Die Älteren unter uns mögen sich noch gut erinnern, daß die Constantin Film, bevor sie unter Eichingers Regie zur Neuen Constantin und dann wiederum ganz einfach zur Constantin mutierte, in der Albert-Roßhaupter-Straße residierte. Dort in Sendling, wo heute rund um den Harras die Gentrifizierung ansteht und wieder einmal ein weiteres neues Zentrum der Subkultur und Kreativen entstehen soll, oder auf gut deutsch: die Mieten steigen und die alteingesessenen Mieter aus ihren Wohnungen und Werkstätten vertrieben werden.
Die Constantin ist nun schon lange in Schwabing, da, wo sich auch Bernd Eichinger gern aufhält, und auch wenn er nur ein paar Steinwürfe von den Firmenzentrale wohnt, habe ich ihn jahrzehntelang – anders als ein Kollege von der „Süddeutschen Zeitung“ – nie zu Fuß gehen sehen, sondern kenne den „I bin's“ (so meldet er sich am Telefon) nur im Fonds seiner chauffeurgelenkten Limousine.
Freitag, 26. November 2010
Young Gasteig: Dance around Munich
Donnerstag, 25. November 2010
Montag, 22. November 2010
To pixel or not to pixel (3): Patricia Riekel
Wikipedia verortet sie im Herzogpark, in der „Süddeutschen Zeitung“ erzählte sie von ihren Nachbarn am Starnberger See, aber ich halte mich an eine Anschrift, die sie für juristische Zwecke nutzt...
Update: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15. Mai 2011 ortet sie inzwischen auch im Herzogpark, in der Flemingstraße. Dann sollte sie vielleicht einmal das Impressum ihrer Webseite aktualisieren...
Update: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15. Mai 2011 ortet sie inzwischen auch im Herzogpark, in der Flemingstraße. Dann sollte sie vielleicht einmal das Impressum ihrer Webseite aktualisieren...
Sonntag, 21. November 2010
To pixel or not to pixel (2): Hubert Burda
Hubert Burdas „Junggesellenbude“, in der er früher die RAF empfing und heute zu feierlichen Stehrumchen lädt.
Samstag, 20. November 2010
Wochenplan
Plan B / Freiheizhalle, Picasso Künstlerbücher / Museum Brandhorst, Präsentation der Frühjahr-/ Sommerkollektion 2011 / Louis Vuitton, Pressevorführungen „127 Hours“ und „Otto's Eleven“, Isobel Campbell & Mark Lanegan / Friedenskirche Dachau, „TV total“ Turmspringen / Olympia-Schwimmhalle, on3 Festival / BR-Funkhaus, „Into the dark“ – Lesung Dennis Cooper / Amerikahaus, M.I.A. / Muffathalle
(Foto: Brainpool TV Gmbh)
(Foto: Brainpool TV Gmbh)
Freitag, 19. November 2010
To pixel or not to pixel (1): Mario Adorf
„Burda hat sein Haus in der Arabellastraße nicht verpixeln lassen“, twittert „Clap“-Ernie (oder Bert?) Daniel Häuser. Aber was ist mit dessen Junggesellenbude in der Schackstraße oder dem Anwesen im Herzogpark? Wie halten es Patricia Riekel, Philipp Welte & Co? Ich starte heute mit Brockhaus-Promi Mario Adorf, werde aber natürlich Burdessen und andere Mediengrößen nachreichen.
Dienstag, 16. November 2010
Ganz ohne Entourage –
„Somewhere“ von Sofia Coppola
Mein Haus, mein Auto, mein Boot? Nun ja, zu einem Boot hat es Johnny Marco (Stephen Dorff) vielleicht nicht gebracht, und meist schlurft er unrasiert, mit kunstvoll verwuscheltem Haar in Jeans und T-Shirt herum, forever young. Wir Münchner kennen diese betont jugendlichen, aber eben doch schon fickunddreißigjährigen Kreativen aus dem Glockenbachviertel oder der Maxvorstadt, halb gelangweilt, voll cool und niemals einem Flirt abgeneigt. Kein Mensch weiß, worin nun genau ihre Arbeit besteht, und ob das Café ihr Büro ist oder ob sie dort nur Halt machen, um gut auszusehen, was ja auf der Arbeit nur wenige mitbekämen.
Bei Marco läuft das alles einige Nummern größer ab: statt einem Loft bewohnt er als Dauergast Hollywoods legendäres Chateau Marmont, er fährt einen – unauffällig schwarzen – Ferrari, und flirtet selten, sondern knallt die Mädels lieber gleich. Johnny Marco ist ein Filmstar. Vielleicht ist er aber auch schon längst erloschen und zu einem schwarzen Loch kollabiert, während wir noch immer vom früheren Stellarglanz geblendet sind – und nur die professionellen Sternenbeobachter, die Paparazzi schlauer scheinen. Stets wähnt sich Marco von ihnen gejagt, doch offenbar folgt ihm mittlerweile keiner mehr, weil andere verführerischer fürs Objektiv glitzern. (So wie sein Darsteller Stephen Dorff vom schalkhaft glitzernden, schwer gehypeten Star zu „Blade“-Zeiten Ende des letzten Jahrhunderts zum traurigen Charakterdarsteller der Gegenwart gereift ist.)
Johnny Marco kreist recht einsam am Firmament, bar jeder Entourage. Nur wenige streifen, kometenhaft, seine Bahn, ein Kumpel aus seiner Jugend (Chris „Jackass“ Pontius), eine Tochter aus einer gescheiterten Ehe (Elle „Ich-bin-die-Schwester-von-Dakota“ Fanning). Letzte Spuren der Normalität (wenn es normal ist, seine Teenagertochter ins Feriencamp zu hubschraubern), letzte Pulsschläge in einem Schauspielerleben, das gar nicht mal mehr aus Dreharbeiten zu bestehen scheint, sondern aus dem In-between, dieser Twilight Zone aus Kostümproben, Pressekonferenzen, Festivalbesuchen.
Tristesse Royal – quasidokumentarisch von Sofia Coppola gefilmt, der bewährten Chronistin der Gelangweilten wie Leidgeprüften zwischen Tokio, New York und Versailles. Nahezu unbewegt, ja kalt, folgt sie dem Lauf, vielleicht sogar den letzten Tagen eines nicht mal mehr Getriebenen, sondern abgeklärt Dahinsinkenden, folgt ihm auch gar nicht konsequent, sondern lässt ihn durchs Bild kreuzen und irgendwann verschwinden.
Als Romantiker konnte ich die Schlussszene von „Lost in translation“, den unverständlichen Dialog zwischen Bill Murray und Scarlett Johansson natürlich nur als Happy-end interpretieren. Kirsten Dunsts „Marie Antoinette“ erfreute sich immerhin noch des prallen Lebens vor dem Schafott. Doch im Vergleich mit Johnny Marcos unaufgeregter wie finaler Einsamkeit erscheinen mir sogar die Selbstmordschwestern aus „Virgin Suicides“ fidel und selbstbestimmt. Was nicht ausschließen muß, dass man dem Hollywood-Beau Marco jede Party, jeden Quickie mit dem Model in der Nachbarsuite, jede Bono-Anekdote neidet, ohne aber letztendlich mit ihm tauschen zu wollen.
Niemand hat in „Somewhere“ seine Seele verkauft, Hollywoods Boulevard der Dämmerung wird von Sofia Coppola völlig unfaustisch inszeniert, mit der Nonchalance einer Zeitzeugin, die nur bei einem Abstecher in Berlusconis Italien der Farce verfällt, aber sonst die Oberflächlichkeit dieser Kunstwelt, das Gehabe der scheinbar nie alternden Dorian Grays im Film- und Popbusiness mit einer unprätentiösen Selbstverständlichkeit skizziert, die man derart präzise wohl nur erlangt, wenn man in dieser Welt aufgewachsen ist, ohne ihr Opfer geworden zu sein. Und natürlich hofft man, dass auch Marco nicht dem Hollywood-Talmi geopfert wird, sondern vielleicht einfach aussteigt und in dem Augenblick, wo ihn die Kamera aus dem Blickwinkel verliert, als einfacher Fischer auf einer Schaluppe sein Auskommen findet. Irgendwo. Ist ja schließlich großes Kino.
Diese Filmkritik erschien – leicht gekürzt – im „In München“ 23/2010 vom 11. November 2010
Bei Marco läuft das alles einige Nummern größer ab: statt einem Loft bewohnt er als Dauergast Hollywoods legendäres Chateau Marmont, er fährt einen – unauffällig schwarzen – Ferrari, und flirtet selten, sondern knallt die Mädels lieber gleich. Johnny Marco ist ein Filmstar. Vielleicht ist er aber auch schon längst erloschen und zu einem schwarzen Loch kollabiert, während wir noch immer vom früheren Stellarglanz geblendet sind – und nur die professionellen Sternenbeobachter, die Paparazzi schlauer scheinen. Stets wähnt sich Marco von ihnen gejagt, doch offenbar folgt ihm mittlerweile keiner mehr, weil andere verführerischer fürs Objektiv glitzern. (So wie sein Darsteller Stephen Dorff vom schalkhaft glitzernden, schwer gehypeten Star zu „Blade“-Zeiten Ende des letzten Jahrhunderts zum traurigen Charakterdarsteller der Gegenwart gereift ist.)
Johnny Marco kreist recht einsam am Firmament, bar jeder Entourage. Nur wenige streifen, kometenhaft, seine Bahn, ein Kumpel aus seiner Jugend (Chris „Jackass“ Pontius), eine Tochter aus einer gescheiterten Ehe (Elle „Ich-bin-die-Schwester-von-Dakota“ Fanning). Letzte Spuren der Normalität (wenn es normal ist, seine Teenagertochter ins Feriencamp zu hubschraubern), letzte Pulsschläge in einem Schauspielerleben, das gar nicht mal mehr aus Dreharbeiten zu bestehen scheint, sondern aus dem In-between, dieser Twilight Zone aus Kostümproben, Pressekonferenzen, Festivalbesuchen.
Tristesse Royal – quasidokumentarisch von Sofia Coppola gefilmt, der bewährten Chronistin der Gelangweilten wie Leidgeprüften zwischen Tokio, New York und Versailles. Nahezu unbewegt, ja kalt, folgt sie dem Lauf, vielleicht sogar den letzten Tagen eines nicht mal mehr Getriebenen, sondern abgeklärt Dahinsinkenden, folgt ihm auch gar nicht konsequent, sondern lässt ihn durchs Bild kreuzen und irgendwann verschwinden.
Als Romantiker konnte ich die Schlussszene von „Lost in translation“, den unverständlichen Dialog zwischen Bill Murray und Scarlett Johansson natürlich nur als Happy-end interpretieren. Kirsten Dunsts „Marie Antoinette“ erfreute sich immerhin noch des prallen Lebens vor dem Schafott. Doch im Vergleich mit Johnny Marcos unaufgeregter wie finaler Einsamkeit erscheinen mir sogar die Selbstmordschwestern aus „Virgin Suicides“ fidel und selbstbestimmt. Was nicht ausschließen muß, dass man dem Hollywood-Beau Marco jede Party, jeden Quickie mit dem Model in der Nachbarsuite, jede Bono-Anekdote neidet, ohne aber letztendlich mit ihm tauschen zu wollen.
Niemand hat in „Somewhere“ seine Seele verkauft, Hollywoods Boulevard der Dämmerung wird von Sofia Coppola völlig unfaustisch inszeniert, mit der Nonchalance einer Zeitzeugin, die nur bei einem Abstecher in Berlusconis Italien der Farce verfällt, aber sonst die Oberflächlichkeit dieser Kunstwelt, das Gehabe der scheinbar nie alternden Dorian Grays im Film- und Popbusiness mit einer unprätentiösen Selbstverständlichkeit skizziert, die man derart präzise wohl nur erlangt, wenn man in dieser Welt aufgewachsen ist, ohne ihr Opfer geworden zu sein. Und natürlich hofft man, dass auch Marco nicht dem Hollywood-Talmi geopfert wird, sondern vielleicht einfach aussteigt und in dem Augenblick, wo ihn die Kamera aus dem Blickwinkel verliert, als einfacher Fischer auf einer Schaluppe sein Auskommen findet. Irgendwo. Ist ja schließlich großes Kino.
Diese Filmkritik erschien – leicht gekürzt – im „In München“ 23/2010 vom 11. November 2010
Sonntag, 14. November 2010
Louis Vuitton: Luxus in Bewegung
Die Messingbeschläge schimmern vom jahrzehntelangen Polieren, die zarten Linien des verwitterten Leders zeichnen eine imaginäre Landkarte vergangener Reisen und dem Leinenbezug haben Regengüsse diesseits und jenseits des Äquators Patina verliehen.
Die mächtigen Schrankkoffer stammen aus einer Zeit, als Reisen noch ein großes Abenteuer war, verbunden mit wochenlangen Schiff- und Zugfahrten. Die Welt ist kleiner geworden seither, wie all die Amerikaner, Chinesen, Japaner, Russen und Deutschen im Pariser Global-Store von Louis Vuitton beweisen. Die dekorativen Gepäckstücke sind längst nicht mehr auf großer Fahrt, sondern schweben diskret über der aktuellen Kollektion der Boutique in der Avenue Montaigne.
Doch wo immer man dort hinschaut, entdeckt man Details der ehrwürdigen Koffer wieder: Pumps zitieren das zum Markenzeichen gewordene Schachbrettmuster des Gepäcks, an der Abendtasche „Theda“ glänzen die traditionellen Messingnieten und in der Schmuckkollektion baumeln Miniaturtaschen und das berühmte Monogramm.
Der Mythos lebt, auch wenn er nicht mehr mit den Gepäckbergen einer Marlene Dietrich, Audrey Hepburn oder eines Cary Grant assoziiert wird. Wer heute an Louis Vuitton denkt, sieht Madonna, Gwyneth Paltrow oder Sophie Marceau auf ihrer Reise durchs Blitzlichtgewitter einer Filmpremiere. In der Hand das Must-have der Saison – und damit 150 Jahre* Meisterhandwerk.
1854 gründete der professionelle Kofferpacker Louis Vuitton in Paris seine eigene Firma und legte damit den Grundstein für das Luxusimperium. Wer damals verreisen wollte, musste noch einen speziell geschulten Verpackungskünstler bestellen, um die ausladenden Roben und den wertvollen Hausrat in eigens gezimmerten Kisten und schwere, bucklige Truhen verstauen zu lassen.
Um seiner noblen Klientel ihre an Umzüge erinnernden Reisen zu erleichtern, erfand Louis Vuitton das adäquate Gepäck: den flachen, stapelbaren Koffer, dessen Konstruktion aus Pappelholz und imprägniertem Segeltuch nicht nur platzsparend war, sondern auch trageleicht und regenfest.
Schon seit langem deckt das Traditionsunternehmen nicht mehr nur die Bedürfnisse von Weltenbummlern. Konsequent hat Vuitton die handwerklichen Fertigkeiten im Umgang mit Leder, Metall und Stoffen auf Handtaschen, Schuhe, Accessoires, Mode, Uhren und Schmuck ausgeweitet und dem Zeitgeist mit Sneakers, Yoga-Sets und Etuis für MP3-Player gehuldigt.
Einen entscheidenden Modernitätsschub brachte 1997 der Entschluss, den New Yorker Designer Marc Jacobs als künstlerischen Direktor nach Paris zu holen. Jacobs verwandelte das legendäre Markenzeichen in ein neues Trendlabel. Ob bei seinen eigenen verspielten Entwürfen für die Prêt-à-porter-Kollektion oder in der Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern wie Takashi Murakami, Stephen Sprouse und Robert Wilson: In immer neuen Farben, Materialien und Schnitten interpretiert Jacobs den Mythos neu.
Und vergisst trotzdem seine Wurzeln nicht: Wer Muss-ich-haben-Stücke wie die türkisfarbene Express-Tasche sieht, erkennt sofort, dass sich auch Jacobs vom Canvas und den Beschlägen der alten Gepäckstücke inspirieren ließ.
Natürlich wird auch der klassische Vuitton-Schrankkoffer noch immer hergestellt. Von Hand unter der Aufsicht des Urenkels Patrick-Louis Vuitton in einem Atelier, das seit dem vorletzten Jahrhundert in Betrieb ist. Kein Logo verrät den Stammsitz, der sich wie ein klösterliches Refugium zwischen moderne Villen und Mehrfamilienhäusern duckt. Am Eingang nur ein schlichtes Klingelschild: Louis Vuitton.
Wer dort läutet, ist ein besonderer Gast, denn in dem Pariser Vorort Asnières entstehen neben den Schrankkoffern und Prototypen neuer Modelle vor allem Sonderanfertigungen für V.I.P.s: eine Wickeltasche für Schauspielerin Sarah Jessica Parker, ein Gitarrenkoffer für Rockstar Willy DeVille, ein Reiseschreibtisch für Regisseur Luc Besson – insgesamt mehr als 200 Einzelstücke jährlich.
Nicht selten finden die Maßarbeiten ihren Weg in die feste Kollektion – so wie der Vanity Case, ein kleiner Reise-Schrein für Kosmetik und Schmuck, den Sharon Stone selbst vor Ort entworfen hat.
Das Reisen hat in anderthalb Jahrhunderten an Rasanz dazugewonnen, doch wer eines der 15 Ateliers von Vuitton betritt, erlebt die Entdeckung der Langsamkeit. Zwischen drei und zwölf Jahre trocknen die Pappel- und Buchenhölzer für die Koffer, bedächtig wird das Leder mit Pflanzenextrakten gegerbt. Wie zur Gründerzeit prägt Handarbeit die Herstellung, weshalb Wartelisten kein Marketing-Kniff sind, sondern ein Zugeständnis an die handwerkliche Sorgfalt.
Asnières ist die Seele des Unternehmens. In einem schmalen Gang nimmt dieser gute Geist Gestalt an: Ein Handwerker restauriert einen alten Schrankkoffer und scheint dabei die Welt um sich herum zu vergessen. Wenn in dem Lichtjahre entfernten Paris Marc Jacobs seine neuesten Kreationen präsentiert, denkt vielleicht niemand mehr an die zahllosen beteiligten Schreiner, Gerber, Kürschner, Koffermacher, Schneider und ihre Kunstfertigkeit. Doch sie sind Louis Vuitton. Und niemand weiß das besser als Jacobs, der aus dieser Tradition schöpft und sie in atemberaubende Mode verwandelt.
*Dieser Text erschien zuerst unter der Überschrift „150 Jahre Luxus“ in der „Cosmopolitan“ September 2004
Die mächtigen Schrankkoffer stammen aus einer Zeit, als Reisen noch ein großes Abenteuer war, verbunden mit wochenlangen Schiff- und Zugfahrten. Die Welt ist kleiner geworden seither, wie all die Amerikaner, Chinesen, Japaner, Russen und Deutschen im Pariser Global-Store von Louis Vuitton beweisen. Die dekorativen Gepäckstücke sind längst nicht mehr auf großer Fahrt, sondern schweben diskret über der aktuellen Kollektion der Boutique in der Avenue Montaigne.
Doch wo immer man dort hinschaut, entdeckt man Details der ehrwürdigen Koffer wieder: Pumps zitieren das zum Markenzeichen gewordene Schachbrettmuster des Gepäcks, an der Abendtasche „Theda“ glänzen die traditionellen Messingnieten und in der Schmuckkollektion baumeln Miniaturtaschen und das berühmte Monogramm.
Der Mythos lebt, auch wenn er nicht mehr mit den Gepäckbergen einer Marlene Dietrich, Audrey Hepburn oder eines Cary Grant assoziiert wird. Wer heute an Louis Vuitton denkt, sieht Madonna, Gwyneth Paltrow oder Sophie Marceau auf ihrer Reise durchs Blitzlichtgewitter einer Filmpremiere. In der Hand das Must-have der Saison – und damit 150 Jahre* Meisterhandwerk.
1854 gründete der professionelle Kofferpacker Louis Vuitton in Paris seine eigene Firma und legte damit den Grundstein für das Luxusimperium. Wer damals verreisen wollte, musste noch einen speziell geschulten Verpackungskünstler bestellen, um die ausladenden Roben und den wertvollen Hausrat in eigens gezimmerten Kisten und schwere, bucklige Truhen verstauen zu lassen.
Um seiner noblen Klientel ihre an Umzüge erinnernden Reisen zu erleichtern, erfand Louis Vuitton das adäquate Gepäck: den flachen, stapelbaren Koffer, dessen Konstruktion aus Pappelholz und imprägniertem Segeltuch nicht nur platzsparend war, sondern auch trageleicht und regenfest.
Schon seit langem deckt das Traditionsunternehmen nicht mehr nur die Bedürfnisse von Weltenbummlern. Konsequent hat Vuitton die handwerklichen Fertigkeiten im Umgang mit Leder, Metall und Stoffen auf Handtaschen, Schuhe, Accessoires, Mode, Uhren und Schmuck ausgeweitet und dem Zeitgeist mit Sneakers, Yoga-Sets und Etuis für MP3-Player gehuldigt.
Einen entscheidenden Modernitätsschub brachte 1997 der Entschluss, den New Yorker Designer Marc Jacobs als künstlerischen Direktor nach Paris zu holen. Jacobs verwandelte das legendäre Markenzeichen in ein neues Trendlabel. Ob bei seinen eigenen verspielten Entwürfen für die Prêt-à-porter-Kollektion oder in der Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern wie Takashi Murakami, Stephen Sprouse und Robert Wilson: In immer neuen Farben, Materialien und Schnitten interpretiert Jacobs den Mythos neu.
Und vergisst trotzdem seine Wurzeln nicht: Wer Muss-ich-haben-Stücke wie die türkisfarbene Express-Tasche sieht, erkennt sofort, dass sich auch Jacobs vom Canvas und den Beschlägen der alten Gepäckstücke inspirieren ließ.
Natürlich wird auch der klassische Vuitton-Schrankkoffer noch immer hergestellt. Von Hand unter der Aufsicht des Urenkels Patrick-Louis Vuitton in einem Atelier, das seit dem vorletzten Jahrhundert in Betrieb ist. Kein Logo verrät den Stammsitz, der sich wie ein klösterliches Refugium zwischen moderne Villen und Mehrfamilienhäusern duckt. Am Eingang nur ein schlichtes Klingelschild: Louis Vuitton.
Wer dort läutet, ist ein besonderer Gast, denn in dem Pariser Vorort Asnières entstehen neben den Schrankkoffern und Prototypen neuer Modelle vor allem Sonderanfertigungen für V.I.P.s: eine Wickeltasche für Schauspielerin Sarah Jessica Parker, ein Gitarrenkoffer für Rockstar Willy DeVille, ein Reiseschreibtisch für Regisseur Luc Besson – insgesamt mehr als 200 Einzelstücke jährlich.
Nicht selten finden die Maßarbeiten ihren Weg in die feste Kollektion – so wie der Vanity Case, ein kleiner Reise-Schrein für Kosmetik und Schmuck, den Sharon Stone selbst vor Ort entworfen hat.
Das Reisen hat in anderthalb Jahrhunderten an Rasanz dazugewonnen, doch wer eines der 15 Ateliers von Vuitton betritt, erlebt die Entdeckung der Langsamkeit. Zwischen drei und zwölf Jahre trocknen die Pappel- und Buchenhölzer für die Koffer, bedächtig wird das Leder mit Pflanzenextrakten gegerbt. Wie zur Gründerzeit prägt Handarbeit die Herstellung, weshalb Wartelisten kein Marketing-Kniff sind, sondern ein Zugeständnis an die handwerkliche Sorgfalt.
Asnières ist die Seele des Unternehmens. In einem schmalen Gang nimmt dieser gute Geist Gestalt an: Ein Handwerker restauriert einen alten Schrankkoffer und scheint dabei die Welt um sich herum zu vergessen. Wenn in dem Lichtjahre entfernten Paris Marc Jacobs seine neuesten Kreationen präsentiert, denkt vielleicht niemand mehr an die zahllosen beteiligten Schreiner, Gerber, Kürschner, Koffermacher, Schneider und ihre Kunstfertigkeit. Doch sie sind Louis Vuitton. Und niemand weiß das besser als Jacobs, der aus dieser Tradition schöpft und sie in atemberaubende Mode verwandelt.
*Dieser Text erschien zuerst unter der Überschrift „150 Jahre Luxus“ in der „Cosmopolitan“ September 2004
Samstag, 13. November 2010
Wochenplan
Pressegespräch zum neuen Internetauftritt der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Pressevorführung „Betty Anne Waters“, BJV-Werkstattgespräch „Audio Slide Show“ mit Matthias Eberl /Presseclub, Restaurant-Opening Coco de Mer, Ina Lane ./. Michael Graeter / Landgericht München, Edition 46 des SZ-Magazins: Hans-Peter Feldmann / Pinakothek der Moderne, HeimAZabend mit den „Abendzeitung“-Kolumnisten Ponkie, Eduard Augustin & Joseph von Westfalen / Vereinsheim, Birthday & Supperclub Party / Daylesford Organic, euward-Verleihung / Haus der Kunst, Verleihung der Bayerischen Kunstförderpreise 2010 / Residenz, Let's party for a piece of art / Pinakothek der Moderne
Foto: Hans-Peter Feldmann | Ohne Titel (Zwei Mädchen), o. J. Schwarz-Weiß-Fotografie, ausgeschnitten, 92 x 60 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
Foto: Hans-Peter Feldmann | Ohne Titel (Zwei Mädchen), o. J. Schwarz-Weiß-Fotografie, ausgeschnitten, 92 x 60 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
Freitag, 12. November 2010
Die Weisheit des Verlierers
Manche Lektüre macht es einem nicht leicht. Jürgen Todenhöfers neues Buch sollte ursprünglich mal „Die Weisheit der Sieger“ heißen, und ein erster Umschlagentwurf rückte es in die Nähe von Lebensratgebern à la „Simplify your life“.
Todenhöfers Anekdotenschatz aus einem erfüllten Berufsleben zwischen Bundestag und Burda-Verlag steht dagegen in Hans-Jürgen Jakobs' Exegese für die „Süddeutsche Zeitung“ heute im Mittelpunkt.
Und natürlich findet man beides in Todenhöfers nächste Woche erscheinendem „Teile dein Glück und du veränderst die Welt“: Tugendtafeln zum Abhaken, wie es keine Frauenzeitschrift oder Karrierebibel besser auf ihren Ratgeberseiten als To-do-Liste anbieten könnte. Und äußerst unterhaltsames Geplaudere, etwa über eine Kissenschlacht mit Michael Jackson, Klassenkeile mit Hubert Burda oder die Polit-und PR-Tricks eines CDU-Politikers.
Mutig, interessant und lesenswert ist diese Abrechnung zu seinem 70. Geburtstag aber eher, weil Todenhöfer mit sich selbst abrechnet, statt der Weisheit der Sieger lieber Erkenntnisse aus seinen Niederlagen teilt und dabei – schonungslos mit sich selbst – dahin geht, wo es weh tut.
Aus einer Aphorismenkladde, mit denen er seinen drei Kindern Orientierung schenken wollte, ist stattdessen eine doppelt so umfangreiche Rückschau geworden, die Nathalie, Valérie und Frédéric Todenhöfer überrascht haben dürfte, weil wohl kaum ein Vater so offen über sein Scheitern spricht. Und schon gar kein langjähriger Politprofi und Vorstandsmitglied eines international agierenden Konzerns.
Eine „Halbzeitbilanz“ wollte der fußballbegeisterte Todenhöfer ziehen, der heute seinen 70. Geburtstag feiert. Sein Verlag, offenbar hinsichtlich der Lebenserwartung nicht ganz so optimistisch, fand „Zwischenbilanz“ angemessener. Auf jeden Fall scheint Todenhöfer noch lange nicht am Ziel.
Mir kommt seine Welt so kalt vor, daß es mich friert, und auch wenn er in dem Buch ausgiebigst von seinen Reisen durch Asien und den dortigen Begegnungen mit weisen Männern und einfach glücklicheren Menschen erzählt, scheint er keineswegs deren innerem Feuer zu vertrauen. Wärme scheint bei Todenhöfer kinetische Wärme zu sein: Mach was, erreiche was, leiste was. Die Geschichten seiner Niederlagen werden so zu keiner Ode an die Demut, das Selbstbild vom Pausenclown wirkt wie Koketterie, denn schlußendlich sehen wir ein Stehaufmännchen, einen Selfmademan, einen Mann, der trotz aller Niederlagen durchhielt und oft gegen alle Widerstände – etwa bei der Wiedervereinigung – recht behielt.Auch wenn er bei sich selbst viele Fehler der Vergangenheit ungeschehen machen will.
Daß und vor allem wie er diese Fehler vor großem Publikum (Startauflage: 50.000, Vorabdruck in der „BILD“) eingesteht, liest sich spannend und läßt für ihn hoffen.
Update: „Die meisten dieser Aphorismen beleuchten die sehr singuläre Geschichte Todenhöfers. Sie vermitteln die Einsicht, dass sozialer Zusammenhalt, Freunde und Familie wichtiger sind als Reichtum. Das Buch ist dort am besten, wo er aus seinem eigenen Leben erzählt, etwa vom bizarren Wurstdosenkrieg mit Helmut Kohl“, Nils Minkmar in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 21. November 2010.
Todenhöfers Anekdotenschatz aus einem erfüllten Berufsleben zwischen Bundestag und Burda-Verlag steht dagegen in Hans-Jürgen Jakobs' Exegese für die „Süddeutsche Zeitung“ heute im Mittelpunkt.
Und natürlich findet man beides in Todenhöfers nächste Woche erscheinendem „Teile dein Glück und du veränderst die Welt“: Tugendtafeln zum Abhaken, wie es keine Frauenzeitschrift oder Karrierebibel besser auf ihren Ratgeberseiten als To-do-Liste anbieten könnte. Und äußerst unterhaltsames Geplaudere, etwa über eine Kissenschlacht mit Michael Jackson, Klassenkeile mit Hubert Burda oder die Polit-und PR-Tricks eines CDU-Politikers.
Mutig, interessant und lesenswert ist diese Abrechnung zu seinem 70. Geburtstag aber eher, weil Todenhöfer mit sich selbst abrechnet, statt der Weisheit der Sieger lieber Erkenntnisse aus seinen Niederlagen teilt und dabei – schonungslos mit sich selbst – dahin geht, wo es weh tut.
Aus einer Aphorismenkladde, mit denen er seinen drei Kindern Orientierung schenken wollte, ist stattdessen eine doppelt so umfangreiche Rückschau geworden, die Nathalie, Valérie und Frédéric Todenhöfer überrascht haben dürfte, weil wohl kaum ein Vater so offen über sein Scheitern spricht. Und schon gar kein langjähriger Politprofi und Vorstandsmitglied eines international agierenden Konzerns.
Eine „Halbzeitbilanz“ wollte der fußballbegeisterte Todenhöfer ziehen, der heute seinen 70. Geburtstag feiert. Sein Verlag, offenbar hinsichtlich der Lebenserwartung nicht ganz so optimistisch, fand „Zwischenbilanz“ angemessener. Auf jeden Fall scheint Todenhöfer noch lange nicht am Ziel.
Mir kommt seine Welt so kalt vor, daß es mich friert, und auch wenn er in dem Buch ausgiebigst von seinen Reisen durch Asien und den dortigen Begegnungen mit weisen Männern und einfach glücklicheren Menschen erzählt, scheint er keineswegs deren innerem Feuer zu vertrauen. Wärme scheint bei Todenhöfer kinetische Wärme zu sein: Mach was, erreiche was, leiste was. Die Geschichten seiner Niederlagen werden so zu keiner Ode an die Demut, das Selbstbild vom Pausenclown wirkt wie Koketterie, denn schlußendlich sehen wir ein Stehaufmännchen, einen Selfmademan, einen Mann, der trotz aller Niederlagen durchhielt und oft gegen alle Widerstände – etwa bei der Wiedervereinigung – recht behielt.Auch wenn er bei sich selbst viele Fehler der Vergangenheit ungeschehen machen will.
Daß und vor allem wie er diese Fehler vor großem Publikum (Startauflage: 50.000, Vorabdruck in der „BILD“) eingesteht, liest sich spannend und läßt für ihn hoffen.
Update: „Die meisten dieser Aphorismen beleuchten die sehr singuläre Geschichte Todenhöfers. Sie vermitteln die Einsicht, dass sozialer Zusammenhalt, Freunde und Familie wichtiger sind als Reichtum. Das Buch ist dort am besten, wo er aus seinem eigenen Leben erzählt, etwa vom bizarren Wurstdosenkrieg mit Helmut Kohl“, Nils Minkmar in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 21. November 2010.
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