benutze, weil ich an der alten Rechtschreibung und meinen Duden von 1986 (19. Auflage) festhalte. Aber zum Drinrumschmieren ist mir der Neuere gut genug. Und so werde ich ab heute jedes von mir in einem Tweet benutzte Wort darin ausstreichen…