Sonntag, 4. Mai 2025

Trauer muss man sich leisten können

Meine erste Leiche war Frau Ritter. Ich war im Grundschulalter und sie war die Besitzerin des Mehrfamilienhauses in der Wilhelm-Düll-Straße, bei mir um die Ecke. Im ersten Stock mit der Terrasse lebte sie. Im zweiten Stock wohnte eine Polizistenfamilie, deren Sohn damals mein bester Freund war. Das Erdgeschoss hatten meine Eltern mal gemietet. Als erste Wohnung meiner großen Brüder. Später kam dann auch mein Vater kurze Zeit mal dort unter. Nach ihrem Tod wurde Frau Ritter im offenen Sarg aufgebahrt. Meine erste Leiche.

Dann kam fast zwei Jahrzehnte lang keine Leiche. Nur der Tod. Mein Vater Iani Popa starb am 28. Oktober 1982. Ich war 21 und der letzte, der ihn lebend sah. Meine Brüder waren ausgezogen, meine Mutter zu Besuch in Paris. Am Morgen hatte mein Vater mir Frühstück gemacht, dann war ich auch nach Paris geflogen. Dort ereilte uns die Nachricht, dass er gestorben sei. Wir brachen den Urlaub ab. Für meine Mutter hatte einer meiner Brüder ein Flugticket hinterlegt. Ich fuhr mit zum Flughafen. Mit der naiven Vorstellung, ich könnte das Bodenpersonal überreden, mein Flugticket für eine Woche später aufgrund des Todesfalles auf einen sofortigen Rückflug umzubuchen. Ging natürlich nicht. Und so flog meine Mutter allein zurück, während ich die Woche in Paris blieb und erst mit meinem ursprünglich geplanten Flug nach München zurückkehrte. Ich selbst hätte mir kein neues Flugticket leisten können. Und von meiner Familie sah wohl keiner die Notwendigkeit, mich auch sofort zurückzuholen. Und so kehrte ich erst gerade rechtzeitig für die Trauerfeier heim. Ohne meinen toten Vater wiedergesehen zu haben. 

Die erste Leiche, die ich als Erwachsener zu sehen bekam, war ein Fremder. Ein Bruder meines Vaters. Da mein Vater 1945 bei Nacht und Nebel und wohl eher aus einer spontanen Laune heraus aus dem kommunistischen Rumänien geflohen war, wo er Frau und Tochter zurückließ, und später dann auch noch für das regimekritische Radio Freies Europa gearbeitet hatte, gab es nahezu keinen Kontakt zu unseren Verwandten väterlicherseits. Meine Halbschwester und ihre Familie besuchten uns in München und irgendwie schaffte es mein Vater auch, alle vier legal aus Ceaușescus Reich loszueisen und illegal nach Deutschland zu bringen. Von seinen Geschwistern hatten mit Ausnahme seiner Vasilica aber alle anderen den Kontakt abgebrochen, um es sich nicht mit dem kommunistischen Regime zu verderben. 

Nach der Revolution konnte ich nun aber endlich auch nach Rumänien reisen. Weggefährten und Verwandte meiner Eltern kennenlernen. Und einen Bruder meines Vaters. Oder zumindest dessen Leiche. Er war während eines meiner Aufenthalte in Bukarest gestorben und ein gemeinsamer Cousin nahm mich selbstverständlich zum Trauern mit. Der Leichnam war auf der Couch im Wohnzimmer aufgebahrt. Die Wohnung war voll mit Verwandten, Kollegen und Klageweibern. Denn wir Verwandte mussten still sein, durften nicht lauthals trauern. Das übernahmen die Klageweiber.

Dann wurde der Leichnam in einen offenen Sarg gelegt. Die Sargträger hatten Handtücher auf der Schulter, die anschließend an den Außenspiegeln der Autos in der Trauerkolonne gebunden wurden. Der Sarg selbst lag offen auf der Ladefläche eines Transporters. Der Korso fuhr durch die Stadt an sämtlichen Stationen seines Lebens vorbei, an den Filialen seiner Bäckerei, hin zum Friedhof, wo die Sargträger wieder die Handtücher von den Autos losbanden, auf die Schulter legten und darauf den Sarg zum Grab trugen, wo neben den Trauernden auch bereits viele Arme warteten. Denn bei jeder Beerdigung wird Essen mit ihnen geteilt.

In meinem Alter verbringe ich inzwischen mehr Zeit am Friedhof denn im Nachtleben. Das allgegenwärtige Sterben begann mit den Vorbildern, Mentoren, Tanten und Onkeln. Schließlich die Eltern. Dann erwischte es die eigene Generation: Schulkameraden, Kolleg*innen, Freund*innen, Geschwister. Aber trotz all dieser Gelegenheiten habe ich bis heute nicht verstanden, welche Regeln greifen. Wer wo sitzt. Ob der Leichenschmaus Pflicht ist und wer dazu einlädt. Jede Trauerfeier, jede Beerdigung oder Einäscherung unterscheidet sich von den anderen. Je nach Nationalität oder Glaubensgemeinschaft. Je nachdem, ob Hinterbliebene, die Nachbarn oder die Stadt die letzten Dinge geregelt hat.

Als meine Mutter Rica Popa nach jahrelanger Pflege daheim starb, fand ich die Vorstellung, für sie eine Trauerfeier abzuhalten, absurd. Die letzten neun Jahre hatte außer uns drei Söhnen niemand sie mehr besucht. Ich hatte sie noch schwer schnaufen gehört, als ich die Einkäufe in der Küche abgestellt hatte. War dann in der Burda-Bar nebenan frühstücken gewesen und als ich wieder kam, um sie zu wecken und ihr Frühstück zu machen, lag sie tot im Bett. Zumindest wirkte sie tot. Und es war ein absurdes, nahezu slapstickhaftes Unterfangen, festzustellen, ob sie es tatsächlich war. Soll man da nicht den Puls fühlen? Sie zwiscken oder piksen? Einen Spiegel vor den Mund halten? 

Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, eingeäschert und im Meer verstreut zu werden. Mein Frankfurter Bruder und ich wollten keine Trauerfeier, mein Münchner Bruder hat trotzdem eine bestellt und bezahlt. Florica Popa, Hausfrau, stand in der Tageszeitung bei den Traueranzeigen. Zur Trauerfeier ist wohl niemand erschienen, auch nicht derjenige, der sie bestellt hat. Ich hätte die Asche im Schwarzen Meer verstreut, wo meine Mutter ihre schönsten Kindheits- und Jugenderinnerungen hatte. Auch als Rückkehr in ihre Heimat. Mein Bruder bestand auf die Côte d'Azur, wo sie als Erwachsene schöne Erlebnisse hatte. Ich hätte ihn dorthin begleiten können, aber ich meide meinen Bruder und ich denke, dass das alles für meine tote Mutter auch keine Rolle mehr spielt, Trauerfeiern den Lebenden Trost spenden sollen, wo das noch möglich ist.

Der Bruder meiner Mutter, Jean „Ţuţi“ Dragesco, ebenfalls ein Kind des Exils, starb in den Corona-Jahren in seiner französischen Wahlheimat. Bei Montpellier. Und ich wäre gern hingefahren. Aber meine Cousins und Cousinen verständigten mich leider recht kurzfristig von der Trauerfeier. Ich hätte ein, zwei Tage Zeit gehabt, um von München dorthin zukommen. Angesichts der Reisebeschränkungen während der Pandemie kaum machbar und so kurzfristig wohl für mich auch nicht finanzierbar.

Wenn ich andere Expats und Familien im Exil erlebe, bin ich immer erstaunt, wie sie durch die Welt reisen. Ob zu Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen. Bei uns war das immer anders, und ich weiß nicht, ob das an der Zurückgezogenheit meines Vaters lag, der zu Zeiten von Radio Freies Europa den Kontakt zu den meisten Menschen abgebrochen hatte, oder ob es daran lag, dass meine Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg mittellos waren und lange auf jeden Pfennig achten mussten. Vielleicht strahlte die Dysfunktionalität meiner Familie auch nur auf den Umgang mit weiteren Verwandten aus.

Dann erwischte es meinen Frankfurter Bruder Dinu Popa. Creutzfeldt-Jacob. Als die Diagnose kam und die Krankheit so wild wie schnell voranschritt, reiste ich kurzfristig zu ihm ins Krankenhaus nach Mainz, um ihn zumindest noch halbwegs so zu erleben, wie ich ihn in Erinnerung behalten will. Und wahrscheinlich spricht man über solche Banalitäten nicht, aber einfach von heute auf morgen die hundert Euro für die Zugfahrt morgens hin und abends zurück zu organisieren, war nur mit Anstrengung und einigen Problemen in den darauf folgenden Wochen möglich.

Wenige Wochen später dann sein Tod und die Trauerfeier. Und wieder keine Ahnung, wie so etwas abläuft und wie man sich zu verhalten hat. In der Traueranzeige, auf der Trauerkarte und auf einem Kranz stand mein Name, ohne dass jemand mit mir darüber gesprochen hätte. Und wer entscheidet darüber, wer allein genannt wird und wer mit Partner*in oder Familie? Zum Leichenschmaus hatte mich niemand eingeladen. Aber vielleicht muss man dafür auch nur einfach nach der Trauerfeier vor der Kirche rumstehen, bis einen jemand mitnimmt. Die Urnenbeisetzung sollte laut Traueranzeige „zum späteren Zeitpunkt im engsten Kreis der Familie“ stattfinden. Ich erfuhr davon erst im Nachhinein durch ein Foto vom Grab. Auf welchem Friedhof das ist, weiß ich bis heute nicht.

Montag, 28. April 2025

Wochenplan (Updates)

Gastro-Frühling / Hippodrom; Verleihung des Bayerischen Stammtischbruders 2025 des Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur / Hofbräuhaus; Michael Krüger liest Gedichte von David Rokeah / Lyrik-Kabinett; Pressekonferenz des DOK.fest / HFF; Pressegespräch zum Welt/Bühne-Festival / Residenztheater; Pressekonferenz zur Langen Nacht der Musik / Umadum-Riesenrad; Pressekonferenz zum Musical „Romy“ / Deutsches Theater; Radikal-Jung-Festival: „Nestbeschmutzung“, „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ und „Weiße Witwe“ / Volkstheater; Katalogvernissage „Ein Haus ohne Mauern bauen“ und Filmscreening „Außer Männer hatten wir nichts zu verlieren“ / Glitch; Grand Opening des Cocktail-X-Festivals / Vier Jahreszeiten; Vernissagen Yaser Bashir, Fabian Beger, Leon Boden & Roman Toulany: „Der Preis“ / Kunstarkaden, „Eyes Wide Open“ / Gasteig HP8, Liza Mercedes / Kunzt 66, Art Lab / Benjamin Eck und „10 im Quadrat“ / Farbenladen; Vollversammlung des Münchner Stadtrats / Rathaus & Livestream; Beginn des Kartenvorverkaufs zu Franz Xaver Kroetz' „Gschichtn vom Brandner Kaspar“ mit Günther Maria Halmer / Residenztheater; Presse-Lunch / Louis-Hotel; Podiumsdiskussion „Weibliche Vorbilder – Inspirierende Wege“ mit Ulrike Scharf, Monika Meier-Pojda und Caro Matzko / Max-Joseph-Saal der Residenz; After Work Event / Baodt; Verleihung des Kulturellen Ehrenpreises an Lothar Schirmer / Altes Rathaus; Evening of Hope mit Verleihung des Prix International Pour Les Enfants an den Verein NichtGenesenKids / Werksviertel-Mitte; Münchner Premiere von „Balconettes“ in Anwesenheit der Hauptdarstellerin Sanda Codreanu / Neues Rottmann; Gedenkgottesdienst mit Pfarrer Rainer Maria Schießler für Werner Lorant / Pfarrkirche Sankt Helena; MMMHaus & Public-Possession-Party / Haus der Kunst; „Working Class Daughters – Über Klasse sprechen und singen“ / Lenbachhaus; Unexpected – Festival for Experimental Music / Rote Sonne; DLD Music School / Haus der Kunst; Verleihung des Rainer-Reichert-Preises zum Tag der Pressefreiheit und Podiumsdiskussion „Stoppt Fake News“ mit Mika Beuster, Richard Gutjahr, Chan-jo Jun, Verena Nierle und Jürgen Schleifer / Bayerische Landesbank; Eröffnung Pato Pickleball / Historische Reitschule am Englischen Garten; Kundgebung Pro Choice / Odeonsplatz; TSV 1860 vs. Rot-Weiss Essen / Grünwalder Stadion & Bayerisches Fernsehen; Clara Lévy: „13 visions“ / Klang im Dach; Münchner Premiere von „Kein Tier. So wild“ in Anwesenheit der Darstellerin Verena Altenberger (Foto) / Monopol; Festakt zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau / KZ-Gedenkstätte; Sechs Jahre Coucou Food Market

(Foto: Lukasz Bak/Port au Prince Pictures)

Mittwoch, 23. April 2025

Wie sich die generative KI Münchner Brezn vorstellt

Heute morgen haben die Münchner Schausteller*innen den Jahreskrug des am Freitag beginnenden Münchner Frühlingsfestes vorgestellt. Entworfen haben das Motiv heuer Daniela Lange-Srb und Alexander Srb mit ihren Töchtern Helene (8) und Laura (17). Während er voller Stolz erzählte, wie befriedigend es sei, etwas als Familie zu bewerkstelligen, verriet die Mutter kurz zuvor: „Wir haben etwas vorskizziert und dann die KI machen lassen.“ 

Auf möglicherweise einen sechsten Finger an der Hand hat man bei dem Motiv mangels Menschen nicht achten müssen, aber wie einer meiner Follower sofort erkannte, ist stattdessen der Brezn beim verschlungenen Teigstrang von der generativen KI ein Glied zu viel verpasst worden.



Montag, 21. April 2025

Wochenplan (Updates)

„Es ist ein Wunder, dass ich lebe“ – Gedenkstunde zum Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto und der Befreiung der Konzentrationslager mit Roman Haller / Synagoge Ohel Jakob; „Étoile“ mit Charlotte Gainsbourg, Luke Kirby, Taïs Vinolo (Foto) / Prime; Vernissagen „Blaue Stunde“ ft. Arno Synaeve, Nikita Senkevych & Yaser Bashir / Akademiegalerie und Philipp Joy Reinhardt, Noahhrod Miles Mruck, Meltem Rukiye, Mica Levine, Marie Schubert, Lennart Wolter, Juliana Paek, Jannis Besen, Igor Vroljak, Ginna Kay & Aida Rebull / Charlatan; Terrassen-Opening / Cœur by Fede & Phil; Markus Naegeles „Lost in Music“ mit Caro Kelley, Anatol Regnier, Albert Pöschl aka Jason Arigato, Roderich Fabian, Anja Signitzer, Alexandra Martini und King Brownie / Live.Evil; zweite Staffel von Kida Khodr Ramadans „Testo“ mit ihm, Frederick Lau, Stipe Erceg, Moritz Bleibtreu, Veysel Gelin, Katharina Thalbach, Franka Potente, Nicolette Krebitz, Peter Kurth u. a. / ARD-Mediathek & ARD; Pressekonferenz Lisa Poettinger / DGB-Haus; Artist Talk: „Hours without Sorries“ mit Janka Zöller & Jovana Reisinger / Behncke Gallery; Frühlingsfest / Theresienwiese; Punk mit Autor, Sexverbot und Narkose / Kafe Kult; großer Flohmarkt des Roten Kreuzes / Theresienwiese; Auer Maidult / Mariahilfplatz; Radikal-Jung-Festival: „rhapsody“ und „Draußen vor der Tür“ / Volkstheater sowie Eröffnungsparty mit DJ Moped Tobias / Schmock; Tera Kilbride / Lost Weekend

Mittwoch, 16. April 2025

Kann denn Tennis Sünde sein? Die BMW Open am Karfreitag

Katholiken ist Bigotterie nicht unbedingt fremd. Und so verteidigen Freistaat, Stadt und Kirche mit unerschütterlichem Glauben das Feiertagsgesetz (FTG) mit seinem Tanzverbot. 
Doch regeln die strengen Vorschriften keinesfalls nur Lustbarkeiten wie Tanz und Livemusik. Auch der Sport findet seinen Niederschlag im Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage. 
Und das ist nun besonders interessant, weil am Karsamstag der Bayerische Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, Joachim Herrmann, den BMW Open beim MTTC Iphitos im Englischen Garten seine Aufwartung machen will. Das Einzel-Halbfinale des „traditionsreichen Tennisturniers“, so Herrmanns Pressestelle, steht an. Der Minister, der seinen tiefen Glauben gern wie eine Monstranz vor sich her trägt, wird nun ausgerechnet an einem stillen Feiertag im Center Court einer Veranstaltung beiwohnen, bei der aufpeitschende Popsongs in den Spielpausen das Publikum im Center Court aufheizen sollen, während der Geruch von Bratwürsten wie Weihrauch durch die Reihen schwebt. 
„An den stillen Tagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist.“ Aber ein internationales Tennisturnier ist schließlich kein Entertainment, sondern eine ernstzunehmende Sportveranstaltung. Deren Viertelfinale am Tag vorher steigt. So wird es eine Karfreitagsprozession der ungewöhnlicheren Art in München geben, wenn die Zuschauer vom U-Bahnhof Studentenstadt zum Vereinsgelände pilgern.
Das Merkwürdige daran ist nur, dass der Karfreitag unter den stillen Tagen ein besonders strenger ist: Sportveranstaltungen sind an diesen Feiertagen erlaubt, „ausgenommen am Karfreitag und am Buß- und Bettag. (…) Die Gemeinden können aus wichtigen Gründen im Einzelfall von den Verboten der Art. 2, 3 und 4 Befreiung erteilen, nicht jedoch für den Karfreitag.“ So Artikel 5 FTG.
Nun weiß man, dass die Landeshauptstadt schnell einknickt, wenn ein Großkonzern mit drei Buchstaben sich über das Feiertagsgesetz hinwegsetzen will. So erlaubte man MTV im Jahr 2007, ausgerechnet an Allerheiligen die European Music Awards in der Olympiahalle abzuhalten. Sex & Drugs & Rock 'n' Roll. Und das, obwohl das Erzbistum Einspruch gegen den Tanz um den goldenen Award erhob. Und das Bayerische Innenministerium wunderte sich damals noch öffentlichkeitswirksam, „warum die Stadt eine Befreiung vom Gesetz erteilt hat – und wie sie diese begründet. Wirtschaftliche Interessen reichen niemals aus.“
Auf einer laut „Süddeutscher Zeitung“ „eilig einberufenen Pressekonferenz“ erklärte das Kreisverwaltungsreferat damals, „dass es keinen Ärger mit der Kirche wünsche. Man habe sich die Angelegenheit wohl überlegt: 'Das Feiertagsgesetz ist ein sehr wichtiges Gesetz, darüber sind wir uns einig mit der Kirche, wir ziehen an einem Strang', so Horst Reif als stellvertretender Kreisverwaltungsreferent. ' Richtig ist aber auch, dass Artikel 5 die Regelung vorsieht, Ausnahmen zuzulassen.' Eine internationale Veranstaltung dieser Größenordnung sei vergleichbar mit der Weltmeisterschaft oder der Olympiade.“
Nun sind die BMW Open weder eine WM noch die Olympiade, sondern gerade mal ein Tennisturnier der ATP-500-Klasse und bei einigen Partien dieser Tage schien es, dass die 500 für die Anzahl der Zuschauer*innen im Center Court steht.
Das Kreisverwaltungsreferat sieht das nun anders und hält seinen schützenden Schirm über die Veranstaltung. Es hat trotz Artikel 5 des Feiertagsgesetzes „den Veranstaltenden der BMW Open für den Karfreitag eine Befreiung vom Verbot von Sportveranstaltungen erteilt. Bei der BWM Open 2025 (109. Internationale Tennismeisterschaften von Bayern) handelt es sich um ein ATP-Turnier, das 2025 erstmalig die 500-er Kategorie erhält und somit zu den wichtigsten Turnieren weltweit aufsteigt. Zudem liegt die Tennisanlage am nördlichen Ende des Englischen Gartens und südlich des Föhringer Rings räumlich abgelegen von größeren Wohnbebauungen.“

Updates:
Die benachbarte Wohnbebauung wird von den BMW Open immerhin so weit tangiert, dass man die Besucherströme auszusperren versucht.

Parallel zu meinem Beitrag hier erschien auch ein längerer Bericht der dpa zur Frage, warum die BMW Open am Karfreitag stattfinden, während das WTA-Turnier in Stuttgart aufgrund des stillen Feiertags pausieren muss. 
„Es klingt schon sonderbar. In München darf an Karfreitag Tennis gespielt werden, in Stuttgart nicht. Beide Weltklasse-Turniere laufen in dieser Karwoche. Aber am Karfreitag ist beim ATP-Event der Herren in München eben alles komplett anders als beim WTA-Turnier der Damen in Stuttgart. 
In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart ruht der Spielbetrieb. Am gesetzlichen Feiertag ist wie vorgeschrieben Pause – so wie auch in der Fußball-Bundesliga oder in den anderen deutschen Ligen. In der bayrischen Landeshauptstadt München geht das Turnier normal weiter. Dabei sieht das Gesetz vor, dass Sportveranstaltungen am Karfreitag verboten sind. 
Einen bayerischen Gesetzesartikel, wonach an Karfreitag eigentlich keine Ausnahmen möglich sind, hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2016 für unvereinbar und nichtig erklärt. Eine Sonderregelung war in Baden-Württemberg dagegen kein Thema. Eine Ausnahme für öffentliche Sportveranstaltungen ist laut Gesetzestext für den Karfreitag nicht vorgesehen, wie das zuständige Kultusministerium unterstrich.“
Das Urteil (1 BvR 458/10) der Karlsruher Verfassungsrichter hatten Münchner Freigeister des Bundes für Geistesfreiheit erwirkt, deren Heidenspaß-Party im Rahmen eines atheistischen Abends im Jahr 2007 von den Behörden untersagt worden war. Interessanterweise bezieht sich das Urteil also überhaupt nicht auf Sportveranstaltungen, sondern auf die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit oder der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit anderer.

Kommentar von Thomas Cloer auf Bluesky: „Carfreitag“.

Montag, 14. April 2025

Wochenplan (Update)

BMW Open / Iphitos; Player's Night / Golden Racket Club by Käfer; Pressefrühstück / Forum Schwanthalerhöhe; Vernissage Klaus Kinold / Stefan Vogdt; Turniermedien-Rundgang des Tourismusbüros der Landeshauptstadt / Altstadt; „Der König kehrt zurück!“ Medienevent zur Bayerischen Landesausstellung „Ludwig I. – Bayerns größter König?“ / Bavaria & Ruhmeshalle; Sondervorführung „Sieben Winter in Teheran“ in Anwesenheit von Shole Pakravan, der Mutter der hingerichteten Reyhaneh Jabbari / Neues Rottmann; Aufschlag bei „BILD“ / Golden Racket Club by Käfer; Trauerfeier Ingo Robin / Grünwald; Beginn des Vorverkaufs für das Berliner Theatertreffen; Sofia Lainovic / Roody Tanzcafé Giesing; „Alles gesagt?“ mit Charles Schumann; TSV 1860 vs. Alemannia Aachen / Grünwalder Stadion & Bayerisches FernsehenIsarflux-Festival mit Black SunZet, Das Format, Plainhead, Isolation Berlin und LCC / HP8

Montag, 7. April 2025

Wochenplan (Updates)

Bayerisch-israelischer Freundschaftstag mit Paul Ronzheimer u. a. / Maximilianeum; Presserundgang im Neubau des Klinikums Bogenhausen; deutsche Premiere des Films „Lurie´s Life Lines“ von Julia Wahren und Ruldof Herz mit anschließendem Gespräch mit Matthias Reichel / Lenbachhaus; Presserundgang auf dem ehemaligen Gelände der Bayernkaserne / Neufreimann; „Nur ein paar Kollateralschäden?“ Pressekonferenz der Rathausfraktion Die Linke mit Betroffenen der studentischen Selbstverwaltung der Studentenstadt und des SV Studentenstadt Freimann zum Stadionumbau beim MTTC Iphitos / Rathaus; Jahrespressekonferenz der Münchner Philharmoniker / Projektor im HP8 Gasteig; Eröffnungsfeier gAIn / Große Aula der Ludwig-Maximilians-Universität; Podiumsdiskussion „Solidarität in Zeiten des Rechtsrucks. Gesellschaftliche und politische Antworten auf antiziganistische Dynamiken“ / Rathaus; Vernissagen „Die dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“ / Jüdisches Museum, „if, then, else – Entwürfe und Form(at)ierungen des Öffentlichen“ / Maximiliansunterführung, Emess: „Head over Heels“ / Projektraum, Norbert Schmitz: „Eyes Wide Open“ / Zoom Art Space 25, „Komische Kunst am See“ / Rathaus Bernried und Martha Jungwirth: „Der letzte Tag ist der schlimmste“ / Thaddaeus Ropac Salzburg; „The Handmaid's Tale“ season 6; Präsentation der Ergebnisse des Pilotprojekts bedingungsloses Grundeinkommen / Bundespressekonferenz & Livestream; Pressekonferenz zur Übergabe von originalen Bauhaus-Stoffen für den Thoraschrein / Synagoge Reichenbachstraße; Gedenkveranstaltung Benno Neuburger und Familienangehörige / Max-Josef-Stift & Erinnerungszeichen / Trogerstraße 44; Helene Hegemann liest aus „Striker“ / Literaturhaus & kostenloser Livestream; Verleihung der HighTech-Preise Bayern / Herkulessaal; Pressekonferenz „Bavaria ruft“ mit Ilse Aigner, Katharina Schulze u. a. / Presseclub; Pressegespräch Arge Hohe Tauern / Landsdorfer & Innerhofer; Einweihung des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums; Pressegespräch Videoclips gegen Antisemitismus / BLM; Oskar-von-Miller-Feier / Hochschule München; Einweihungsparty des ersten deutschen Klättermusen Brand Stores; „Undercover in der Identitären Bewegung“ / Bamboleo; Pressekonferenz zur Bilanz der Antidiskriminierungsberatungsstellen / Presseclub; Präsentation des Verfassungsschutzberichts / Innenministerium; Eröffnung des Cafés der Community Kitchen / Fat Cat; Sondervorführung von „Haps – Crime Doesn't Pay“ in Anwesenheit des Regisseurs Ekrem Engizek sowie der Darsteller Constantin von Jascheroff und Amir „ASCHE“ Aschenberg / Cinemaxx; So not Right – Benefizkonzert gegen den Rechtsruck / Muffatwerk; BMW Open / Iphitos; Eröffnung des Raum des Erinnerns an den rechtsextremistischen Anschlag am OEZ;  Freiräumen Rave-Demo / Gärtnerplatz; Podiumsdiskussion „Räume räumen“ mit Rüdiger Linhof, Flo August, Lauraine, Sebastian Weiss, Till Hofmann, Dominik Krause u. a. / Fat Cat; Sidney J. Furies „The Ipcress File“ mit Michael Cain / arte; Gwen Dolyn / Orange House; Abschiedskonzert von Todeskommando Atomsturm (Foto) / Hansa 39

Sonntag, 6. April 2025

Poparazzi (16): Bayerischer Journalistentag

Bekannt aus Tweets, Blogs und der Medienfachpresse. Also überhaupt nicht. Dennoch erkennen mich immer wieder Fremde. Oder flüchtige Bekannte halten mich für wichtig. Und schießen mich ab.

Zuerst knipste ich Max Muth, Wirtschaftsredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, bei der Mitgliederversammlung des Bayerischen Journalisten-Verbands und veröffentlichte das Bild, als er zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden ist, worauf er mich als Paparazzi schmähte.
Später revanchierte er sich mit diesem Schnappschuss.

Mittwoch, 2. April 2025

Maibockanstich im Hofbräuhaus

Meine Lieblingszitate vom heutigen Maibockanstich im Hofbräuhaus:

Kathi Wolf als Kellnerin Kathi über Söders Bart: „Sind sie eines morgens aufgewacht und haben gedacht, »meine gesprochenen Wörder sind von so großer Bedeudung, die brauchen einen Rahmen«. Oder ist ihr Essen so wichtig, das braucht Seitenvorhänge bei der Einfahrt?“ 

„Die Katha Schulze hat eben sogar den Füracker angelächelt – wobei, die Katha lächelt ja eigentlich immer, die muss abends im Bett zum Lesen gar kein Licht anmachen, die reflektiert einfach mit ihrer strahlenden Kauleiste das Mondlicht aufs Buch.“
Kathi Wolf

„Wir Frauen haben in der Gastronomie einen Wettbewerbsvorteil: ein Kellner hat zwei Hände, eine Kellnerin zwölf – davon zehn am Hintern. Kurze Ansage: behaltet eure Griffel bei euch! Ihr seids im Wirtshaus, nicht im Streichelzoo!“ Kathi Wolf 

„Wenn das Geld eh schon vorne und hinten nicht reicht, dann bringt es ja nix, gute Leute in den Vorstand der Bahn zu holen. Gute Leute wären ja nur frustriert gewesen. Und diesen Frust haben die Ramsauers, Dobrindts und Scheuers den Managern und der Menschheit erspart.“ Django Asül 

„Der Günther Felßner sollte das CSU-Werkzeug gegen den Hubert Aiwanger sein. Quasi ein Bauernfänger im wahrsten Sinne des Wortes. Aber jetzt wo der Hubert auf dem Durchmarsch nach Berlin kurz vor Regensburg gestrandet ist, hat sich das mit dem Felßner auch erledigt.“
Django Asül 

„Die Saskia Esken ist quasi die Heidi Klum der SPD. Da braucht ihr gar nicht lachen. Ich meine das nicht ästhetisch. Sondern von der Mentalität her. Die Heidi Klum wird seit fast 20 Jahren für Germany ́s Next Top Model kritisiert ohne Ende. Aber sie macht einfach weiter und sitzt fester im Sattel denn je. Und diese Zähigkeit hat die Frau Esken auch.“ Django Asül 

„Erst am Wochenende hat die Katha Schulze bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie hat nämlich einen Freiheitsdienst vorgeschlagen. „Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Was kannst du für dein Land tun?“ Wichtiger Satz, John F. Kennedy hat von ihr abgeschrieben. Aber der Katha schwebt ein besonderer Freiheitsdienst vor. Und zwar ein verpflichtender Freiheitsdienst. Quasi ein Zwang zur Freiheit. Katha, das ist intellektuell fast schon auf Hubsi-Niveau.“ Django Asül 

(ab 20.15 Uhr im Bayrischen Fernsehen und danach in der ARD-Mediathek)

Montag, 31. März 2025

Wochenplan (Updates)

Konferenz Dialog Pop & Verleihung des [pop]award Bayern an die Rote Sonne (Foto) u. a. / Degginger Regensburg; Pressekonferenz zum Musical „Die weiße Rose“ / Silbersaal des Deutschen Theaters; Gedenkveranstaltung und Erinnerungszeichen für Minna Hirschberg, Hermine Bernheimer, Hermann Binswanger sowie Erna und Friedrich Siegmund Marx / Bayerisches Nationalmuseum; Podiumsdiskussion „Rechtsruck und kein Ende“ / Altes Rathaus; Jüdische Filmtage: „Ultraorthodox: Der Kampf des Rabbi Akiva“ mit anschließendem Gespräch mit Rabbiner Akiva Weingarten und Regisseur Emanuel Rotstein / Jüdisches Gemeindezentrum; Pressekonferenz UEFA Champions Festival / Coubertin; Türkische Filmtage / Royal Filmpalast, Gasteig HP8 & Kammerspiele; Vernissagen Roman Toulany: „KINOKINO“ / AkademieGalerie, „Fix & Foxi – Zwei Füchse leben auf“ / Hans-Peter Porsche Traumwerk Anger, „4 Museen – 1 Moderne“ / Pinakothek der Moderne und „Where Earth Meets Sky“ ft. Annemarie Faupel u. a. / Bergson; Artist Talk: „Language of Survival“ – Dana Kavelina im Gespräch mit Asia Bazdyrieva / Salzburger Kunstverein; Vortrag „Volkssänger – Die Stimmen der Vorstadt“ / VS Goethestraße 54; Podiumsdiskussion „Fackelzüge – Springerstiefel – TikTok-Channel. Deutschlands radikale Rechte von 1945 bis 2025“ / Bayerische Akademie der Wissenschaften & Livestream; „Jewish Pop“ / Kammerspiele; Pressekonferenz zum Ermittlungserfolg gegen Kinderpornografie im Darknet / Bayerisches Landeskriminalamt; Eröffnung des Literaturfests mit einer Key-Note von Luisa Neubauer und einem Gespräch zwischen Daniel Schreiber und Tanja Graf / Literaturhaus & Livestream; Maibock-Anstich mit Django Asül / Hofbräuhaus & Bayerisches Fernsehen; Spargelsaisoneröffnung / Viktualienmarkt; Opening Eli Schwabing; „Neuperlach fit für die Zukunft“ / PlanTreff; „München ist Kultur“ – Vorstellung des Sprecher*innenrats und der Arbeitsgruppen / VS Goethestraße 54; Fine Time Business Club mit Viktoria & Heiner Lauterbach / Aston Martin; DJ Hell Record Release Night & Cover Exhibition / Graf Rumford; Veröffentlichung des Spielplans des Berliner Theatertreffens; Grimme-Preis / Marl & 3sat; 55 Jahre PimpernelBayerischer Journalisten-Tag / Katholische Akademie; „Recht auf Stadt: Open House der Freien Szene“ / Monacensia; Shak-Off Kochwettbewerb / Bellevue di Monaco; Demo gegen unangekündigte Abfragen & Exen / Wittelsbacherplatz; Béatrice Graf & Schnecken im Hochbeet / Unterdeck

Sonntag, 30. März 2025

Little Bucuresti – Heimat auf dem Teller

In den Mutterleib können wir nicht zurück, aber die frühkindlichen Erfahrungen, die uns geprägt haben, die Sprache, das Essen, das Ausmaß an Zärtlichkeit und körperlicher Nähe, versuchen wir wiederherzustellen. Um so mehr, wenn man in der Diaspora lebt oder gar wie ich geboren und aufgewachsen ist.
Die Wohnung in der Ismaninger und später Tizianstraße war ein kleiner exterritorialer Fleck Erde im fremden München. Juridisch, weil die Wohnungen von Radio Freies Europa angemietet worden waren und unter dem Schutz der US-Amerikaner standen. Off limits für deutsche Behörden. Und privat, weil wir daheim Rumänisch sprachen, kochten, lebten.
Ich weiß nicht, wann meine Mutter kochen gelernt hatte. Denn aufgewachsen war sie in einem Regierungs- beziehungsweise Diplomatenhaushalt mit Domestiken, die so etwas übernahmen. Sie wurde von klein auf bekocht, chauffiert, umsorgt. Aber spätestens mit Verlust aller Privilegien nach dem Zweiten Weltkrieg, im Pariser Exil, völlig mittellos, begann sie, sich und ihrer Familie die Bekleidung zu schneidern und zu kochen. 
Essen stand bei uns immer an erster Stelle. Zwei warme Mahlzeiten am Tag. Vorspeise, Hauptgericht, Dessert. (Und weil mein Vater ebenso gern kochte und krankheitsbedingt viel Zeit daheim verbrachte, auch mal eine weitere Mahlzeit zwischendurch.) Immer wieder wollte ich meine Mutter bitten, doch mal ihre Rezepte aufzuschreiben, zu verraten, wie man den köstlichen cozonac (Osterfladen), die piftie de porc (Schweinesülze) oder die salată de vinete (Auberginencreme) zubereitet. Und schob es so lange auf, bis ihre Demenz dann die Küchengeheimnisse im Nebel verschwinden ließ.
Wenn ich mich an meine Mutter erinnere, dann immer auch wie sie die Auberginen auf dem Herd grillte, die Hände von der Säure ganz rot. Die mit Geschirrtüchern bedeckten Kuchenformen in der Wohnung verteilte, damit die Hefe aufging. Oder im Winter die Teller mit der Sülze auf den Balkon stellte, damit die Masse erstarrte. Wenn gekocht wurde, dann viel. Eine fünfköpfige Familie, jahreweise um die Großeltern mütterlicherseits erweitert.
Als ich nach der Revolution, mit Anfang 30, das erste Mal nach Rumänien reisen konnte, in ein mir im Grunde völlig fremdes Land, war der ungewöhnlichste Eindruck, wie behütet ich mich dort fühlte. Wie die Sprache, das Essen, die Mentalität mich in einen Zustand frühkindlicher Geborgenheit wiegte. Unter lauter fremden Menschen.
Seitdem der Sender nach Prag gezogen ist und meine Eltern tot sind, ist auch mein Stück Heimat hier in München nahezu verschwunden. Ein paar wenige Landsmänner und Landsfrauen, die ich gelegentlich treffe. Die jährliche rumänische Filmwoche im Stadtmuseum. Und die immerwährende Suche nach dem Lokal, das die Delikatessen meiner Kindheit auftischt. Wobei – wer kann schon so gut wie die eigene Mutter kochen?
Das Klein Bukarest in der Thalkirchner Straße war legendär mittelmäßig und unfreundlich. Es existiert auch schon lange nicht mehr. (Mein Vater erzählte einmal, dass es bereits in den 1960er-Jahren ein Restaurant gleichen Namens im Lehel gegeben hätte, an dem er irgendwie beteiligt gewesen sei. In der Seitzstraße, wenn ich mich recht erinnere. Unweit von Radio Freies Europa am Englischen Garten.)
Der Sendlinger Pschorr-Krug oder das Transilvania in Bergkirchen sind recht rustikal. Eine Zeit lang gab es auch einen eher prätentiösen Versuch in einem Hotel an der Leopoldstraße.
Gestern hat nun das Little Bucuresti sein Grand Opening gehabt. Der Name erinnert an das Klein Bukarest, wenn auch aus unerfindlichen Gründen in einem englisch-rumänischen Mix, ohne das korrekte Cedille unter dem s (București). Die Lage am Oskar-Maria-Graf-Ring 23 sprichwörtlich mitten in der Walachei, dem grauen Nichts von Neuperlach. Das Gebäude von einer abweisenden Tristesse, der Eingang umrahmt von Spielautomaten rechts und links. Dahinter pure Gastfreundschaft, ein großer Biergarten (ausgeschenkt wird Schweiger-Bräu) und ein eher nüchtern eingerichteter Restaurantbereich, der so wenig einladend ist wie der Frühstücksraum von Hotels der Mittelklasse. An der Wand ein Großbildschirm, durch einen Spiegel am anderen Ende des Raumes verdoppelt. Es läuft östlicher Trash-Pop, unterbrochen von Werbeclips. Auf Wunsch von Gästen wird aber auch mal rumänische Folkore abgespielt, Doinas von Efta Botoca oder Ionel Budișteanu.
Das Essen ist das alles aber wert. Wenn auch sehr fleischlastig (16,90 bis 20,90) – und in Portionsgrößen, die meinen Fleischbedarf einer Woche decken könnten: Mici (die rumänischen Ćevapčići), sarmale cu carne de porc (mit Schweinehack gefüllte Krautwickerl), Wiener Schnitzel vom Schwein, Hähncheneintopf, Schweinenacken, Cordon Bleu. Auf der Tageskarte auch mal eine Lammkeule oder Dorade. Bei meinem Besuch verließ kaum ein Gast das Restaurant ohne Doggybag – so riesig sind die Portionen.
Die rumänische Küche an und für sich wäre wie alle Bauernküchen, sprich: Speisefolgen der ärmlichen Landbevölkerung und nicht etwa der Großgrundbesitzer und Bojaren, sehr vegetarisch oder gar vegan. Sărmăluțe în foi de viță (mit Reis gefüllte Weinblätter), die oben bereits erwähnte salată de vinete, mămăligă (Maisbrei) mit Milch oder Käse oder gebraten. Als streng orthodoxes Land herrschte in Rumänien schließlich auch fünf Monate lang Fastenzeit, auf Rumänisch: post.
Bei meiner Stippvisite habe ich die mächtigen Grillteller und Hauptgerichte nur bei den anderen Gästen betrachtet und mich an Kleineres gehalten. Die ciorbă de burtă (Kuttelsuppe mit Eigelb, Sahne und scharfer Peperoni) ist grandios, allein schon den weiten Weg und auch ihren Preis (9,50) wert. Bei der salată de vinete merkt man dann die Vielfalt der rumänischen wie wohl aller Landesküchen. Je nach Region gibt es unterschiedliche Rezepturen, manchmal wird auch derselbe Namen für sehr unterschiedliche Gerichte benutzt. 
Im Little Bucuresti wird die Auberginencreme mit roten Zwiebeln und Mayonnaise zubereitet. Das macht sie sehr sämig und mächtig. Die kleine Portion, eine Vorspeise!, würde wohl drei bis vier Gäste satt machen und ist alleine kaum zu schaffen. Meine Mutter aber auch Kochbücher wie Radu Anton Romans „Bucate, vinuri și obiceiuri românești” („salată de vinete clasică – așa o făcea mama“) verzichten auf die Mayonnaise. Das macht sie viel leichter, sommerlicher und für meinen Geschmack leckerer. Eben vegan. Meine Mutter griff auch großzügig zum Knoblauch. 
Wirt und Koch des Little Bucuresti stammen aus dem transsilvanischen Mediaș – die Speisekarte dagegen bedient sich in mehreren Landesteilen. Wie man eben bei den papanași sieht. Bei meiner Mutter war das ein leichtes warmes Hauptgericht, gekochte Griesnockerl mit etwas Sahne, wie man es aus dem von der k.u.k.-Zeit geprägten Siebenbürgen kennt. Hier im Restaurant kommen dagegen die papanași moldovenești als Kalorienbombe auf den Tisch, frittierte Topfenknödel in Form eines Donuts zum Dessert.