Dienstag, 16. Dezember 2008

Die tausend Augen des Münchner Christkindlmarktes

Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Weihnachtsmärkten, weshalb mir auch erst heuer, anläßlich einer ganz anderen Kundgebung, aufgefallen ist, wie München zur Adventszeit polizeitechnisch aufrüstet: Bereits seit 2005 wird alljährlich die Fußgängerzone mit Überwachungskameras im Londoner Stil zugepflastert. Da diese Art der Totalüberwachung immer auf Kosten unserer informationellen Selbstbestimmung geht, hat es mich doch interessiert, was diese Orwellsche Strategie überhaupt einbringt. Und so fragte ich am 18. November beim Münchner Polizeipräsidium und am 19. November beim veranstaltenden Tourismusamt ganz harmlos nur an, wie sich die Kriminalstatistik des Christkindlmarktes in den letzten acht Jahren entwickelt hat.
Die Stadt München behauptet, keine solche Zahlen zu besitzen und die Polizei antwortete gar nicht auf mein Schreiben, obwohl ich mich als Journalist zu erkennen gab. Und wenn schon so eine harmlose Frage ignoriert wird, dann liegt meistens etwas im Argen. Also werde ich mal sehen, ob sich diese Mauer des Schweigens auflockern läßt. Natürlich mit einem doch nun umfangreicheren Fragekatalog. Schließlich sind nach dem bayerischen Landespressegesetz (BayPrG) Behörden und andere Träger staatlicher Hoheitsfunktionen der Presse gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Also geht dieser Tage ein Einschreiben an das Münchner Polizeipräsidium mit folgenden Fragen:
  • Wurden die hochauflösende AutoDome-Kameras von Bosch angekauft oder werden sie alljährlich angemietet?
  • Erfolgt(e) die Bezahlung des Miet- bzw. Kaufpreises aus Mitteln der Polizei oder der Stadt München?
  • Haben die Überwachungsmaßnahmen seit 2005 die Prävention oder Aufklärung von Straftaten auf dem Christkindlmarkt beeinflußt?
  • Wi sehen die kriminalstatistische Daten zu den auf dem Christkindlmarkt zwischen 2000 bis einschließlich 2007 begangenen bzw. aufgeklärten Straftaten genau aus, aufgeschlüsselt nach Jahr und Deliktart?
  • Dienen die Aufnahmen der Polizei nur zur Videoüberwachung als Livestream oder erfolgt eine Aufzeichnung?
  • Wie lange werden die Aufnahmen gegebenenfalls gespeichert?
  • Update: Sind die Überwachungskameras nur für die Dauer des Christkindlmarktes vom 28. November bis Heiligabend aktiv oder darüber hinaus, heuer beispielsweise während der Antinazi-Kundgebung vom 15. November am Marienplatz?
  • Update: Werden dieselben Kameras außerhalb der Weihnachtssaison anderweitig eingesetzt, etwa auf dem Oktoberfest?
  • Update: Inwiefern wird in der Fußgängerzone in geeigneter Weise auf die Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen hingewiesen?
Update vom15. Februar 2022: „Bosch, the German multinational most famous for its toasters, drills, and refrigerators, is also one of the world’s leading developers of surveillance cameras.“  The Intercept in einem großen Hintergrundbericht.

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