Mittwoch, 8. Oktober 2025
Feine erste Sätze (72)
Montag, 6. Oktober 2025
Agora (12): Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Annette Ramelsberger
Wochenplan (Updates)
Montag, 29. September 2025
Wochenplan (Updates)
Dienstag, 23. September 2025
Graeter giert aufs Rathaus
Die überparteiliche Wählergruppe sei auf ihn zugetreten. Die Aufstellungsversammlung steht noch bevor, aber Graeter hofft, einen Listenplatz möglichst weit oben zu ergattern. Und selbst wenn nicht: Wer, wenn nicht er, würde von den Münchner Wähler*innen nach vorne gehäufelt werden. Schließlich ist er der Mann, der das Vorbild von Baby Schimmerlos in Helmut Dietls „Kir Royal“ war. „Mister Neugier“, wie ihn Redaktionskollege Sigi Sommer mal nannte.
Kurzum: legendär. In einer Ära, in der Printmedien noch Karrieren prägten und München ein Zentrum der Mode-, Musik- und Filmbranche war, entschied der Klatschjournalist mit seiner „Leute“-Kolumne in der „Abendzeitung“ über Schicksale. Zumindest im Selbstempfinden der Erwähnten und gerade der nicht Erwähnten. Immer pointiert, oft schlüpfrig, meist bestinformiert. Wer rein kam, war drin.Von der „Abendzeitung“ ging es zur „Bild“, danach zur „Bunten“. Nebenbei eröffnete er das Café Extrablatt an der Leopold- Ecke Georgenstraße, die Kinos Veranda und Cadillac im Arbaellapark und das Airport FJS Kino in der Feilitzschstraße. Hansdampf in allen Gassen.
Da kann man buchhalterisch schon die Übersicht verlieren. Was erst zu einer Bewährungsstrafe führte und dann wegen Flucht in die Schweiz zu Vollpension in der Justizvollzugsanstalt Landsberg, in der von Adolf Hitler über Uli Hoeneß bis Alfons Schuhbeck viele saßen, die München prägten.Die letzten Jahre versuchte der inzwischen über Achtzigjährige eifrig ein Comeback. Mal raunte er von einer eigenen Zeitung, dann von einem neuen Café Extrablatt. Immer Visionen im Kopf, aber offenbar nicht genug Geldgeber im Rücken.
Dass er zu Höherem strebt, bewies er letztes Jahr bei der Mitgliederversammlung des TSV 1860. Bei der Aussprache zur Wahl des neuen Verwaltungsrates meldete er sich zu Wort, ignorierte das Saalmikrofon und enterte die Bühne. Niemand traute sich, ihn zurechtzuweisen. Aber am Rednerpult, Auge in Auge mit den Ultras und Hardcore-Fans machte er als Redner eher eine klägliche Figur.
Seine Bühne sind die HInterstübchen, das Telefon, die regelmäßigen Auftritte am Viktualienmarkt oder Didis Obststand an der Universität, wo er die Welt erklärt und Anekdoten aus seinem an Begegnungen reichen Leben abliefert.
Am Telefon skizzierte er gestern Abend auch Eckpunkte seines Wahlprogramms. Er kämpft für die Erhaltung des Bargelds und schimpft auf die Wiesnwirte Kathrin Wickenhäuser-Egger und Alex Egger, die in ihrer Münchner Stubn nur noch Kartenzahlung akzeptieren. Auch die Stadtsparkasse hat Graeter im Visier. Statt eine „Luxusmensa“ wie das barer 41 für Studierende zu errichten, solle man lieber die dortige alte Filiale wieder eröffnen und überhaupt das Filialnetz ausbauen statt immer mehr auszudünnen.
Die Radwege sind dem Journalisten auch ein Gräuel. Nicht, dass er etwas gegen Radfahrer hätte, aber die Fahrspuren seien so breit, als ob sie für Lastwägen bestimmt wären. Und vor allem zu rot.
Überhaupt liebt er es, mit Farben politisch zu argumentieren. Grün sei die Farbe unreifen Gemüse und unreifer Politik. Rot in München zu dominant, womit der Sechzger Graeter die Sozen wie den FC Bayern meint. München müsse wieder weiß-blau und blau werden.
Dass in ihm ein ehemaliger FDP-Fan steckt, wenn auch der FDP eines Theodor Heuss oder Hans-Dietrich Genscher, hört man aus einer weiteren Lieblingsidee heraus: Graeter fordert die Versicherungs- und Kennzeichenpflicht für Fahrräder. Da würde doch die Versicherungsbranche gutes Geld damit verdienen können.
Auf der Liste der FDP will übrigens eine andere Journalistin kandidieren, die langjährige „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel, die Graeter, Sexist, der er ist, nur als Anhängsel ihres Partners Helmut Markwort wahrnimmt.
Dabei hat Graeter in letzter Zeit, seitdem er für die „Abendzeitung“ wieder gelegentlich Nachrufe schreibt, eine neue, zärtliche Seite offenbart. Doch im Wahlkampf, so ist zu befürchten, wird er sich wieder von seiner schlechtesten Seite als alter weißer Mann zeigen.
Montag, 22. September 2025
Wochenplan (Updates)
Montag, 15. September 2025
Söder setzt beim Genderverbot auf Gleichschaltung (und was ist ein glottaler Plosiv?)
„Heute ist #TagderDeutschenSprache. Für uns ist klar: Wir lehnen das Gendern aus ideologischen Gründen ab. Es schafft Barrieren, grenzt Menschen aus und bevormundet. In Bayern haben wir die Verwendung von Gendersprache in Schulen, Hochschulen und Behörden bereits konsequent abgeschafft. Wir setzen uns dafür ein, dass im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Verwaltung – auf das Gendern verzichtet wird“, schrieb Söder auf X/Twitter. Das ist gleich aus vielen Gründen hochproblematisch. Denn auch wenn so mancher dieses Statement als Meinungsäußerung verteidigte, ging es hier eben gerade nicht etwa um seine privaten Speisevorlieben. Sondern da sprach – trotz des verwendeten CSU-Logos – unmißverständlich ein Landeschef darüber, was er im Geiste des Substitutionsprinzips bei den ihm vermeintlich Untergeordneten bereits durchgesetzt hat und was er sonst noch zu erreichen plane.
Nun ist der Ministerpräsident kein Volljurist. Aber selbst mit nur einem Staatsexamen hat er sicherlich eine Vorstellung vom Grundgesetz und den darin postulierten Grund- und Abwehrrechten gerade gegenüber dem Staat und seiner Exekutive. Darauf weist auch eine Auslassung hin. Denn von den Gerichten verlangt er gerade kein Genderverbot, achtet da also die Unabhängigkeit der Judikative, obwohl etwa sein Kreuzerlass auch in Gerichtsgebäuden gilt.
Bei den Universitäten beziehungsweise Hochschulen ist es schon komplizierter. Söder nennt sie in einem Aufwasch mit Behörden und Verwaltung, obwohl sie nicht oder höchstens mittelbar der Exekutive zuzurechnen sind. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind verfassungsrechtlich geschützt. Das nutzten manche Hochschulen in Deutschland etwa auch im Umgang mit den Gaza-Demonstrationen. In München agieren dagegen gerade die Exzellenzuniversitäten LMU und TUM bei besetzten Hörsälen traditionell eher als Wurmfortsatz der bayerischen Sicherheitsbehörden. Doch selbst die konservativer Umtriebe unverdächtigen Akademie der Bildenden Künste (Foto oben) und Hochschule für Fernsehen und Film (Foto links) kamen um das Genderverbot nicht herum. An beiden Münchner Fakultäten hingen letztes Jahr Banner, die für das Gendersternchen warben. An der HFF nur wenige Tage, an der Akademie etwas länger. Und zumindest die HFF soll den Banner laut der „Abendzeitung“ auf Weisung des Ministeriums entfernt haben.Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume verzog aber wenige Monate später keine Miene, als er im Gärtnerplatztheater die Bayerischen Kunstpreise überreichte, und die ausgezeichnete Julie Batteux (Foto) ihm auf der Bühne im Gendersternchenkleid gegenüber stand.Der andere Markus ist da weniger entspannt. In seinem Tweet nennt Söder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Aufwasch mit Verwaltung, Behörden, Universitäten und Schulen und fordert von ihnen allen, das Genderverbot einzuhalten. Das erinnert an die Zeit der Gleischschaltung, als die Nazis eben gerade alle Kräfte, ob Politik, Verwaltung, Gesellschaft oder Kultur, nach ihrer Vorstellung ausrichten wollten. Und das nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstandene Grundgesetz mit seiner Gewaltenteilung und den in Grundrechten artikulierten Abwehrrechten der Bürger*innen gegen den Staat ist eben gerade die Antwort auf diese Unrechtszeit.
Ein zentrales Grundrecht ist dabei auch die Rundfunkfreiheit, die Söder in Frage stellt, wenn er dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorschreiben will, was er sendet und was eben nicht. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dieses Grundrecht auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestätigt und dessen Staatsferne verteidigt.
Die grüne Landtagsabgeordnet Sanne Kurz, Mitglied des Rundfunkrats beim Bayerischen Rundfunk, verweist auch auf den totalitären Charakter von Söders Tweet: „Im Journalismus entscheidet in Deutschland immer noch die Redaktion – nicht die Staatskanzlei. Auch wenn Herr Söder das offenbar gerne anders hätte, ist die Staatsferne bei uns nicht zuletzt wegen unserer Geschichte zu Recht ein hohes Gut. Ein staatlich verfügtes Genderverbot für Redaktionen wäre ein glasklarer Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit. Ebenso wie natürlich kein Ministerpräsident in Lehre, Kunst oder Forschung seine persönlich präferierten, ideologischen Sprachverbote hinein diktieren kann. Wir sind hier ja gottlob nicht in Russland oder China, wo von oben das Wording diktiert wird.“
Der Bayerische Rundfunk wollte sich auf Anfrage nicht zu Söders Ankündigung äußern, verwies aber darauf, dass es angesichts seiner „Angebotsvielfalt im BR keine starre Vorgabe hinsichtlich der Verwendung geschlechtergerechter Sprache“ gibt.
Beim Deutschlandradio gibt es „seit 2019 eine Handreichung mit Empfehlungen und praktischen Tipps. Darin werden Möglichkeiten für gendersensible Formulierungen aufgezeigt. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen diese Handreichung. Manche entwickeln sie weiter, auch hörbar, zum Beispiel durch den sogenannten glottalen Plosiv (Gender Gap). Andere, etwa die Nachrichten-Redaktion, haben entschieden, den glottalen Plosiv nicht zu nutzen. Wieder andere bevorzugen das generische Maskulinum. Die Diskussion, wie gendersensible Sprache aussehen kann, ist bei uns im Haus wie bei den meisten Medienunternehmen im Fluss. Die Handreichung »Geschlechtergerechte Sprache« ist auf den Deutschlandradio-Transparenzseiten verfügbar. Deutschlandfunk Nova hat zu dem Thema darüber hinaus ein Mission Statement formuliert.“
Der Bayerische Journalisten-Verband reagierte auf Söders Anmaßung am selben Tag nur mit einem Social-Media-Kommentar des BJV-Vorsitzenden Harald Stocker auf Bluesky: „Es ist gut, wenn der bayerische Ministerpräsident zugibt, dass er Gendern aus ideologischen Gründen ablehnt. Aber was auch immer er aus ideologischen Gründen tut, er sollte dabei nicht in der Rundfunkfreiheit eingreifen.“
Nach dem Wochenende befasste man sich dann auch noch einmal in der BJV-Geschäftsstelle mit dem Thema und bekäftigte auf Facebook die Kritik des Vorsitzenden: „Jeder Tag ist Tag der demokratischen Grundrechte. Für uns ist klar: Wir lehnen Eingriffe in die Rundfunkfreiheit ab. Der Rundfunk ist in Deutschland staatsfern organisiert. Das bedeutet, dass die Politik dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine inhaltlichen Vorgaben aus ideologischen Gründen machen darf - auch nicht beim Thema Gendern. Die Redaktionen entscheiden selbst, welche Sprache sie verwenden. Wir setzen uns dafür ein, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene Rundfunkfreiheit nicht verletzt.“Die Staatskanzlei mit dem zuständigen Medienminister und das Wissenschaftsministerium wollten sich auf Anfrage heute nicht äußern.
Beim Genderverbot scheitert Söder auch manchmal einfach nur an der mangelnden Zuständigkeit, weshalb etwa die Schulen wortgleich zweimal in seinem Tweet vorkommen. An den staatlichen Gymnasien mag er es bereits konsequent durchgesetzt haben, wobei selbst da, siehe Kreuzerlass, manchmal der Oberste Bayerische Verwaltungsgerichtshof Söder in die Schranken weisen muss. Aber an kommunalen Schulen mag er sich höchstens für einen Verzicht aufs Gendern einsetzen. Nur kommt er da beispielsweise an Münchens städtischen Schulen nicht weit.
Das Kultusministerium bestätigt auf Anfrage, dass nur „Staatliche Schulen gemäß § 22 Abs. 5 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) dazu angehalten sind, im dienstlichen Schriftverkehr die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung zu beachten. Mit Änderung der AGO zum 01.04.2024 wird ergänzend Folgendes klargestellt: »Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig.« Somit sind beispielsweise in der Kommunikation mit Eltern oder in Veröffentlichungen der Schule, wie etwa in Jahresberichten oder auf der Schulhomepage, mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen nicht zulässig. Wir bitten zu beachten, dass die oben genannten Hinweise für die staatlichen Schulen gelten. Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird nach § 36 AGO empfohlen, nach dieser Geschäftsordnung zu verfahren; die Entscheidung obliegt daher den eben genannten Institutionen.“
Update vom 17. September: Inzwischen hat sich auch das Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München geäußert und darauf hingewiesen, dass nicht nur zwischen städtischen und staatlichen Schulen zu unterscheiden ist, sondern auch, ob Vorgänge im oder außerhalb des Unterrichts erfolgen:
„Stadtschulrat Florian Kraus hatte sich im Jahr 2024 klar von dem »Genderverbot« des Freistaats distanziert und die abweichende Praxis der Landeshauptstadt München betont. Seine Haltung: »Sprache formt Denken und soziale Wirklichkeit. Gendersensible Sprache ist daher wichtiger Ausdruck geschlechtlicher Identität und gesellschaftlicher Vielfalt. Anders als beim Freistaat gibt es in der städtischen AGAM kein Genderverbot sondern ein Gebot gendersensibler Sprache.«
Anlässlich der zum 1. April 2024 gültigen Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) hat Stadtschulrat Florian Kraus ein Schreiben an alle städtischen Schulen verschickt. In dem Schreiben macht er deutlich, dass für die städtische Verwaltung und damit auch für die städtischen Schulen außerhalb des Unterrichts nicht die Vorgaben der AGO, sondern der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München (AGAM) relevant sind. Wie er ausführt, sieht sich das Referat für Bildung und Sport dem Diskriminierungsschutz im Hinblick auf Geschlecht und geschlechtliche Identität verpflichtet und weist diesem eine hohe Priorität zu. In dem Anschreiben an die städtischen Schulen zitiert der Stadtschulrat Ziff. 1.2.4 AGAM: »Im dienstlichen Sprachgebrauch sind Texte aller Art, auch städtische Bekanntmachungen, Publikationen und Veröffentlichungen so zu formulieren, dass das Gleichstellungsgebot der Geschlechter sprachlich erfüllt ist und gemäß den Vorgaben des AGG keine Diskriminierung erfolgt. In der internen und externen Kommunikation ist auf einen geschlechterdifferenzierten Umgang und ggf. auf eine zielgruppenspezifische Ansprache zu achten. […] Die genannten Sprachregelungen sollen es ermöglichen, dass auch Menschen mit einem Geschlechtseintrag ‚divers‘ oder ‚ohne Angabe‘ sowie trans*, inter*, non-binäre und queere Menschen angemessen angesprochen werden können.« Mit dem Schreiben gibt er den städtischen Schulleitungen auch die bereits 2020 veröffentlichte Formulierungshilfe »Leitfaden inkl. Arbeitshilfe für eine geschlechtergerechte Sprache in der Landeshauptstadt München, Stand 2020« an die Hand.
Etwas anders stellt sich die Situation innerhalb des Unterrichts dar. Hier gilt – und galt auch schon vor dem Genderverbot des Freistaats –, als verbindliche Grundlage des Unterrichts die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in der jeweils gültigen Fassung ist. Das betrifft staatliche und städtische Schulen gleichermaßen. Diese Regelung enthält keine Genderschreibweisen. Allerdings – und auch diesen Hinweis integriert Florian Kraus in das Schreiben an die städtischen Schulen – führt selbst das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus, dass die Verwendung von Wortbinnenzeichen in schriftlichen Leistungsnachweisen lediglich als Normabweichung zu markieren, nicht aber in die Bewertung einzubeziehen ist.
Wochenplan (Updates)
Montag, 8. September 2025
Wochenplan (Updates)
Mittwoch, 3. September 2025
Phantomschmerz oder: The Decline of Western Schwabing
Der alte Reiz ist schon seit Jahrzehnten weg. Aber manchmal tut es immer noch ein bisschen weh. Etwa wenn neben Lehmkuhl in der Leopoldstraße 43 ein Bärliner Döner-Grill seine nächste Filiale plant.
In den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren war das tatsächlich noch ein Boulevard, im Grunde ein nur wenige Häuserecken umfassendes Revier, in dem man zu Fuß unterwegs sein konnte und doch alle wichtigen Menschen dieser Stadt traf. Bernd Eichinger, Ingeborg Schober, Charles Schuhmann, Iris Gras, Eckhart Schmidt, Maxim Biller, Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, Georg Seitz … Ob Presse, Film oder Gastro – hier trafen sich alle, die in München weltberühmt waren. Und um die Ecke zog die „Vogue“-Redaktion in der Ainmillerstraße die Fotograf*innen und Models aus aller Welt an, die wir Münchner*innen aus dem Café heraus im Vorübergehen begafften.
Meine Generation fläzte in den 1980er-Jahren im Venezia (Leopoldstraße 31), in dessen Hinterhaus Bernd Eichinger wohnte. Die Altvorderen des Neuen Deutschen Films hatten noch ein paar Häuser weiter Ende der 1960er-Jahre im Europa-Espresso (Leopoldstraße 19) den Sturm auf Opas Kino geplant. Und zwischen diesen beiden Generationen war das Eiscafé Capri der Famile del Favero in den 1970er-Jahren das Hauptquartier von Wolf Wondratschek, Nastassja Kinski & Co.
Das Capri schloss 1979, also vor meiner Schwabinger Zeit. Aber wenn ich mich nicht täusche, lag es eben in der Leopoldstraße 43, wo erst ein Pizza-Schnellrestaurant (Spezialität: Pizzaburger) die Lokalität übernahm und später dann das Shere Punjab. Ich habe beide aus Solidarität mit dem alten, mir unbekannten Capri nie betreten.
Das Capri gibt es also schon lange nicht mehr. Aber es ist Legende. Wolfgang Fiereks Drehtagebuch zu Klaus Lemkes „Arabische Nächte“ fängt natürlich mit einem „1. Tag, 12.00 Abfahrt Capri?“ an. In Mirco Hecktors „Mjunik Disco“ ist dem Capri eine Doppelseite gewidmet. Wolf Wondratschek, dessen Gedichte Titel wie „Bei del Favero“ oder „Café Capri“ tragen, pries das Kult-Café als „Ort unserer schläfrigen Ekstase“ und zitierte Klaus Lemke, der prophezeit hätte, sie würden alle sehr berühmt werden, wenn sie sich nur im Capri die Disziplin auferlegten, „einfach weiter nichts zu tun als hier herumzustehen“.Die schönste Anekdote stammt aber von meinem alten Kumpel Marc-Oliver Dreher, der als Großstadtkind schon in frühen Jahren mit 12, 13 oder 14 Jahren Stammgast im Capri war: „Dort hing neben den üblichen Verdächtigen, wie Klaus Lemke, Martin Müller, Peter Przygoda, Mischa Lampert samt Partnerin Silvia Melzer, Paul Lyss, Rainer Werner Fassbinder (sofern er nicht in der Eiche oder mal wieder in Berlin war), Lothar Elias Stickelbrucks, Uschi Obermeier und vielen vielen anderen, deren Namen mir - zumindest momentan entfallen sind - eben auch Hanno Schilf rum. Mit einem Schäferhund. Der ihm - wie ich damals dachte - immer entlief, da ich ihn ständig irgendwo alleine in Schwabing rumtraben sah. Ich also immer den Hund geschnappt, ihn (mächtig stolz) ins Capri geschleppt und für diese Rettungsaktionen Eis bis zum Abwinken bekommen. Wie mir Hanno viele Jahre später erzählte, war der Hund allerdings immer alleine unterwegs und hat auch so alleine zurück gefunden. Aber da alle es so spaßig nett fanden, daß ich den Hund immer wieder auf´s neue anschleppte, brachte es niemand übers Herz mir die Wahrheit zu sagen.“
(Oberstes Foto: Lars Mentrup)
Dienstag, 2. September 2025
Villa Stuck: Wiedereröffnung auf Raten
Als der Münchner Stadtrat im November 2023 beschloss, die marode Stuck-Villa zu sanieren, äußerte ich mich hinsichtlich des Zeit- und Finanzplans skeptisch: „Die Wiedereröffnung der Stuck-Villa sei für den Sommer 2025 geplant, die Sanierungskosten werden mit rund 14 Millionen Euro beziffert. Beides Zahlen, die bei solchen Vorhaben mit Vorsicht zu genießen sind.“
Ein halbes Jahr später, im April 2024 war schon nicht mehr vom Sommer 2025 die Rede, sondern von Ende 2025.
Woran das lag? Im Baugewerbe können das Nachschubprobleme sein, wenn man Material oder Teile früher in der Ukraine bezogen hat. Manchmal tauchen bei einer Sanierung unerwartete Probleme in der Substanz auf. Die Gewerke sind manchmal nicht so verfügbar wie gewünscht. Das Wetter kann den Zeitplan durcheinander wirbeln.
Die diesmal zutreffende(n) Antwort(en) muss ich hier aber schuldig bleiben, denn weder das Kultur- und Baureferat noch die Villa Stuck wollten sich auf Anfrage konkret zu den Gründen für die Terminänderungen äußern.
Nun wirbt das Haus für sein Comeback am 18. Oktober. Annähernd im Zeitplan, nur ein paar Monate später als anläßlich des Stadtratsbeschlusses angekündigt. Und immerhin früher als die dann auf Ende 2025 korrigierte Umterminierung. Wobei aber die Baumaßnahmen keineswegs abgeschlossen sein werden, wenn das Haus zur Langen Nacht der Museen Mitte Oktober aufsperrt. „Nach der Wiedereröffnung folgt ein zweiter Bauabschnitt: Dabei werden die Freiflächen fertiggestellt und weitere Maßnahmen im Zuge der Ausstellungskonzeption umgesetzt.“
Immerhin wird laut Kulturreferat, Terminsprünge hin oder her, das Budget von 14 Millionen Euro eingehalten.
Eine Baustelle scheint auch der Presseverteiler der Villa Stuck zu sein. Nachdem ich den oben zitierten Beitrag über das „schöne, aber marode“ Haus in der „tz“ veröffentlicht hatte, erhielt ich letztes und dieses Jahr keine ihrer Pressemitteilungen mehr, obwohl sie in ihrem Ausweichquartier VS in der Goethestraße 54 ein reges Programm bot, wie etwa eine Podiumsdiskussion mit Dana von Suffrin (Foto) zum Thema Wohnen oder zahlreiche Ausstellungen. Das Ausbleiben jeglicher Pressemitteilung nach meiner Veröffentlichung kann natürlich auch nur eine zufällige Koinzidenz gewesen sein, ohne dass eine Kausalität wegen vermeintlich unbotmäßiger Berichterstattung vorlag.Von mir darauf angesprochen behauptete die Presseabteilung erst, man hätte die ganze Zeit über keine Pressemitteilungen mehr verschickt, daher hätte ich auch keine mehr erhalten. Und wies mich auf den allgemeinen Newsletter des Hauses als Informationsquelle hin. Als ich vorsichtig darauf hinwies, mich möglicherweise durchaus an Pressemitteilungen erinnern zu können, die in den letzten anderthalb Jahren anderen Redaktionen zugegangen sind, korrigierte man die Auskunft: „Im Zusammenhang mit dem Umzug ins Interimsquartier wurden einige Umstellungen vorgenommen. Vermutlich ist dabei Ihre E-Mail-Adresse versehentlich gelöscht worden.“




















