Freitag, 20. Februar 2009

Davorka Tovilo: Agitprop statt roter Teppich

Daß Premierenluder Davorka Tovilo alles andere als dumm ist, habe ich schon oft genug wiederholt. Daß sie jetzt aber ihre handfesten Argumente nutzt, um nicht nur für sich selbst, sondern für eine gute Sache zu werben, hat sie gestern in der Maximilianstraße bewiesen. Im Rahmen der Anti-Pelz-Kampagne von Peta zog sie mit zwei Peta-Bunnies vor der Armani-Boutique blank.

Alle Beiträge zu Davorka Tovilo

(Foto: peta.de)

Die Revolution – jetzt mit Homepage!

Freitag, 13. Februar 2009

Aktenzeichen II 1 - 3e06.30 ungelöst oder:
Das Exit-Polls-Projekt 2009

Nirgendwo wird so konsequent gelogen wie bei Statistiken. Aber Wahlprognosen toppen es locker, wenn auch nicht bei den Zahlen, sondern beim Drumherum. Wenn ich nun drei Wochen lang zu dem Thema geschwiegen habe, bedeutet das keineswegs, daß ich es beiseite gelegt hätte. Schließlich haben wir ein „Superwahljahr“ (ZDF) – und wenn ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender dieses „Jahr der Richtungswahlen“ als „Jahr der Realitäten und der Wahrheiten“ plant, will ich nicht nachstehen.

Die Ausgangssituation: Aus Exit Polls, Wahlnachfragen resultierende Prognosen dürfen in Deutschland nicht vor Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden.
Fakt: Aufgrund eines politischen wie journalistischen Gewohnheitsrechts zirkulieren diese Prognosen dennoch bereits Stunden vorher in den Redaktionen und Parteien, oder um XXXX einen Kollegen zu zitieren: „Einige Medien (und im Übrigen auch Politiker) bekommen vertraulich aber schon früher die Prognosen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen.“ (Updates: Der zitierte Kollege bat im Nachhinein, seinen Namen zu verschweigen, denn: „Ein bisschen heikles Thema. Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie auch mich bitte nicht öffentlich zitieren.“ Er könne schließlich nicht offiziell für seine Zeitung sprechen.)
Kurios: Die meisten Beteiligten leugnen das hartnäckig.

Nun kannte offenbar bild.de bei der Hessenwahl am 18. Januar nicht nur eine Wahlprognose, sondern veröffentlichte diese unglücklicherweise bereits vor Schließung der Wahllokale. Der hessische Landeswahlleiter sieht aber nicht zwingend eine Ordnungswidrigkeit, da schließlich die validen Exit Polls zu der Zeit gar nicht verfügbar gewesen wären. Die Forschungsgruppe Wahlen gestand dann aber, daß sie den Tag über ihre exklusiv fürs ZDF erarbeiteten Zahlen mit Politikern austauscht und ausgewählten Journalisten vor Schließung der Wahllokale zur Verfügung stellt. Das ZDF will davon nichts gewußt haben. Bei der ARD ist nach ersten Dementis noch ein Gespräch mit dem Wahlexperten Jörg Schönenborn anhängig, die exklusiv für sie tätigen Wahlforscher von infratest dimap haben aber bisher jeden Informationsfluß abgestritten und äußern sich nicht mehr in der Sache (BILDblog, Tivoli-Blog 1, 2, 3).

Wer weiß wann was – und warum bestreiten dies alle auf erste Nachfrage und knicken erst später ein? Mit diesem Mantra widme ich mich in den kommenden Monaten vergangenen Wahlen und den bevorstehenden Urnengängen am 7. Juni (Europawahl), 30. August (Saarland, Sachsen, Thüringen) und 27. September (Bundestag, Brandenburg).

Zwischenzeitlich hat mir der hessische Landeswahlleiter am 5. Februar bestätigt, daß er unter dem Aktenzeichen II 1 - 3e06.30 prüft, „ob der Vorgang Veranlassung gibt, ein förmliches Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. (...) Ich weise nochmals darauf hin, dass eine Ordnungswidrigkeit nur dann vorliegt, wenn es sich um die Veröffentlichung von 'Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe' handelt. Meine diesbezügliche Anfrage hat BILD digital bisher nicht beantwortet.“

Updates: Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren. Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.

Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.

Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.

Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.

Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).


(Grafik: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen)

Mittwoch, 11. Februar 2009

Neues von der Medienhure

Ob die „Süddeutsche Zeitung“ oder Frauen, sie lügen nie, sie brauchen nur manchmal etwas länger. Als ich im Oktober auf der Pressebegehung der Kandinsky-Ausstellung im Kunstbau war, bat mich die „SZ“-Fotografin Alessandra Schellnegger vor einem Bild zu posieren. „Morgen ist das dann in der Zeitung.“ War aber nicht. Und mein von den Medien geschundenes Herz ein weiteres Mal zerborsten. Bis mich Münchens zweitschönste Frau heute darauf aufmerksam machte, daß der Aufmacher des Lokalteils wohl ich heute sei. Stimmt!

Samstag, 7. Februar 2009

Donnerstag, 5. Februar 2009

Starpraktikant auf Sonntagnachmittag abgeschoben

Am 15. März startet auf Vox der „Starpraktikant“ und zeigt mit seinem Sendeplatz, sonntags um 17.15 Uhr, wie hochkarätig diese Castingshow sein muß. Mit dabei in einer späteren Folge: Natürlich „InStyle“.

Update: Die „InStyle“-Folge wird am Sonntag, dem 22. März 2009, um 17.15 Uhr auf Vox ausgestrahlt werden.

Freitagsgeschwalle

Der neue „Freitag“ ist da, ein, nein „das Meinungsmedium“. Auf den ersten Blick häßlich-sexy, beim Durchblättern auffallend humorlos und in seinem Tonfall irgendwo zwischen Kirchentag und Kaffeekränzchen. Die Vorspänne killen alles – wer will da noch weiterlesen?

„Wir haben uns zurückgehalten und die Amerikaner haben konsumiert. Jetzt ist Zeit, die Staatsausgaben anzukurbeln, die Löhne zu steigern, und die Reichen zu besteuern!“

„Budapest, Leninring 101 – oder wie man sich im Wandel einrichtet“

„Klaus Wowereit eröffnet das 'Gedenkjahr 20 Jahre Mauerfall' und ein Mann mit Baskenmütze erklärt die Synthese aus Ost und West“

„Bisher war der soziale Protest rein verbal. Zögerlich erreicht die Kapitalismuskritik nun auch die Straße. Ob daraus eine Bewegung wird?“

„Das Mutterland des Kapitalismus steht unter Schock – auch das zweite Rettungspaket wird daran wenig ändern“

„Das Wahlvolk hat sich auf der Tribüne eingerichtet. Nur wenn es auch die Arena betreten darf, bekommt die Politik im Netz den nötigen Schwung“

„Das Kino ist schon oft gestorben. Am prächtigsten in Breitwand-Filmen, denen die Retrospektive gewidmet ist“

„Die Hamburger Kunsthalle hat mit der Ausstellung 'Man 9196 Son' einen Post-68er-Schreckenscocktail angerührt. Reizvoll und problematisch zugleich“

Mittwoch, 4. Februar 2009

Willkommen in der Medienhölle

Nichts gegen den morgen startenden „Frost/Nixon“, einen wirklich herausragenden Film, aber der darin porträtierte Star-Talker David Frost ist nun wirklich keine sonderlich sympathische Person, wie Peter Morgans Stück ebenso wie Ron Howards Verfilmung durchblicken lassen. Die Jungs von Monty Python hatten länger das Vergnügen, mit dem gänzlich unbescheidenen Fernsehmacher zusammenarbeiten zu dürfen, und haben ihm zum Abschied ein liebesvolles Porträt, „Timmy Williams Coffee Time“, gewidmet.

Update: Die „Süddeutsche“ vom 5. Februar über David Frost

Bumm Bumm Bäng Bäng

Die Geschichte von Radio Freies Europa ist auch eine Münchner Geschichte, im Guten wie im Bösen, denn mit all den rumänischen, polnischen, ungarischen, bulgarischen und tschechoslowakischen Mitarbeitern des Exilantensenders kamen auch die Geheimdienste, Bombenattentäter, Meuchelmörder und osteuropäischen Sippschaften an die Isar, deren Brut dann so wie ich dieser Stadt noch verhaftet blieben, als der Sender selbst bereits längst nach Prag weitergezogen und
sein weißer Flachbau am Englischen Garten in die Hand unschuldiger LMU-Studentinnen gefallen war. Heute abend strahlt nun arte um 21 Uhr Christian Bauers Dokumentation „Liebesgrüße nach Moskau – The Great Radio War: Radio Freies Europa und der kalte Krieg“ aus, die bereits während der Produktionszeit für viel Gerede sorgte. Ich habe sie noch nicht gesehen, aber die „Süddeutsche“ scheint beeindruckt.

(Fotos: BR/Richard H. Cummings)

Dienstag, 3. Februar 2009

GfK: Telefonterror aus dem Zufallsgenerator

Nichts gegen Marktforschung. In der Fußgängerzone stehe ich immer gern Rede und Antwort, im Internet gehöre ich dem einen oder anderen Verbraucherpanel an und immer, wenn meiner Lieblingslektüre ein Fragebogen beiliegt, fülle ich ihn gerne aus. Man tut was man kann, um die Konsumprodukte angeboten zu bekommen, die einen richtig befriedigen.
Das gilt aber nicht für die unverlangten Anrufe, die womöglich auch noch mit unterdrückter Rufnummer erfolgen. An einem Sonntag klingelte beispielsweise morgens mein Telefon und ein junger Mann wünschte mich zu Zwecken der Marktforschung zu befragen. Als ich ablehnte und ihn darum bat, meine Nummer aus seiner Datei zu löschen, gab er sich nicht etwa geschlagen, sondern wollte mir eine Rechtfertigung abpressen, warum ich dies denn wünsche.
Doch wie kommt der junge Mann von der Enigma-GfK überhaupt dazu mich anzurufen? Hatte ich womöglich bei dem einen oder anderen Gewinnspiel oder Panel dem zugestimmt? Also flugs das Institut angeschrieben und zur Antwort bekommen, daß sie mich tatsächlich ohne jede vorherige Einwilligung meinerseits telefonisch belästigt haben:
„Bei telefonischen Umfragen setzen wir ein Verfahren ein, das als Gabler-Häder-Verfahren bezeichnet wird. Dabei stellt der ADM allen seinen Mitgliedsunternehmen einmal im Jahr einen Pool von mehreren Millionen Telefonnummern zur Verfügung. Die Generierung des Pools erfolgt, indem zunächst alle eingetragenen Telefonnummern herangezogen werden.
Im nächsten Schritt werden die 2 Endziffern aller dieser Nummern sozusagen abgeschnitten und mit den Ziffern 00 bis 99 wieder ergänzt. So entstehen aus einer eingetragenen Nummer 100 neue. Im dritten Schritt werden alle mehrfach generierten Nummern, die sich durch dieses System ergeben bereinigt, so dass jede Nummer nur einmal im Pool vorhanden ist.
Aufgrund des beschriebenen Systems der Zufallsgenerierung sowie der computergestützten Anwahl dieser Nummern enthält der Nummernpool aber *keinerlei* weitere Informationen wie Name oder Adresse, so dass die Anonymität der Befragten auf jeden Fall gewährleistet ist.
Der ADM hat eine Sperrdatei eingerichtet, in welche sämtliche Telefonnummern von Befragten eingetragen werden, die erklärt haben nicht mehr zu Zwecken der Marktforschung kontaktiert werden zu wollen.
Jedes Mitglied des ADM (und wir sind Mitglied) gleicht vor Beginn einer neuen Studie seinen für die Erhebung zu verwendenden Nummernpool mit dieser Liste ab und nimmt alle heraus, die auf dieser Liste zu finden sind.“

Nun zeigt ein kurzer Check bei Wikipedia, daß solche Anrufe ohne vorherige Einwilligung in der Marktforschung verboten sind (während politische Meinugsforschungsinstitute es dürfen) und das OLG Köln hat im Dezember bestätigt, daß selbst telefonische Befragungen von Kunden – nicht Wildfremden –, auch zum Zwecke der Marktforschung, unzulässige Werbung wären (via Damm).
Von mir auf diese Rechtslage – und meine Tätigkeit als Journalist – hingewiesen, analysierte man vom Enigma-GfK-Server aus erst einmal meinen Blog und gab den Vorgang dann an das Mutterhaus ab: Abteilung Legal Services and Transactions.
Die GfK-Justiziarin Nina Gellichsheimer meint, daß die telefonische Befragung „ein unerlässliches Instrument der Datenbeschaffung“ sei, auf welches nicht verzichtet werden könne und „welches bereits seit mindestens Anfang der 60er Jahre praktiziert wird.“
„Etliche Gerichte stützen mit ihren Urteilen daher auch den Standpunkt der deutschen Marktforschungsinstitute, das Telefonanrufe zu Marktforschungszwecken nichts mit solchen (verbotenen) zu Verkaufszwecken zu tun haben.“
„Das in jüngster Vergangenheit nun gegen die Marktforschung ergangene Urteil des Landgerichts Hamburg ist noch kein letztinstanzliches und weist zudem nach Auffassung der deutschen Marktforscher sowie der Berufsverbände ADM und BVM erhebliche Begründungsschwächen auf.“

Da bin ich mal gespannt, ob die Richter der nächsten Instanz auch schwächeln... Meine Mitgliedschaft in allen GfK-Panels habe ich gekündigt. Aber da hätte ich wohl als Journalist auch nie mitmachen dürfen.

Update: Nachdem die GfK behauptete, das Hamburger Urteil sei noch nicht rechtskräftig, habe ich bei Anwalt Hans U. Geisler nachgefragt, der mir antwortete: „Unsinn. Nach inzwischen bundesweiter, einheitlicher Rechtsprechung sind solche Anrufe unzweifelhaft rechtswidrig, es besteht ein Unterlassungsanspruch. Hervorgetan hat sich dazu insbesondere das Kammergericht Berlin.“ Die Marktforscher hätten „bis heute nie wirklich verstanden, daß es gar nicht um Wettbewerbsrecht geht, sondern einfach um die Belästigung Dritter, also um schlichtes allgemeines Privatrecht, das hat mit dem UWG nichts zu tun.“

Auf diesen Widerspruch von mir angesprochen, hat die GfK bislang nicht reagiert.

„Der unerbetene Anruf eines Marktforschungsinstituts ist jedenfalls dann rechtswidrig, wenn Auftraggeber des Instituts ein Gewerbetreibender ist.“

Entscheidung des LG Berlin, 15. Zivilkammer, vom 6.Februar 2007, Aktenzeichen: 15 S 1/06

Montag, 2. Februar 2009

Einer, der es wissen könnte

„Ich halte die FAZ für die beste deutsche Tageszeitung. Sie hat viele Eigenschaften, die ich für den Freitag auch gern hätte. Sie verfügt über eine große innere Bandbreite, ist sehr experimentierfreudig und lebendig.“
Jakob Augstein, früher langjähriger leitender Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ und nunmehr Verleger des „Freitag“ in einem ihm gewidmeten Porträt im „journalist“ 2/09

Update zur ersten Ausgabe nach dem Relaunch als „Das Meinungsmedium“.

Alle Räder stehen still,
wenn Dein starker Arm es will

Sonntag, 1. Februar 2009

Kritisch subtiler Modejournalismus

V.i.S.d.P.: Ist auf der Fashion Week kritischer Modejournalismus noch möglich?
Petra Winter (Cosmopolitan): Ja, er ist grundsätzlich überall möglich. Wir kritisieren subtil, indem wir bestimmte Mode nicht fotografieren, die uns missfällt.“


Auch sonst ein wunderbar entlarvendes Interview, wie man es nicht besser parodieren könnte. (Link, pdf-Download)

Samstag, 31. Januar 2009

Aufgestrapste Süddeutsche Zeitung

Falls „Theater heute“ die Kategorie „Beste Nachwuchstitten“ kürt, wäre diese Abschlußproduktion der Bayerischen Theaterakademie weit vorne mit dabei. Schon die einstimmende Fotoausstellung im Foyer des ehemaligen Redaktionsgebäudes der „SZ“ lockt mit nackten Tatsachen. Dann folgt im ersten Akt zwar eine Abkühlung im Mind-Fucking dreier (echter) Feuilletonisten. Der weihrauchgeschwängerte Blick zurück dieser SZ-Weisen wird im zweiten Akt aber durch Sex, Lügen und Video abgelöst: Eine Vorahnung auf die zukünftigen Verhältnisse, wenn hier an der Sendlinger Straße mit den Luxuswohnungen die Besserverdienenden einziehen – samt Koks und Callgirls? Die wahren Nutten kommen aber erst im dritten Akt: Die Theaterabsolventen präsentieren Stage Branding, eine Eventstrategie, mit der Unternehmen „ihre Marke auf die Bretter, die die Welt bedeuten“, schicken können. Parodie? Ernst gemeinte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Das spielt an diesem unentschlossen mäandernden Theaterschülerabend keine Rolle mehr.

Update: Stephan Handels weit wohlwollendere Kritik in der „Süddeutschen“




Nur Stammgäste?

Als ich das erste Mal davon hörte, hielt ich es noch für einen Witz, aber die Strähnchenstrullerer vom Bash Club warnen an ihrer Salontür tatsächlich, daß der „Haarschnitt vorbehalten“ sei, die Friseure also nicht jedem Kunden den Schopf verunstalten.

Hütchen macht Löckchen Konkurrenz



Freitag, 30. Januar 2009

Ein Hauch von Welt im Univiertel

Vor ein paar Jahren hat die ehemalige Crazy-Horse-Tänzerin Gabriela Cortese mit den puppenhaften Papouches ihres Multikulti-Modelabels Antik Batik die Herzen der Moderedakteurinnen weltweit im Sturm erobert. Inzwischen ist die Klitsche im Pariser Marais deutlich gewachsen und eröffnet dieser Tage offenbar auch eine Boutique in der Münchner Türkenstraße 71. Da fühlt sich mein Univiertel gleich viel pariserischer an. Jetzt fehlt nur noch, daß Kapinski in seinem neuen T-Shirt durch die Straße läuft und „New York Herald Tribune“ krakeelt.

Todenhöfer chattet heute beim SZ-Magazin

Im aktuellen „SZ-Magazin“ geißelt Jürgen Todenhöfer den „Geisterkrieg“ des Westens gegen die Afghanen, Iraker, Iraner, Palästinenser und warnt gleichwohl vor den Diaspora-Terroristen, die längst unter uns seien: „Mit dem Internet haben sie ein ideales Kommunikationsinstrument. Hier erfahren sie aus aller Welt, warum und wie sie Bomben bauen sollen. Das Internet ist Hassprediger und Trainingslager in einem. Das »World Wide Web« gibt ihnen das Gefühl, trotz Anonymität Mitglied einer großen Bewegung zu sein. Die Bomben, die sie bauen, sind technisch anspruchslos, aber auch billig. Die Londoner U-Bahn-Anschläge 2005 kosteten gerade einmal 2000 Dollar. Es sind zweitklassige Waffen für zweitklassige Terroristen – die Antwort auf eine zweitklassige Politik des Westens.“

Unterm Strich zwar einer seiner deutlich schwächeren Texte, aber kontrovers genug für eine flotte Diskussion: Ab 16 Uhr ist Todenhöfer heute laut der Print-Ausgabe im Live-Chat des „SZ-Magazins“ online. Auf der Homepage konnte ich dazu noch keinen Hinweis, geschweige denn Link finden.

Update: Keine Vorankündigung online, dann nach Start kein Hinweis, wie lange der Chat dauern wird, das kann man sicher besser inszenieren, wenn man schon jemanden wie Jürgen Todenhöfer im Live-Chat hat...

(Foto: Verlagsgruppe Random House GmbH C. Bertelsmann Verlag)

Donnerstag, 29. Januar 2009

Turi2 vor Gericht

Vor zweieinhalb Wochen hatte ich mich gewundert, mit welcher Selbstverständlichkeit Mediendienste wie Turi2 oder Meedia öffentliche Adreßlisten plündern, um den dort aufgeführten Medienprofis ihren Newsletter unaufgefordert zuzusenden. Turi, der laut eigenen Angaben 20.700 Abonnenten hat, gestand mir unlängt, daß die „unaufgefordert Angeschriebenen rund ein Drittel aller Neuabos“ ausmachten. Nun hat einer der Kressköpfe sich juristisch dagegen gewehrt. Andreas Ludyk hat sich den Spam nicht einfach nur verbeten, sondern gleich seinen Anwalt in Marsch gesetzt. Zwar nahm ihn Turi2 dann auch aus dem Verteiler, weigerte sich aber, die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterschreiben sowie die gegnerischen Anwaltskosten zu übernehmen, weshalb es heute vormittag zu einem Gerichtstermin am Amtsgericht Wiesbaden (Aktenzeichen 92 C 37/09 - 12) kam. Mit dem Ergebnis, daß Peter Turi „auf Vorschlag der Richterin“ die gewünschte Unterlassungserklarung abgab, dem Kläger keine weiteren Mails zu schicken, und jetzt auch die Gerichtskosten zu tragen hat.

Manuelle Trackbacks: Telemedicus, Lanu

Mißbrauchtes Gemüse oder: das Super Tabu


'Veggie Love': PETA's Banned Super Bowl Ad

Machen's Vegetarier besser? Na, zumindest schmutziger. Denn PETA wollte diesen Werbespot während des Super Bowl am kommenden Sonntag ausstrahlen, aber der Sender NBC weigert sich.
Victoria Morgan, Vice President für Advertising Standards bei NBC Universal, bemängelte: „The PETA spot submitted to Advertising Standards depicts a level of sexuality exceeding our standards. Listed below are the edits that need to be made. Before finalizing the spot, we would like to view a Quicktime file as well as a DVD with high resolution.
  • :12- :13- licking pumpkin
  • :13- :14- touching her breast with her hand while eating broccoli
  • :19- pumpkin from behind between legs
  • :21- rubbing pelvic region with pumpkin
  • :22- screwing herself with broccoli (fuzzy)
  • :23- asparagus on her lap appearing as if it is ready to be inserted into vagina
  • :26- licking eggplant
  • :26- rubbing asparagus on breast“

Montag, 26. Januar 2009

DLD – zwischen Gedönsschal und Irokesen


Nur mal so dahingefragt: Nicht daß es wirklich wichtig wäre, aber trugen Steffi Czerny und der schöne Marcel gestern (und heute?) auf dem DLD dieselben Schals wie letztes Jahr, sind die zwischendurch gewaschen worden und kann mir irgendjemand verraten, was es mit diesen Gedönsschals auf sich hat?


Prokrastination sieht anders aus, lieber Sascha Lobo. Twittern Sie da gerade, bloggen oder sitzen Sie schon an Ihrem dritten Buch: „SPD 2.0 – Yes, the Baracke can change“?

(Fotos Ralph Orlowski und Sean Gallup/Getty Images for Burda Media)

Freitag, 23. Januar 2009

Petra, Patricia und die wilde 111

Nachdem ich schon länger nicht mehr über sie gebloggt habe, will ich doch zumindest mal wieder aktuelles Bildmaterial bringen. Daher hier zwei kleine Schnappschüsse vom gestrigen Schwarzkopf-Stehrumchen im Münchner Wappensaal. 111 Jahre ist nicht etwa das gemeinsame Alter der Chefredakteurinnen Patricia Riekel („Bunte“, „Amica“) und Petra Winter (formerly known as Petra Gessulat; „Cosmopolitan“), sondern das jubiläumsreife Alter der Haarchemiezauberer von Bunt- äh Schwarzkopf.


Patricia Riekel mit Manfred Krug


Petra Winter mit Eva Padberg, Franziska Knuppe und Armin Morbach

(Fotos: Miguel Villagran/Getty Images)

We can change

Nach erfolgreich durchgeführtem Anbieterwechsel bin ich ab sofort wieder unter meiner alten 0171er-Nummer mobil erreichbar, und nur unter dieser. Die anderen Mobilnummern ruhen im Winterschlaf.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Taugt ein Wahlgeheimnis zum Exit-Polls-Gate?

Wenn es für mich ein offenes Geheimnis gab, dann daß die Alphamännchen unter den Politikern an Wahltagen bereits lange vor Schließung der Wahllkokale erste Prognosen erhalten, wie auch die unter Zeitdruck arbeitende Tagespresse. Deshalb hielt ich am Sonntag noch das Vorpreschen von bild.de bei der Veröffentlichung erster Prognosen der hessischen Landtagswahl für den eigentlichen Skandal, na ja, für ein Skandälchen.
Aber dann bestritten der hessische Landeswahlleiter ebenso wie die maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute, daß irgendwelche Prognosen vor der Fernsehpräsentation durch Jörg Schönenborn (ARD) & Co um 18 Uhr weitergegeben werden würden.
Dabei ist das Spiel an jedem Wahlsonntag das gleiche, wie mir eine weitere Quelle aus Berliner Regierungskreisen bestätigte. Die ersten Prognose der Wahlnachfrage kursieren am frühen Nachmittag und es „sind die gleichen wie bei ARD/ZDF, in den Parteien selbst verteilt es sich teils im Schneeballsystem per SMS, einige Großkopferte haben's zuerst.“
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF), der immerhin als einer der wenigen meine Anfragen beantwortet, streitet das weiter vehement ab, räumt aber immerhin plötzlich ein, daß es durchaus den Tag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten:
Es könne nicht sein, „dass Ihnen bezüglich der Forschungsgruppe Wahlen verlässliche Information vorliegen, dass wir zu den angegebenen Zeiträumen Prognosen der Wahlnachfrage Politikern zukommen lassen.
Ich habe mich in der Vergangenheit auch schon gewundert, welche Zahlen da am Wahltag als Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen 'gehandelt' wurden. Da gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die sich damit als angebliche Insider in den Vordergrund spielen wollen.
Das kann schon allein deshalb nicht sein, weil wir selbst bei uns einen ersten Einlauf von verlässlichen Daten ab 16:30 haben und diese haben selten etwas mit dem endgültigen Ergebnis zu tun.
Selbstverständlich gibt es auch im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern bei dem eine politische Einschätzung vorgenommen wird. Ganz sicher geht es dabei (in unserem eigenen Interesse) aber lediglich um eine qualitative und nicht um eine quantitative Bewertung.
Und es gibt auch gegen 17 Uhr an weniger als eine Handvoll Journalisten, mit denen wir eine langjährige Zusammenarbeit pflegen und wo wir sicher sein können, dass eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist, eine qualitative Einschätzung des zu erwartenden Ergebnisses. Diese dienen aber nicht dazu, eine Prognose frühzeitig drucken zu können, sondern lediglich um sicherzustellen, dass der zu schreibende Kommentar etwas mit dem wirklichen Ergebnis zu tun hat.“


Updates: „An Wahlabenden gibt das ZDF vor 18.00 Uhr keinerlei Informationen, Prognosen, Umfragen oder Sonstiges heraus - wie Ihnen Frau Henrich-Dieler bereits mitgeteilt hatte. Dieselbe Auskunft hatten Sie ja auch von der Forschungsgruppe Wahlen erhalten“, schreibt mir Thomas Stange vom ZDF. Na ja, braucht das ZDF ja auch nicht, wenn – wie oben eingestanden – die exklusiv für die Mainzer tätige Forschungsgruppe Wahlen das macht. Andererseits habe ich das Gefühl, daß das ZDF auch nicht weiß, was die Forschungsgruppe mir gegenüber bereits eingeräumt hat. Auf diesen Widerspruch angesprochen, antwortet Thomas Stange schmalllippig: „Wir sprechen nur für das ZDF und nicht für Dritte“.

Und Jörg Schönenborn läßt mir durch eine Mitarbeiterin mitteilen, daß er gerne mit mir telefonieren würde.

Inzwischen hat auch die ARD reagiert. Dr. Joachim Görgen vom ARD-Referat der HA Intendanz beim SWR in Stuttgart schreibt: „Sie hatten bei der Pressestelle der ARD angefragt, ob die ARD ihre Prognose-Zahlen bei Wahlen anderen Medien vorab zur Verfügung stellt. Die Antwort ist ein klares 'Nein'. Die ARD arbeitet exklusiv mit Infratest Dimap in Berlin zusammen, so wie das ZDF mit der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. Zusammenarbeiten heißt: Die ARD hat mit dem privaten Unternehmen Infratest Dimap einen Vertrag über eine Dienstleistung und muss entsprechend auch dafür bezahlen. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass die ARD kein Interesse haben kann, diese Zahlen vor 18 Uhr weiterzugeben. Die Uhrzeit ergibt sich übrigens daraus, dass um 18 Uhr die Wahllokale schließen, und die Wähler nicht 'in letzter Minute' beeinflußt werden sollen durch Prognosen zum Wahlausgang.“

Jetzt gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.

Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren. Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.

Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.

Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.

Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.

Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).

(Foto: WDR/Herby Sachs)

Boobs & Badvertising: American Apparel zieht blank

American Apparel provoziert mit seiner neuen erotischen Anzeigenkampagne in US-Blogs nicht nur die prüderen Gemüter, sondern löst ausgerechnet in der Blogosphäre heftige Emotionen aus. Erster Streitpunkt: Täuscht man nicht falsche Tatsachen vor, wenn das für Amateurmodelle berühmte Unternehmen jetzt Pornodarstellerinnen in seine Kampagnen
schmuggelt? Aber weit strittiger: Sind Blogger wie Susannah Breslin (The Reverse Cowgirl) und Debauchette käuflich, wenn sie die Anzeigen nicht nur schalten, sondern auch positiv darüber berichten? Besonders nett: Während der zum Gawker-Konzern gehörende Schmuddelblog Fleshbot die Kampagne feiert („We just like boobs“), wettert der ebenfalls zu Gawker Media gehörende Mädelsblog Jezebel dagegen: „Badvertising“.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Ganz München in sieben Minuten

„Die Strecke vom Marienplatz bis zum Siegestor, das ist in Wahrheit das ganze München. Mehr nicht.“

Charles Schumann im Gespräch mit dem Berliner Roland Mary („Borchardt“) über Gäste, perfekte Abende, Berlin und München. Schon etwas länger her, aus der „Welt am Sonntag“ vom 28. Dezember 2008.

Monsters of DLD

Wie schaufelt man Schaulustige an den roten Teppich? Indem die „Bunte“ beispielsweise ihre DLD-Starnight bei den Nachtagenten, einer Burda-Beteiligung, wie einen herkömmlichen Clubevent ankündigt („vergleichbare Events: Monsters of House“) und über den Mailverteiler bewirbt. Daß beim Eintritt „priceless“ steht, der herkömmliche Nachtagent also ohne V.I.P.-Einladung ausgesperrt bleibt, überliest man leicht.

Dienstag, 20. Januar 2009

Wahlastrologie
oder: Die 50.000-Euro-Frage

Sonntag war ein merkwürdiger Tag. Erst meldete bild.de bereits eine Viertelstunde vor Schließung der Wahllokale in Hessen die erste Wahlprognose (CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5). Dann erhielt ich gegen 19 Uhr im Münchner Akademieviertel die Fernausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ (geschätzte Andruckzeit: 17.15 Uhr) mit einem Aufmacher von Peter Fahrenholz: „FDP-Triumph sichert Koch die Macht“, ergänzt durch erste Zahlenprognosen einer „Wahlnachfrage“ – ohne jede Quellenangabe (CDU knapp 40 Prozent, FDP etwa 16 Prozent, SPD weniger als 25 Prozent, Grüne bei 13 Prozent, die Linken an der Fünf-Prozent-Hürde). Dabei gibt es - wie gesetzlich vorgeschrieben – die ersten Wahlprognosen offiziell nicht vor 18 Uhr (ARD etwa: CDU 37,5, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linkspartei 5,1). Andererseits hat es solche vorzeitigen Zahlenergüsse immer wieder mal gegeben, wie der BILDblog minutiös schildert.
Heute war ein noch merkwürdigerer Tag. Denn bislang war ich davon ausgegangen, daß die beiden quasi hauptamtlichen Wahlforscher, die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) vor der großen Verkündung bereits den Nachmittag über ausgewählte Journalisten und Politiker mit Zahlen versorgen, damit beispielsweise die Tageszeitungen unter Einhaltung einer Sperrfrist ihren Andruck schaffen. Energisches Dementi aber der Betroffenen.
„Die Prognosen, die das ZDF bei Wahlen um 18.00 Uhr veröffentlicht“, so Regina Henrich-Dieler „stehen nicht vorher fest und können daher auch nicht vorher an andere Medien weitergegeben werden. Sie werden punktgenau um 18.00 Uhr nach Schließung der Wahllokale errechnet und gesendet. Sollten wirklich Zeitungen vorher gedruckt werden und schon Zahlen enthalten, so können das keine Prognosen sein, sondern eventuell Umfrageergebnisse.“
In anderen Worten: Die Forschungsgruppe Wahlen stellt Matthias Jung zufolge „niemandem unsere um 18 Uhr gesendete Prognosen vor 18 Uhr zur Verfügung. Schon allein deshalb nicht, weil wir diese erst unmittelbar vor der Ausstrahlung fertig stellen, da wir noch so viel wie möglich unserer Interviews, die wir ja bis 17:45 erheben, darin berücksichtigen wollen.“
Dito bei infratest dimap fürs Erste: „Bei unserer Wahlberichterstattung, also auch der Prognose am Wahlabend, handelt es sich um eine exklusive Auftragsarbeit für die ARD und ihrer angeschlossenen Anstalten (auch den Hörfunk). Wir bedienen darüber hinaus am Wahltag keine anderen Medien und verweisen bei Anfragen immer auf die ARD. Die Tageszeitungen zitieren meines Wissens immer die Ergebnisse aus dem Fernsehen und verweisen dann auch schon auf eine der frühen Hochrechnungen“, so infratest-Sprecherin Irina Roth.
Nun würde es einen neugierigen Menschen wie mich schon interessieren, woher sonst die bereits deutlich vor 18 Uhr zirkulierenden Zahlen stammen, die eine „SZ“ dann nach 18 Uhr nahezu zeitgleich mit den so nicht mehr ganz exklusiven Fernsehanstalten auf ihrer frisch gedruckten Titelseite präsentiert – und es könnte für den Axel Springer Verlag sogar einen beträchtlichen Kostenfaktor ausmachen.
Denn hinsichtlich des Vorpreschens von bild.de betont der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel auf meine Anfrage hin: „Ich gehe der Angelegenheit nach. Allerdings weise ich schon jetzt darauf hin, dass nach § 30 Abs. 2 LWG nur die Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe verboten sind. Derartige Wählerbefragungen werden nach meiner Kenntnis nur im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt und von diesen Anstalten exklusiv (erst-)veröffentlicht.“
Wenn bild.de also ihre vorzeitig veröffentlichte Prognose wie die erst nach der Sperrfrist erschienene „Süddeutsche Zeitung“ auf eine „Wahlnachfrage“ stützt, läge bei bild.de eine Ordnungswidrigkeit vor, die den Verlag bis zu 50.000 Euro Strafe kosten kann.

(Weder die BILD-Gruppe, noch die „Süddeutsche Zeitung“ oder Peter Fahrenholz haben bislang auf meine schriftlichen Anfragen dazu reagiert. Updates: Ah ja, von der ARD und dem Hessischen Rundfunk stehen die Antworten auch noch aus. Habe inzwischen auch bei der ARD-Wahlikone Jörg Schönenborn nachgefragt sowie bei den im Bundestag vertretenen Parteien.)

Updates: Wie mir ein zuverlässiger Gewährsmann heute bestätigt hat, erhalten die im Bundestag vertretenen Parteien stets die aktuellen Trends und Prognosen der Wahlnachfrage gegen 15.30 Uhr. Und jeder der in der politischen oder Medienwelt etwas auf sich zählt, kennt diese Zahlen bis spätestens 16 Uhr, also Stunden vor Schließung der Wahllokale. Je nach Partei kommen diese Infos entweder von infratest dmap oder der Forschungsgruppe Wahlen. Womit sich die Frage stellt, wer wußte was wann und von wem. Fortsetzung folgt.

Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) räumt inzwischen ein, daß es durchaus den Wahltag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten.

Inzwischen gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.

Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren. Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.

Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.

(Disclaimer: Das Foto zeigt keine hessischen, sondern Münchner Wahlurnen.)

Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.