Messieursdames, Elodie Frégé!
Elodie Frégé - La fille de l'après-midi
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Elodie Frégé - De L'Eau
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Donnerstag, 19. August 2010
Montag, 16. August 2010
Abgestanden wie ein Noagerl: Klaus Lemkes „Schmutziger Süden“
Mitternacht. Die Zeit, zu der die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gemeinhin Lemkes aktuelleres Filmwerk ausstrahlen. Da versendet sich so einiges gefahrlos. Andere sitzen um diese Stunde gern im Schumann's. Wie SZ-Redakteur Alexander Gorkow. Man kann ihn dann leicht angetrunken erleben und schwer auf seinen Arbeitgeber schimpfend. Das würde erklären, wieso er auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. Juli vorbehaltlos Lemke als „genialen und unterschätzten Filmemacher“ preist und sehr detailliert nur dessen Frühwerk wie „Brandstifter“, „48 Stunden bis Acapulco“ oder „Rocker“ zitiert, den filmmusealen Kanon, der nichts von seiner Kraft verloren hat. Aber eben auch Jahrzehnte alt ist.
Vielleicht kennt Gorkow die neueren Filme überhaupt nicht, die Lemke in diesem Jahrhundert gedreht hat. Laufen ja gegen Mitternacht im Fernsehen – wenn überhaupt. Vielleicht schweigt er auch nur aus Respekt. Mit Sicherheit beneiden Gorkow und Koautor Tobias Kniebe, beides angestellte leitende Redakteure in Sibirisch-Steinhausen, den sympathisch verwahrlosten Regieveteranen: „Klaus Lemke ist der freieste Mensch, den man treffen kann. In Schwabing. In München. Wo auch immer.“ Da bin ich ganz bei ihnen.
Nur macht das höchstens Lemkes Aussteigervita sympathischer, aber seine hingeschluderten Arbeitsmaßnahmen kaum besser. „Schmutziger Süden“ etwa bietet den typischen Mix der letzten zehn Jahre: Unbeholfene Laiendarsteller, wirre Handlungen, ungeschliffene Dialoge, Brutaloschnitte sowie überraschend prüde Altherrenfantasien von vielen Mädchen, die ein und demselben Mann verfallen – wobei Lemke weit weniger Sex zeigt als etwa die Stunden früher ausgestrahlten ZDF-Sommernachtsfantasien, da kann er noch so sehr von Porno fabulieren.
Überhaupt merkt man Lemke die frühe Schwabinger Schule an – er redet viel, man darf ihm wenig glauben. Mal will er Angebote für eine „Tatort“-Regie abgelehnt haben, dann erzählt er wiederum, er würde gern einen drehen, hätte ihn aber noch nicht offeriert bekommen. Festivals interessieren ihn nicht? Wieso reicht er seit Jahren diese Kameraübungen ein und protestiert beim Münchner Filmfest wiederholt mit Mahnwachen dagegen, daß man ihn abgelehnt hätte? „Schmutziger Süden“ liefe auf der Berlinale? Ein Gerücht. Der Bayerische Rundfunk plane eine Serie mit ihm? Wunschdenken. Die Filme kosten fast nichts? Die Musikrechte für Blondie und andere Tracks im „Schmutzigen Süden“ wird er sich kaum mit seinem Standard-Fuffie geleistet haben. Er gewähre nur selten, nicht öfter als zweimal jährlich Interviews? Dann hat er allein schon in den letzten Wochen mit der „SZ“, arte, „Welt am Sonntag“, „Abendzeitung, „Tagesspiegel“ oder dem Studentenblatt „Philtrat“ für die nächsten Jahre vorgearbeitet.
Aber so oft wie er sich dort in seinen – auswendig gelernten? – Statements wiederholt, muß man vielleicht nicht jedes Gespräch einzeln zählen. Die Fragesteller trauen sich auch kaum, nachzufragen, nachzuhaken. Mit Ausnahme von Marina Kumchuk und Nicola Wilcke („Philtrat“), die zwar dabei auch nicht zu Lemkes Kern vordringen, aber zumindest amüsant scheitern. Interessiert es denn keinen, wie licht die Haare unter seiner legendären Schiebermütze sind? Ob Lemke tatsächlich im alten Schumann's Hausverbot genoß, weil er volltrunken an den Tresen gepinkelt haben soll? Und wie viel Rente der 69-Jährige erhält?
Einen Rentenanspruch wird er sich doch sicher aufgebaut haben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren, als er eben keineswegs als Filmguerilla low-budget arbeitete, sondern noch als gut bestallter Lohnregisseur. Die Cameo-Auftritte Horatius Haeberles und Michael Graeters im „Schmutzigen Süden“ sind eine kleine Reminiszenz an diese Ära.
1987, bei „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) war ich auch mal vorübergehend mit im Lemke-Team. Es war wohl der erste seiner wirklich schlechten Filmen, wenn auch noch als großes Kino angelegt. Allein ich erhielt für die PR-Betreuung um die 10.000 Mark, an der Kamera stand Lothar Elias Stickelbrucks und für die Hauptrolle hatte man den holländischen Star Huub Stapel eingekauft. Ihn als männliche Hauptfigur umgarnte – ähnlich wie im „Schmutzigen Süden“ – ein weibliches Dreigestirn, die Türsteherin Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, das persische Model Jasmin Zadeh und – als einzige Profischauspielerin – Dolly Dollar (Christine Zierl).
Wie es sich für die achtziger Jahre gehört, habe ich nur noch recht verschwommene Erinnerungen an die Dreharbeiten: Eingeprägt hat sich mir kein Bild vom Regisseur am Set, sondern wie Lemke nachts mit Produzent Hanno Schilf den Boden des Produktionsbüros nach einem verloren gegangenen Piece absucht. Autor Micha Lampert erschien zu den Scriptbesprechungen im Bella Italia immer mit einem Baseballschläger, weil das Multitalent gerade auch in einen Zuhälterkrieg verwickelt war. Jasmin Zadeh vertrug keinen Alkohol, weshalb ich als PR-Mann alter Schule sie ständig begleiten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß sie bereits nachmittags mit Champagnerflöten um sich schmiß oder nach einer Nacht im P1 die Tür der Wohnung eintrat, die sie für einen auf Ibiza weilenden Barkeeper hütete, weil sie den Schlüssel nicht finden konnte. Der Standfotograf bewarb sich um seinen Job, indem er mir Bilder einer minderjährigen Nackten am Starnberger See vorlegte. Und finanziert hat das ganze Chaos ein Großgrundbesitzer aus dem Münchner Umland, der sonst eher auf Pferde setzte.
Im Grunde sollte Klaus Lemke keine Filme mehr drehen, sondern sein eigenes Leben verfilmen lassen. Stoff genug gäbe es.
Updates:
Mehr von mir zu Huub Stapel und den Dreharbeiten von „Zockerexpress“.
„Film muss noch nicht mal gut sein“ – Lemkes „Hamburger Manifest“.
Lemke und ich auf Radio m94,5 zum Hamburger Manifest.
Vielleicht kennt Gorkow die neueren Filme überhaupt nicht, die Lemke in diesem Jahrhundert gedreht hat. Laufen ja gegen Mitternacht im Fernsehen – wenn überhaupt. Vielleicht schweigt er auch nur aus Respekt. Mit Sicherheit beneiden Gorkow und Koautor Tobias Kniebe, beides angestellte leitende Redakteure in Sibirisch-Steinhausen, den sympathisch verwahrlosten Regieveteranen: „Klaus Lemke ist der freieste Mensch, den man treffen kann. In Schwabing. In München. Wo auch immer.“ Da bin ich ganz bei ihnen.
Nur macht das höchstens Lemkes Aussteigervita sympathischer, aber seine hingeschluderten Arbeitsmaßnahmen kaum besser. „Schmutziger Süden“ etwa bietet den typischen Mix der letzten zehn Jahre: Unbeholfene Laiendarsteller, wirre Handlungen, ungeschliffene Dialoge, Brutaloschnitte sowie überraschend prüde Altherrenfantasien von vielen Mädchen, die ein und demselben Mann verfallen – wobei Lemke weit weniger Sex zeigt als etwa die Stunden früher ausgestrahlten ZDF-Sommernachtsfantasien, da kann er noch so sehr von Porno fabulieren.
Überhaupt merkt man Lemke die frühe Schwabinger Schule an – er redet viel, man darf ihm wenig glauben. Mal will er Angebote für eine „Tatort“-Regie abgelehnt haben, dann erzählt er wiederum, er würde gern einen drehen, hätte ihn aber noch nicht offeriert bekommen. Festivals interessieren ihn nicht? Wieso reicht er seit Jahren diese Kameraübungen ein und protestiert beim Münchner Filmfest wiederholt mit Mahnwachen dagegen, daß man ihn abgelehnt hätte? „Schmutziger Süden“ liefe auf der Berlinale? Ein Gerücht. Der Bayerische Rundfunk plane eine Serie mit ihm? Wunschdenken. Die Filme kosten fast nichts? Die Musikrechte für Blondie und andere Tracks im „Schmutzigen Süden“ wird er sich kaum mit seinem Standard-Fuffie geleistet haben. Er gewähre nur selten, nicht öfter als zweimal jährlich Interviews? Dann hat er allein schon in den letzten Wochen mit der „SZ“, arte, „Welt am Sonntag“, „Abendzeitung, „Tagesspiegel“ oder dem Studentenblatt „Philtrat“ für die nächsten Jahre vorgearbeitet.
Aber so oft wie er sich dort in seinen – auswendig gelernten? – Statements wiederholt, muß man vielleicht nicht jedes Gespräch einzeln zählen. Die Fragesteller trauen sich auch kaum, nachzufragen, nachzuhaken. Mit Ausnahme von Marina Kumchuk und Nicola Wilcke („Philtrat“), die zwar dabei auch nicht zu Lemkes Kern vordringen, aber zumindest amüsant scheitern. Interessiert es denn keinen, wie licht die Haare unter seiner legendären Schiebermütze sind? Ob Lemke tatsächlich im alten Schumann's Hausverbot genoß, weil er volltrunken an den Tresen gepinkelt haben soll? Und wie viel Rente der 69-Jährige erhält?
Einen Rentenanspruch wird er sich doch sicher aufgebaut haben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren, als er eben keineswegs als Filmguerilla low-budget arbeitete, sondern noch als gut bestallter Lohnregisseur. Die Cameo-Auftritte Horatius Haeberles und Michael Graeters im „Schmutzigen Süden“ sind eine kleine Reminiszenz an diese Ära.
1987, bei „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) war ich auch mal vorübergehend mit im Lemke-Team. Es war wohl der erste seiner wirklich schlechten Filmen, wenn auch noch als großes Kino angelegt. Allein ich erhielt für die PR-Betreuung um die 10.000 Mark, an der Kamera stand Lothar Elias Stickelbrucks und für die Hauptrolle hatte man den holländischen Star Huub Stapel eingekauft. Ihn als männliche Hauptfigur umgarnte – ähnlich wie im „Schmutzigen Süden“ – ein weibliches Dreigestirn, die Türsteherin Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, das persische Model Jasmin Zadeh und – als einzige Profischauspielerin – Dolly Dollar (Christine Zierl).
Wie es sich für die achtziger Jahre gehört, habe ich nur noch recht verschwommene Erinnerungen an die Dreharbeiten: Eingeprägt hat sich mir kein Bild vom Regisseur am Set, sondern wie Lemke nachts mit Produzent Hanno Schilf den Boden des Produktionsbüros nach einem verloren gegangenen Piece absucht. Autor Micha Lampert erschien zu den Scriptbesprechungen im Bella Italia immer mit einem Baseballschläger, weil das Multitalent gerade auch in einen Zuhälterkrieg verwickelt war. Jasmin Zadeh vertrug keinen Alkohol, weshalb ich als PR-Mann alter Schule sie ständig begleiten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß sie bereits nachmittags mit Champagnerflöten um sich schmiß oder nach einer Nacht im P1 die Tür der Wohnung eintrat, die sie für einen auf Ibiza weilenden Barkeeper hütete, weil sie den Schlüssel nicht finden konnte. Der Standfotograf bewarb sich um seinen Job, indem er mir Bilder einer minderjährigen Nackten am Starnberger See vorlegte. Und finanziert hat das ganze Chaos ein Großgrundbesitzer aus dem Münchner Umland, der sonst eher auf Pferde setzte.
Im Grunde sollte Klaus Lemke keine Filme mehr drehen, sondern sein eigenes Leben verfilmen lassen. Stoff genug gäbe es.
Updates:
Mehr von mir zu Huub Stapel und den Dreharbeiten von „Zockerexpress“.
„Film muss noch nicht mal gut sein“ – Lemkes „Hamburger Manifest“.
Lemke und ich auf Radio m94,5 zum Hamburger Manifest.
Sonntag, 15. August 2010
Berliner Boulevard at it's best – die schrägsten Zeitungsschürzen der 90er Jahre
Bei uns in München stand die „BILD“-Zeitung schon immer im Schatten der großen Boulevardschwestern „tz“ und „Abendzeitung“, aber als ich in den achtziger Jahren das erste Mal nach Westberlin zog, war ich doch überrascht, wie viel unbedeutender Deutschlands größte Tageszeitung dort war. Im Grunde nicht mehr als ein Wurmfortsatz im Springer-Konzern, der an der Spree mit der „BZ“ den Boulevard beherrschte. (Die „Bild am Sonntag“ gab's in Berlin bis zum Mauerfall sogar überhaupt nicht, um die Sonntagsausgabe der „Berliner Morgenpost“ zu schützen.)
Nach der Wende setzten dann Aboblätter wie der „Tagesspiegel“ (Giovanni di Lorenzo, Hellmuth Karasek!) oder die „Berliner Zeitung“ (Erich Böhme, Michael Maier, der Traum von der „deutschen Washington Post“) vorübergehend auf eine Qualitätsofffensive, aber die „BILD“ hatte nun neben der altverhaßten „BZ“ auch noch weitere Konkurrenten: den im Ostteil der Stadt übermächtigen „Berliner Kurier“ sowie – wenn auch nur etwas über ein Jahr lang – die von Burda verbrochene „Super!“ („Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“).
Nun kläffen kleine Köter gern besonders laut, wie man an den Schlagzeilen sieht, mit denen die „BILD“ in den neunziger Jahren sich vor allem gegen den hauseigenen Konkurrenten profilieren und die Berliner Käufer locken wollte. Manches klingt, als wären die Redakteure beim Titeln mit dem Kopf gegen den Balken geknallt.
Der Fotograf Henrik Jordan, mit dem ich Mitte der neunziger Jahren für den „Tagesspiegel“ unterwegs war, sammelte die schönsten Zeitungsschürzen der „BILD“ und „BZ“ und veröffentlicht sie jetzt nach und nach auf Facebook. Hier eine Auswahl.
Nach der Wende setzten dann Aboblätter wie der „Tagesspiegel“ (Giovanni di Lorenzo, Hellmuth Karasek!) oder die „Berliner Zeitung“ (Erich Böhme, Michael Maier, der Traum von der „deutschen Washington Post“) vorübergehend auf eine Qualitätsofffensive, aber die „BILD“ hatte nun neben der altverhaßten „BZ“ auch noch weitere Konkurrenten: den im Ostteil der Stadt übermächtigen „Berliner Kurier“ sowie – wenn auch nur etwas über ein Jahr lang – die von Burda verbrochene „Super!“ („Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“).
Nun kläffen kleine Köter gern besonders laut, wie man an den Schlagzeilen sieht, mit denen die „BILD“ in den neunziger Jahren sich vor allem gegen den hauseigenen Konkurrenten profilieren und die Berliner Käufer locken wollte. Manches klingt, als wären die Redakteure beim Titeln mit dem Kopf gegen den Balken geknallt.
Der Fotograf Henrik Jordan, mit dem ich Mitte der neunziger Jahren für den „Tagesspiegel“ unterwegs war, sammelte die schönsten Zeitungsschürzen der „BILD“ und „BZ“ und veröffentlicht sie jetzt nach und nach auf Facebook. Hier eine Auswahl.
Samstag, 14. August 2010
Wochenplan
Die Antwoord / Crux, Pressevorführungen „Expendables“, „Banksy – Exit Through The Gift Shop“, „Das Ende ist mein Anfang“, „Buried“ und Sofia Coppolas „Somewhere“, „Popstars – Girls forever“ / Pro Sieben, Pressekonferenz „Die drei Musketiere“ / Bayerischer Hof
(Foto: Vark1/flickr)
(Foto: Vark1/flickr)
Freitag, 13. August 2010
Chipkarte für Kinder: Mehr Schein als Sein?
Bei der Diskussion um die Einführung einer Chipkarte für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern wird derzeit in vielen Medien (heute, „Süddeutsche Zeitung“, update: „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) die Familienkarte der Stadt Stuttgart hochgejubelt.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.
Sightwalk: Streetview mit ungepixelter Dorin-View
Während wir alle – die einen freudig, die anderen empört – dem Deutschlandstart von Google Streetview entgegensehen, ist Mitbewerber Sightwalk längst online.
Und wie es der Zufall so will, finde ich bei einer spontanen Suche nach dem Barer 61, auch bekannt als Popas Büro, prompt mich selbst abgeschossen. Mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt.
Updates:
Turi2
„6 vor 9“ im Bildblog
Und wie es der Zufall so will, finde ich bei einer spontanen Suche nach dem Barer 61, auch bekannt als Popas Büro, prompt mich selbst abgeschossen. Mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt.
Updates:
Turi2
„6 vor 9“ im Bildblog
Donnerstag, 12. August 2010
Mittwoch, 11. August 2010
Allerleihrauh – L.A. Crash
Einsamkeit, Armut, Krankheit, Heimatlosigkeit: wie der Schmerz in all seinen Facetten bis ins 21. Jahrhundert überlebt hat, sich – kaum stillbar – allen Fortschritten und jeder Betäubung verweigert, hat Paul Haggis in seinem Drehbuch zu Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ als lange Reise durch die Nacht erzählt.
Für sein sagenhaft kühnes Regiedebüt „L.A. Crash“ wechselt er nun vom stillen Passionsweg aufs grelle Autobahnkreuz. Los Angeles County, wie man es zu kennen glaubt: Drive-by-shootings und Hollywood-Galas, Chinatown und LAPD, Luxusvillen und Raubüberfälle, Rathausintrigen und Rassenkonflikte, eine von Zelluloidstreifen und Fernsehrauschen seit Jahrzehnten genährte Märchenkulisse, der Haggis ein neues Kleid aus schimmerndem Rauhreif überzieht.
Dort, wo sonst scheinbar stets die Sonne strahlt, wird es schneien, so wie zuletzt am 8. Februar 1989. Doch bevor sich El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles del Río de Porciúncula in Schneeweißchen verwandelt, zeigt uns ein mitreißendes Darstellerensemble (Matt Dillon, Sandra Bullock, Ryan Philippe, Jennifer Esposito, Don Cheadle, Brendan Fraser u.v.a.) 36 Stunden in Los Angeles, das hier keine Stadt, sondern ein Zustand aus Vorurteilen, Aggression und Sprachlosigkeit ist. (Wobei Haggis' große Kunst darin besteht, diese Hoffnungslosigkeit beschwingt, beherzt und mit so viel Humor zu erzählen, daß er den Fallen der political correctness entgeht.)
„Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Gehen angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glasbarrieren. Ich denke, die Leute vermissen die Berührungen so sehr, daß sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.“ Bereits in den Eröffnungssätzen des Films liegt der erste Geniestreich, denn mit der Schimäre der kalifornischen Autostadt werden wir eingelullt und wähnen uns als Unbeteiligte auf Sightseeing-Tour.
Amerika scheint weit weg mit seinen Highways und dem babylonischen Gewirr aus Amerikanisch, Spanisch, Persisch, Mandarin, Koreanisch und sehr vielen Vorurteilen. Bis die Front plötzlich nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß, Alteingesessenen und Einwanderern, sondern auch zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, zwischen Brüdern, Kollegen, Liebenden verläuft. Haggis hält uns allen einen Spiegel vor. Den fremdelnden, nur auf ihr Wohl bedachten Menschen, die sich selbst den Vorurteilen ausliefern und in ihrer egoistischen Wut zusehends erstarren, bis sie sich nicht mehr untereinander verständigen können, selbst wenn sie eine Sprache teilen.
Natürlich steht Haggis mit diesem filigranen Meisterwerk in der Tradition von Robert Altmans „Short Cuts“ und Paul Thomas Andersons „Magnolia“, aber noch viel mehr in der Linie der großen Märchen und Sagen, denn seine Geschichte vom Leben und Sterben in Los Angeles ist nicht nur ziemlich konstruiert, sondern ein im positiven Sinne dreistes wie sorgfältiges Geflecht, das alle Beteiligten nicht nur miteinander verknüpft, sondern ohne Rücksicht auf Zufall und Wahrscheinlichkeit die Guten zum Bösen verführt und die Bösen zum Guten bekehrt. Aber von Rotkäppchen, Scheherazade und Däumelinchen haben wir uns ja auch hemmungslos verzaubern lassen, ohne besserwisserisch nach Plausibilität zu fragen.
Dieser Text erschien zuerst im „In München“ 2005
(Foto: ARD)
Für sein sagenhaft kühnes Regiedebüt „L.A. Crash“ wechselt er nun vom stillen Passionsweg aufs grelle Autobahnkreuz. Los Angeles County, wie man es zu kennen glaubt: Drive-by-shootings und Hollywood-Galas, Chinatown und LAPD, Luxusvillen und Raubüberfälle, Rathausintrigen und Rassenkonflikte, eine von Zelluloidstreifen und Fernsehrauschen seit Jahrzehnten genährte Märchenkulisse, der Haggis ein neues Kleid aus schimmerndem Rauhreif überzieht.
Dort, wo sonst scheinbar stets die Sonne strahlt, wird es schneien, so wie zuletzt am 8. Februar 1989. Doch bevor sich El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles del Río de Porciúncula in Schneeweißchen verwandelt, zeigt uns ein mitreißendes Darstellerensemble (Matt Dillon, Sandra Bullock, Ryan Philippe, Jennifer Esposito, Don Cheadle, Brendan Fraser u.v.a.) 36 Stunden in Los Angeles, das hier keine Stadt, sondern ein Zustand aus Vorurteilen, Aggression und Sprachlosigkeit ist. (Wobei Haggis' große Kunst darin besteht, diese Hoffnungslosigkeit beschwingt, beherzt und mit so viel Humor zu erzählen, daß er den Fallen der political correctness entgeht.)
„Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Gehen angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glasbarrieren. Ich denke, die Leute vermissen die Berührungen so sehr, daß sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.“ Bereits in den Eröffnungssätzen des Films liegt der erste Geniestreich, denn mit der Schimäre der kalifornischen Autostadt werden wir eingelullt und wähnen uns als Unbeteiligte auf Sightseeing-Tour.
Amerika scheint weit weg mit seinen Highways und dem babylonischen Gewirr aus Amerikanisch, Spanisch, Persisch, Mandarin, Koreanisch und sehr vielen Vorurteilen. Bis die Front plötzlich nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß, Alteingesessenen und Einwanderern, sondern auch zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, zwischen Brüdern, Kollegen, Liebenden verläuft. Haggis hält uns allen einen Spiegel vor. Den fremdelnden, nur auf ihr Wohl bedachten Menschen, die sich selbst den Vorurteilen ausliefern und in ihrer egoistischen Wut zusehends erstarren, bis sie sich nicht mehr untereinander verständigen können, selbst wenn sie eine Sprache teilen.
Natürlich steht Haggis mit diesem filigranen Meisterwerk in der Tradition von Robert Altmans „Short Cuts“ und Paul Thomas Andersons „Magnolia“, aber noch viel mehr in der Linie der großen Märchen und Sagen, denn seine Geschichte vom Leben und Sterben in Los Angeles ist nicht nur ziemlich konstruiert, sondern ein im positiven Sinne dreistes wie sorgfältiges Geflecht, das alle Beteiligten nicht nur miteinander verknüpft, sondern ohne Rücksicht auf Zufall und Wahrscheinlichkeit die Guten zum Bösen verführt und die Bösen zum Guten bekehrt. Aber von Rotkäppchen, Scheherazade und Däumelinchen haben wir uns ja auch hemmungslos verzaubern lassen, ohne besserwisserisch nach Plausibilität zu fragen.
Dieser Text erschien zuerst im „In München“ 2005
(Foto: ARD)
Montag, 9. August 2010
Wochenplan
„Johnny Cash at Folsom Prison“ / BR III, Sundowner with Ayzit Bostan and Mirko Hecktor / Goldene Bar, Patrick Mohr X DJ Hell T-Shirt Presentation / Puerto Giesing, Presse-vorführungen Anton Corbijns „The American“ und „Guru“
Samstag, 7. August 2010
Ausverkauf einer zählebigen Freundschaft
Was könnte noch intimer sein als die Widmung, die ein Schriftsteller einer Schönen in sein Buch kritzelt? Die einem wichtigen Literaturkritiker gewidmeten Zeilen, mit denen der hoffnungsvolle Autor aus der Flut der Neuerscheinungen auftauchen oder vielleicht auch nur einem alten Freund Verbundenheit demonstrieren will. Breyten Breytenbach in fehlerhaftem Deutsch, Günter Grass in „zählebiger Freundschaft“. Im Antiquariat Frank Albrecht verschachert Fritz J. Raddatz derzeit Widmungsexemplare von Autoren wie Adorno, Kästner oder Zuckmayer zum Stückpreis von 10 bis 150 Euro („Ratenzahlung möglich“).
„Sich von Büchern trennen, das ist, als würfe man Brot weg. Sich von signierten Büchern trennen, das ist, als verriete man Freunde. Ist doch eine Zueignung auch Zeichen der Zuneigung. Die Bücher, die mir im Laufe meines langen Lebens gewidmet wurden, sollten mich ja auch streicheln. Fast immer sind es Zeilen von Freunden, der Freundschaft. Beides haftet in der Erinnerung.“ Dennoch ordnet der Feuilletonveteran mit dem Ausverkauf offenbar seinen Nachlaß. „Man soll geliebte Bücher in andere Hände weitergeben, hoffend, es werden behütende sein, Hände von Buchnarren und Lesern, die sie nun in ihren Schutz nehmen wollen.“
Im Katalog (pdf-Download) sind leider zwischen vielen amazonesken Coverabbildungen nur wenige Autographen vom Vorsatzblatt abgebildet.
„Sich von Büchern trennen, das ist, als würfe man Brot weg. Sich von signierten Büchern trennen, das ist, als verriete man Freunde. Ist doch eine Zueignung auch Zeichen der Zuneigung. Die Bücher, die mir im Laufe meines langen Lebens gewidmet wurden, sollten mich ja auch streicheln. Fast immer sind es Zeilen von Freunden, der Freundschaft. Beides haftet in der Erinnerung.“ Dennoch ordnet der Feuilletonveteran mit dem Ausverkauf offenbar seinen Nachlaß. „Man soll geliebte Bücher in andere Hände weitergeben, hoffend, es werden behütende sein, Hände von Buchnarren und Lesern, die sie nun in ihren Schutz nehmen wollen.“
Im Katalog (pdf-Download) sind leider zwischen vielen amazonesken Coverabbildungen nur wenige Autographen vom Vorsatzblatt abgebildet.
Sonntag, 1. August 2010
Wochenplan
Dirndlflugtag / Undosa, Pressevorführungen „Der kleine Nick“, „Das A-Team“, „Ich & Orson Welles“, „SALT“ und „Ondine“
Samstag, 31. Juli 2010
Chatter und andere Schreibtischtäter
Ein aktuelles Entertainmentformat voller Stars, über die man respektlos, frech berichtet. Als Zielgruppe die junge, mobile, aus Chats und SMS prägnante Kürze gewohnte Generation, der die „Bunte“ mit ihrer – vielleicht noch den Wartezeiten beim Friseur und Arzt geschuldeten – seitenlangen Psychologisiererei zu behäbig ist. Wir waren entschlossen die junge „Bunte“ zu stemmen, wie so viele vor und nach uns.
Doch in Druck ging es nie, was da in den Berliner Räumen der Burda-Tochter STARnetONE im Sommer 2001 unter Philipp Welte entwickelt worden war. Obwohl „whow“, primär ein tagesaktuelles Entertainmentformat im Internet, aber mit glossy Magazin-Look, keineswegs nur online erscheinen, sondern von Anfang an um einen Print-Ableger erweitert werden sollte. Für das papierne Spin-off hatte man mich aus München nach Berlin geholt und dann erst einmal beim Webformat geparkt.
Es war eine denkwürdige Erfahrung, das erste Mal, daß ich einen Redaktionsbetrieb erlebte, der aus sich selbst schöpfte und vor allem in sich selbst ruhte. Man recherchierte nicht vor Ort, traf sich nicht mit Stars, traute sich kaum aus der Redaktion heraus, allein schon, weil dafür gar keine Zeit vorgesehen war. Stattdessen flöhte man das Internet und produzierte täglich zwei Dutzend Geschichten am Schreibtisch, den man höchstens mal verließ, wenn man ausnahmsweise ein Telefoninterview arrangiert hatte und es in Ruhe führen wollte. Dann wich man vom Großraumbüro der Redaktion ins Obergeschoß aus, in Weltes Büro, der kein Schreibtischtäter war, weshalb es öfters leer stand. Dort, zwischen dem Silver-Surfer-Flipper und einer Silver-Surfer-Originalzeichnung holte ich mir dann vielleicht ausnahmsweise einen O-Ton. Schließlich waren wir multimedial, dann wollte so eine Sounddatei auch mal produziert werden.
Während Tom Kummer bei seinem Borderline-Journalismus zumindest noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er hätte die Hollywood-Größen face to face interviewt, begann mit „whow“ die Ära der schnoddrigen Schreibtischtäter, die im Grunde auch nicht näher als ihre Leser an den Stars saßen, auch nicht viel mehr wußten, das Halbwissen aus Angelesenem und Angedichtetem höchstens vielleicht pointierter formulieren konnten.
Natürlich kam es auch schon früher im analogen Redaktionsalltag vor, daß man mit Dinosauriern wir Gerald Büchelmaier um einen Leuchttisch saß, das Bildmaterial der Agenturen sichtete und dann in der Bildunterschrift mutig drauflos schwadronierte, irgendeine Nachricht zu einem Foto erfand, immer im Vertrauen darauf, daß der Leser alles glaube, was gedruckt wird – oder sich zumindest gut unterhalten fühlt.
Heute böte das Internet nun die Möglichkeit, zu googeln, ob ein vermeintliches Exklusivinterview tatsächlich geführt oder nur aus bereits veröffentlichten Beiträgen anderer zusammenkopiert worden ist, bei unzureichend beschrifteten Paparazzifotos nachzurecherchieren, ob das nun ein Schnappschuß aus Malibu oder Saint-Tropez ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ein aktuelles oder doch nur veraltetes Bild ist.
Doch statt das Internet als ergänzendes Hilfsmittel zu sehen, als weitere Instanz, neben der Zusammenarbeit aus Freelancern, Korrespondenten, Agenturen und Redakteuren, neben der Vor-Ort-Recherche, neben Interviews und der Basisarbeit des Sich-Herumtreibens, dem mehr vom Zufall gesteuerten denn planvollen Sammeln und Jagen, wird zunehmend ausschließlich am Rechner recherchiert, und das nicht nur bei Heften wie „Chatter“, wo Borderline Redaktionsstatus zu haben scheint.
Als die „Süddeutsche Zeitung“ neulich den Agentur-Veteranen Mort Rosenblum (Associated Press) porträtierte, zitierte sie seine Sorge, die Redaktionen erlägen dem Irrglauben, „dass man von diesen Korrespondenten nicht mehr so viele braucht in Zeiten des Internets, die Redakteure können doch alle am Schreibtisch recherchieren.“
Der Schreibtischtäter ist gerade im tagesaktuellen Geschäft ein herrlich effizienter Journalist, an seinen Computer gekettet, und das im Idealfall sogar aus eigenen Stücken. „Die jungen Leute gehen nicht mehr vor Ort, weil sie sich in den Laptop verliebt haben“, bemängelte Michael Graeter („Abendzeitung“) neulich auf der Tagung „Boulevard – jein danke“, „die machen alles vom Schreibtisch aus. Selbst bei mir im Haus gibt es Leute, die sind noch nie außerhalb vom Rundfunkplatz 4 gesehen worden“.
Doch noch ist der Leser schlauer als so mancher Geschäftsführer oder Chefredakteur. „Whow“ fand selbst im Internet kaum Anklang und wurde bald abgewickelt. „Chatter“ verkaufte von der ersten Ausgabe nicht einmal die Hälfte der den Anzeigenkunden versprochenen Garantieauflage und bei der ums Überleben kämpfenden „Abendzeitung“ hat man ein Frontschwein wie Graeter den Schreibtischtätern zu Seite gestellt.
Doch in Druck ging es nie, was da in den Berliner Räumen der Burda-Tochter STARnetONE im Sommer 2001 unter Philipp Welte entwickelt worden war. Obwohl „whow“, primär ein tagesaktuelles Entertainmentformat im Internet, aber mit glossy Magazin-Look, keineswegs nur online erscheinen, sondern von Anfang an um einen Print-Ableger erweitert werden sollte. Für das papierne Spin-off hatte man mich aus München nach Berlin geholt und dann erst einmal beim Webformat geparkt.
Es war eine denkwürdige Erfahrung, das erste Mal, daß ich einen Redaktionsbetrieb erlebte, der aus sich selbst schöpfte und vor allem in sich selbst ruhte. Man recherchierte nicht vor Ort, traf sich nicht mit Stars, traute sich kaum aus der Redaktion heraus, allein schon, weil dafür gar keine Zeit vorgesehen war. Stattdessen flöhte man das Internet und produzierte täglich zwei Dutzend Geschichten am Schreibtisch, den man höchstens mal verließ, wenn man ausnahmsweise ein Telefoninterview arrangiert hatte und es in Ruhe führen wollte. Dann wich man vom Großraumbüro der Redaktion ins Obergeschoß aus, in Weltes Büro, der kein Schreibtischtäter war, weshalb es öfters leer stand. Dort, zwischen dem Silver-Surfer-Flipper und einer Silver-Surfer-Originalzeichnung holte ich mir dann vielleicht ausnahmsweise einen O-Ton. Schließlich waren wir multimedial, dann wollte so eine Sounddatei auch mal produziert werden.
Während Tom Kummer bei seinem Borderline-Journalismus zumindest noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er hätte die Hollywood-Größen face to face interviewt, begann mit „whow“ die Ära der schnoddrigen Schreibtischtäter, die im Grunde auch nicht näher als ihre Leser an den Stars saßen, auch nicht viel mehr wußten, das Halbwissen aus Angelesenem und Angedichtetem höchstens vielleicht pointierter formulieren konnten.
Natürlich kam es auch schon früher im analogen Redaktionsalltag vor, daß man mit Dinosauriern wir Gerald Büchelmaier um einen Leuchttisch saß, das Bildmaterial der Agenturen sichtete und dann in der Bildunterschrift mutig drauflos schwadronierte, irgendeine Nachricht zu einem Foto erfand, immer im Vertrauen darauf, daß der Leser alles glaube, was gedruckt wird – oder sich zumindest gut unterhalten fühlt.
Heute böte das Internet nun die Möglichkeit, zu googeln, ob ein vermeintliches Exklusivinterview tatsächlich geführt oder nur aus bereits veröffentlichten Beiträgen anderer zusammenkopiert worden ist, bei unzureichend beschrifteten Paparazzifotos nachzurecherchieren, ob das nun ein Schnappschuß aus Malibu oder Saint-Tropez ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ein aktuelles oder doch nur veraltetes Bild ist.
Doch statt das Internet als ergänzendes Hilfsmittel zu sehen, als weitere Instanz, neben der Zusammenarbeit aus Freelancern, Korrespondenten, Agenturen und Redakteuren, neben der Vor-Ort-Recherche, neben Interviews und der Basisarbeit des Sich-Herumtreibens, dem mehr vom Zufall gesteuerten denn planvollen Sammeln und Jagen, wird zunehmend ausschließlich am Rechner recherchiert, und das nicht nur bei Heften wie „Chatter“, wo Borderline Redaktionsstatus zu haben scheint.
Als die „Süddeutsche Zeitung“ neulich den Agentur-Veteranen Mort Rosenblum (Associated Press) porträtierte, zitierte sie seine Sorge, die Redaktionen erlägen dem Irrglauben, „dass man von diesen Korrespondenten nicht mehr so viele braucht in Zeiten des Internets, die Redakteure können doch alle am Schreibtisch recherchieren.“
Der Schreibtischtäter ist gerade im tagesaktuellen Geschäft ein herrlich effizienter Journalist, an seinen Computer gekettet, und das im Idealfall sogar aus eigenen Stücken. „Die jungen Leute gehen nicht mehr vor Ort, weil sie sich in den Laptop verliebt haben“, bemängelte Michael Graeter („Abendzeitung“) neulich auf der Tagung „Boulevard – jein danke“, „die machen alles vom Schreibtisch aus. Selbst bei mir im Haus gibt es Leute, die sind noch nie außerhalb vom Rundfunkplatz 4 gesehen worden“.
Doch noch ist der Leser schlauer als so mancher Geschäftsführer oder Chefredakteur. „Whow“ fand selbst im Internet kaum Anklang und wurde bald abgewickelt. „Chatter“ verkaufte von der ersten Ausgabe nicht einmal die Hälfte der den Anzeigenkunden versprochenen Garantieauflage und bei der ums Überleben kämpfenden „Abendzeitung“ hat man ein Frontschwein wie Graeter den Schreibtischtätern zu Seite gestellt.
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