Samstag, 12. August 2023

Twitter-Reichweite

Mein bislang erfolgreichster Tweet (X?) heuer kam – mit Ausnahme des Hashtags #noafd – ohne ein einziges Wort von mir aus …



Montag, 7. August 2023

Wochenplan (Update)

Lagebild Hasskriminalität / Innenministerium; Pop-up-Galerie / Alte Scheune Stemmerhof; Musiksommer: Malva & Henny Herz / Theatron; Influencer- & Bloggertag / Bayern-Park; Klangfest / Werksviertel Mitte; Burhan Qurbanis „Berlin Alexanderplatz“ mit Welket Bungué, Jella Haase, Joachim Król u. a. / arte; Pressekonferenz der Letzten Generation / Altes Schloss Herrenchiemsee; Regina Schillings Dokumentarfilm „Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann“ / ZDF; Filmkunstwochen: Jean-Luc Godards „Alphaville“ mit Eddie Constantine und Anna Karina (Foto) / ABC; 50 Years of Hip Hop / Bellevue di Monaco & Glockenbachwerkstatt; Randgruppenkrawall / Marienplatz; Two in a Row Sommerfest / Bahnwärter Thiel; Musiksommer: Der Englische Garten / Theatron

Donnerstag, 3. August 2023

Traumtagebuch (12): Zwischen 100 Tage Bücher und Australien

 Ein großes, überwiegend leeres Gebäude, irgendetwas zwischen Kaufhaus, Shopping Mall und Hypermarché. Ich habe dort einen eigenen Bereich. Leere Verkaufstische, keine Regale, auf einer Verkaufsfläche, die inmitten anderer Verkaufsflächen, ohne trennende Wände, ist. Keine Ahnung, womit ich dort handle, aber da M., mein ehemaliger Verkäufer der 100 Tage Bücher dabei ist, vermutlich Bücher.

Das Gebäude ist umgebaut worden und wir warten auf den Betreiber, Vermieter, um das weitere Prozedere zu besprechen. Ich habe es eilig, weil ich gleich nach Australien fliegen muss. Kein Urlaub, keine Individualreise, sondern eine Gruppenreise.

Ich kann nicht länger warten und gehe zur S-Bahn, die unmittelbar neben dem Gebäude liegt. Mein Gepäck beschränkt sich auf eine kleine Reisetasche, einen Weekender. An der Haltestelle suche ich nach einem Aushangfahrplan, um zu prüfen, auf welchem Bahnsteig es schneller zum Flughafen geht. S1 oder S8, stadtein- oder -auswärts? Ich bin spät dran.

Doch es gibt keine Aushangfahrpläne. Ich gehe durch die Unterführung auch zum anderen Bahnsteig, aber auch dort kein Aushangfahrplan. Hetze wieder zurück. Erst jetzt komme ich auf die Idee, auf meinem Handy nach der besten Verbindung zu suchen.

Under construction

 Da es meinen Blog merkwürdigerweise leicht zerschossen hat und das Layout nicht mehr wie vorgesehen angezeigt wurde, schraube ich dieser Tage etwas an den Einstellungen. Also nicht wundern, wenn es sich ständig ändert. Und die für die rechte Spalte vorgesehenen Segmente wie Links, Impressum oder Anzeigen finden sich jetzt leider vorläufig nur unter den Blogeinträgen im Footer. 

Mittwoch, 2. August 2023

Unter Wilden – Anmerkungen zu den bayerisch-rumänischen Beziehungen und Barbara Stamm

Das Rumänien-Virus – oder im Diktum bayerischer Politikerinnen: der Rumänien-Virus – ist kein Drei-Tage-Fieber. Es scheint sich dabei um eine hartnäckige, ansteckende Krankheit zu handeln, die die CSU-Politikerin Barbara Stamm in ihrer Funktion als Staatssekretärin Anfang der 90er Jahre erwischte und seitdem ihr Leben lang begleitete, ob als Abgeordnete, Ministerin oder Landtagspräsidentin. 

Selbst nach ihrem Tod im Oktober letzten Jahres bleibt das Virus mit dem Namen Barbara Stamm auf weitere Zeiten verknüpft, denn das Bayerische Sozialministerium hat eine neue Auszeichnung geschaffen, die Barbara-Stamm-Medaille, mit der alle zwei Jahre bis zu fünf Empfänger*innen gewürdigt werden, die sich besonders um die Förderung der bayerisch-rumänischen Beziehungen verdient gemacht haben.  

Man könnte natürlich auch von einer Begeisterung, gar Liebe zu Rumänien sprechen, als aber Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) gestern Abend im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz erstmals die Auszeichnung übergab und Lorand Szüszner, Beate Blaha, Erika Kern und Wolfgang Schramm (von links nach rechts) damit ehrte, war den Festakt über immer nur vom Rumänien-Virus die Rede, der Barbara Stamms Weggefährten, Freunde und Familie angesteckt hätte.

Als ob wir es mit einer Krankheit, einem Infekt, einer Seuche zu tun hätten. Natürlich wurde auch, einmal, erwähnt, wie schön Rumänien sei. Ohne sich in Details zu verlieren. Weit ausufernder wurde dagegen in Anekdoten erzählt, wie sehr man unter dem Virus leide. Opa erzählt vom Krieg? Nein, nicht dieses Mal, die Zeiten, als deutsche Truppen Rumänien besetzt hatten, liegen schon länger zurück. Diesmal sind Politik und Hilfsorganisationen einmarschiert, und verstehen sie mich bitte nicht falsch, sie haben Großartiges geleistet. Aber muss man sein eigenes soziales Engagement überhöhen, indem man die Empfänger klein oder gar schlecht redet, die Zustände pauschal in düstersten Farben ausmalt anstatt auf Augenhöhe zu agieren? 

Wie gefährlich die nächtlichen Fahrten durch Rumänien in Dienstwagen der bayerischen Staatsregierungen gewesen wären, auf unbeleuchteten Straßen, wo jederzeit die Begegnung mit Vieh und Pferdekutschen drohte, höchste Unfallgefahr. Natürlich ist ein Land, in dem nicht nur Pferdefuhrwerke, sondern auch Hühner, Schweine, Kinder und Betrunkene die Straßen bevölkern, eine besondere Herausforderung. Nur finde ich, eine besonders schöne, natürliche, wo Freiheit keinen autogerechten Maßstäben unterliegt.

Noch schlimmer scheinen die Straßen gewesen zu sein, wenn man zu Fuß unterwegs war. Stets war man in Sorge um Barbara Stamms „Schühchen“. Ich habe dagegen in den 90er Jahren überlegt, ob ich nicht die Branche wechseln und ein Schuhgeschäft in Rumänien eröffnen sollte. Denn nirgendwo habe ich so viele Frauen, auch tagsüber, im Alltag, auf hochhackigen Schuhen herumlaufen sehen. Egal, in welchem Zustand der Bürgersteig war.

Besonders wichtig scheint es der bayerischen Entourage gewesen zu sein, in Rumänien stets genug fränkische Bocksbeutel mit sich zu führen. Damit die gute Laune gewährt bleibt. In einem Weinland wie Rumänien?

Die Hotels, so die Klage während des Festaktes in der Residenz, seien sehr teuer und verwanzt gewesen. Und die Festgesellschaft meinte nicht die Wanzen der Securitate, sondern die Parasiten. Nun war ich in den 90ern auch viel in Rumänien unterwegs, in Brașov, București, Cluj, Iași, Sibiu Suceava oder Timișoara, und es stimmt, die Hotels waren teuer … für Touristen und ausländische Geschäftsreisende. Denn es gab immer zwei unterschiedliche Preise, für Rumänen und Ausländer. Hinsichtlich der Wanzen fällt mir dagegen aus jener Zeit eher das Hilton in Chicago während der Bookfair America an. Es kann sie eben überall geben.

Doch schwelgte man beim Festakt nicht nur von den ersten Jahrzehnten nach der Revolution, sondern auch von den aktuellen Zeiten und Nöten, von den „EU-Waisen“, Kindern, die bei ihren „überforderten“ Großmüttern lebten, während die Eltern in anderen EU-Ländern für den Lebensunterhalt sorgten. Doch wenn man schon von EU-Waisen spricht, sollte man auch vielleicht über die EU-Sklaven nachdenken, über die Arbeitsbedingungen vieler Rumän*innen in Deutschland, wie sie ausgebeutet werden, ob als Auslieferer der Subunternehmer von Amazon, Erntehelfer, Pflegekräfte, Busfahrer, Sex Worker oder in der Gastronomie.

Aber das hätte den Festakt mit seiner Idylle zwischen Harfenklängen und Holunderschorle wohl getrübt, wenn man nicht nur über die elendigen Verhältnisse in diesem fernen Land namens Rumänien nachgedacht und gesprochen hätte, sondern auch, wie man in Bayern und dem restlichen Deutschland davon satt profitiert.

Update: Am 23. Oktober 2023 lädt die Hanns-Seidel-Stiftung zu einem Symposium, Festakt und Stehempfang zu Ehren von Barbara Stamm. Neben Podiumsgesprächen zu Barbara Stamms „Engagement für die Schwachen“ und ihren „besonderen Beitrag zur Förderung der bayerisch-rumänischen Beziehungen“ wird es eine Gedenkrede von Markus Söder geben.  

Fotos: Martina Nötel/StMAS (2), Dorin Popa

Montag, 31. Juli 2023

Was ist mit den Augenärzten passiert? Oder: Als Kassenpatient bei Smile Eyes

 

Seit einem halben Jahrhundert bin ich nunmehr Brillenträger, aber selbst diese Zeitspanne ist nichts im Vergleich zu den Umwälzungen in der Welt derjenigen, die mich mit Sehhilfen versorgen.

Die Optiker haben die Fielmann-Revolution durchaus noch gut überstanden. Es gibt sie noch, die Stammadressen, bei denen man sich in guten Händen wähnt und deren Schaufenster, zumindest in der Schelling- und Leopoldstraße, über das neueste Brillenangebot hinaus auch Akzente in Pop und Politik setzen. Die Fachärzte für Augenheilkunde dagegen? 

Einer meiner ersten Augenärzte, dem ich während der 70er und 80er Jahre die Treue hielt, war nicht nur ein begnadeter Arzt, sondern eine im ganzen Viertel bekannte Persönlichkeit, ein Charakterkopf, mit dem selbst ich als Teenager und junger Mann wunderbare Gespräche führen konnte. Und sei es nur über seine Leidenschaft als begeisterter Cembalo-Spieler. Eines Tages stand auf dem Rezeptblock in der Praxis nicht mehr sein Name, sondern der einer anderen Praxis. Offenbar durfte er selbst keine Verordnungen mehr ausstellen. Dann verschwand er völlig von der Bildfläche.

Die Fachärzte für Augenheilkunde wandelten sich in anonyme Filialbetriebe, die nur ein Ziel zu haben scheinen: Augenlasern. Ein Geschäftsmodell, das an das Hard Selling der Shops von Mobilfunkanbietern erinnert. Nur dass die Verkaufskanonen weiße Kittel tragen und einen akademischen Grad besitzen.

Eine Entwicklung, davon geprägt, dass Investoren, also Private-Equity-Gesellschaften, sprich: Heuschrecken, zunehmend nach Arztpraxen greifen. Der NDR sah bereits vor einem Jahr in mehreren deutschen Städten und Landkreisen monopolartige Strukturen entstehen. Die Mehrheit der ambulanten Augenärztinnen und -ärzte würde dort in einer der investorengeführten Ketten arbeiten. 

Selbst einer meiner ältesten Kumpel aus dem Münchner Nachtleben, ein für solche Ketten arbeitender Augenarzt, will mit mir als am Lasern desinteressierten Patienten nichts mehr zu tun haben. Oder höchstens inoffiziell. Wenn wir uns zufällig auf der Straße treffen, darf ich ihn gern um Rat bitten. Oder auch anrufen, wenn ich zu einer Diagnose eine zweite Meinung wünsche. Ihn nur nicht in der Praxis behelligen. Die er wechselt wie ein Hasardeur seine Einsätze.

Statt neben der Hausärztin auch eine verläßliche Augenärztin über die Jahre zu haben, war ich nun auf den Ärzteführer der Techniker-Krankenkasse (TK) angewiesen, um irgendwo einen Sprechstundentermin abzugreifen, wenn es mal wieder nötig war.

Und die nette Praxis vom letzten Mal, 2020, existierte natürlich auch nicht mehr, als ich diesen Monat erneut vorstellig werden wollte. Also erneut TK-Ärzteführer. Eine der bundesweit zahlreichen, von der Smile-Eyes-Gruppe des Finanzinvestors Trilantic betriebenen oder lizenzierten Filialen lag bei mir um die Ecke, ein Termin war recht zeitnah gefunden. In den digitalen Patientenunterlagen dieser für mich neuen Schwabinger Filiale war ich offenbar bereits angelegt, ein Besuch von mir in der Smile-Eyes-Filiale am Candidplatz vor einiger Zeit vermerkt. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war ich dort aber nicht für eine Augenuntersuchung, sondern in Corona-Zeiten für einen PCR-Test gewesen.

Lasern ist in der Augenheilkunde seit Jahren das große Geschäft. Eine Katarakt-Operation auch nicht zu verachten. Aber selbst die kleinen, anderen über die GÖA abzurechnenden Zusatzleistungen kleckern sich zusammen. Die von der Kasse nicht abgedeckte Augendruckmessung wurde mir wieder einmal angeboten. Sie war mir aber bereits hinlänglich bekannt und ich habe schnell abgelehnt. Der Lufthauch war mir zu kostspielig. Die Optische Cohärenztomographie war mir dagegen neu und einen Versuch wert, da sich meine Sehkraft heuer doch so rapide wie heftig verschlechtert hatte. Angst macht neugierig. Dafür zahle ich dann gern auch mal 93 Euro aus eigener Tasche. Von da an wurde es interessant.

Vor der Behandlung die vorgeschriebene schriftliche Honorarvereinbarung. „Bitte bezahlen Sie erst nach Erhalt einer Rechnung unter der Angabe der Rechnungsnummer“, war darauf ausdrücklich vermerkt.

Nach der Behandlung dann die erste Überraschung. Die Medizinischen Fachangestellten bestanden darauf, dass ich gleich, vor Ort die 93 Euro zu begleichen hätte. Bar oder per Kartenzahlung. Es wäre eine ausdrückliche „Anweisung der Verwaltung“

Da ich weder genug Bares dabei hatte, noch eine Kartenzahlung vornehmen konnte, kam postwendend die zweite Überraschung: Die MFA behielten meine Gesundheitskarte von der Techniker-Krankenkasse als Pfand ein. Ich würde sie zurückerhalten, sobald ich die 93 Euro in der Praxis bezahlt hätte. Erst nach erfolgter Zahlung erhielt ich dann überhaupt eine Rechnung.

Dritte Überraschung: Da sich meine Sehstärke von - 6,75 um rund drei Dioptrien auf - 9,5 bis - 9,75  verschlechtert zu haben schien, wollte ich eine Brillenverordnung. Eine MFA erklärte mir daraufhin, dass das keine Kassenleistung sei und ich den Betrag von über 30 Euro dafür aus eigener Tasche zahlen müsste. Die zweite anwesende MFA sah das anders. Sie kenne es aus ihrer früheren Tätigkeit bei einem anderen Arzt als Kassenleistung. Also Rückruf bei der Praxisleitung. Und Smile Eyes beharrte dann darauf, dass es die Brillenverordnung nur gegen Cash oder Kartenzahlung gäbe.

Natürlich bat ich später Smile Eyes schriftlich um eine Stellungnahme. Eine Sprecherin bestätigte mir telefonisch, dass in den ersten beiden Fällen die MFA leider einen Fehler begangen hätte. Auch wenn es viele andere Ärzte so handhaben würden, bestünde Smile Eyes nicht auf sofortige Bezahlung. (Wobei die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, UPD, der Ansicht ist, dass man mir erst die Rechnung hätte aushändigen müssen, bevor man die sofortige Zahlung forderte: „Wenn ohne Vorlage einer solchen Rechnung unmittelbar eine Zahlung verlangt wird, ist dies rechtswidrig.“

Und die Sprecherin von Smile Eyes versicherte mir auch, dass man meine Versichertenkarte selbstverständlich nicht hätte einbehalten dürfen. Offen blieb vorläufig die Frage, ob die Brillenverordnung eine Kassenleistung oder gesondert nach der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte abzurechnen und von mir selbst zu bezahlen sei. Das hänge von der medizinischen Indikation ab. Hinsichtlich der Brillenverordnung scheint es kompliziert zu sein. Nach Rücksprache mit allen für Abrechnungen bei Smile Eyes Zuständigen ergab sich für die Sprecherin kein eindeutiges Bild, da widersprüchliche Meinungen existieren. Es sieht aber wohl so aus, dass die reine Ausstellung einer Brillenverordnung wohl eine Kassenleistung sei, eine darüber hinaus gehende Beratung, etwa ob Kunststoffgläser, privatärztlich abzurechen wäre.  

Der Missbrauch meiner Gesundheitskarte als Pfand verwundert auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB): „Das Einbehalten der elektronischen Versichertenkarte, findet – soweit bekannt – nirgendwo eine Rechtsgrundlage und ist daher als unzulässig anzusehen. Dies ist nicht nur eine vertragsärztliche, sondern ggf. auch eine berufsrechtliche Verfehlung. Letztere ist über den jeweils zuständigen Ärztlichen Bezirksverband zu klären.“

Hinsichtlich der Brillenverordnung haben sich die Zeiten laut KVB tatsächlich geändert (oder täuscht mich nur meine Erinnerung?): „Die Brillenverordnung ist bei volljährigen Patienten grundsätzlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ausnahmen regelt § 33 Abs. 2 SGB V. Liegt ein kurativer Fall vor, hat der Patient Anspruch auf eine Diagnose und eine ärztliche Behandlung. Dazu gehört auch die Feststellung der Sehschärfe und die Aushändigung der festgestellten Werte, um damit bsp. zu einem Optiker zu gehen. Das ist Teil der ambulanten Behandlung.“

Die UPD sieht das differenzierter: „Für eine Kassenleistung ist eine ärztliche Verordnung erforderlich. Der Inhalt der Verordnungen ist in § 7 bzw. §§ 12ff Hilfsmittel-Richtlinie geregelt. Die Verordnung für Sehhilfen hat auf einem dafür vereinbarten Vordruck zu erfolgen (§ 12 Absatz 2 HM-RL). 
Die Ausstellung der Verordnung ist eine Kassenleistung – das gilt für alle Kassen. Solche dürfen Vertragsärzte nicht privat in Rechnung stellen. In dem Fall verstoßen sie gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten (§ 18 Bundesmantelvertrag-Ärzte). 
Schwieriger ist es bei Attesten für Brillen, die keine Kassenleistung sind. In dem Fall verlangen manche Ärztinnen und Ärzte Geld für das Ausstellen des Brillenrezepts. Aber dies ist eigentlich nicht nötig, weil Betroffenen im Rahmen ihres Rechts auf Einsicht in die Patientenakte die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt und ausgehändigt werden müssen. Wir haben das Thema in unserem Homepage-Text Sehhilfen und Kostenübernahme/Fragen und Antworten ausführlich dargestellt.“

Meine Krankenversicherung, die Techniker, hat sich leider noch nicht zu den Vorgängen geäußert. Die von mir dazu befragte Techniker Krankenkasse erklärte telefonisch, dass sie einerseits nicht zuständig sei, da die Versichertenkarte im Zuge einer privatärztlichen Honorarvereinbarung einbehalten wurde. Andererseits hält die TK es aber für legitim, dass die Praxis die Karte als Pfand einbehalten hat.

Rosa von Praunheim wechselt nach der Verbannung aus der Kirche in die Galerien

Es war ein Paukenschlag wie zu Rosa von Praunheims besten Zeiten. Nachdem der Berliner Multikünstler in letzter Zeit mit einer Stofftierausstellung („Ich bin ein Gedicht“) und dem Spielfilm „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ auf Kuschelkurs schien, erregte er nun in Nürnberg die Gemüter wie es sich sonst kaum einer traut. 
Ausgerechnet in der Egidienkirche sollte Rosa von Praunheim (80) als „Highlight“ der Prideweeks des CSD Nürnberg vom 21. Juli bis 12. August 2023 Gemälde unter dem Titel „Jesus liebt“ ausstellen. Bilder zu Christentum, Homosexualität und Religionskritik. Das Programmheft versprach, dass der „provokante Chronist“ sich in den Bildern „gewohnt pointiert, kritisch und unverblümt mit repressiver Religion und befreiter Sexualität, Liebe und Tod“ beschäftige. Es waren provokante Bilder, teils mit expliziten sexuellen Handlungen. 
Nach anhaltender massiver Kritik konservativer Christen wurde die am 21. Juli eröffnete Ausstellung bereits drei Tage später zunächst vorübergehend geschlossen. Am Abend des 27. Juli gab sich der Kirchenvorstand geschlagen und entschied einstimmig, die Ausstellung dauerhaft zu schließen. Pfarrer Martin Brons erklärte, dass es die Aufgabe der Kirche sei, „in der Kraft des Evangeliums zu einen, zu heilen und zu versöhnen. Wir bedauern sehr, dass die Ausstellung das Gegenteil bewirkt hat.“ Angesichts des „erheblichen Ausmaßes an Hass, Hetze, Unterstellungen und unbelegten Vorwürfen“ meinte der Kirchenvorstand erkannt zu haben, dass „die Themen derzeit nicht angemessen kommuniziert und diskutiert werden können“
Mit „sehr großem Bedauern“ hat der die Ausstellung mitorganisierende Förderverein Christopher-Street-Day Nürnberg e.V. die vollständige Schließung der Ausstellung zur Kenntnis genommen: „Wir halten diesen Entschluss für ein fatales Zeichen aus dem Raum der Kirche. Denn wir haben nun hautnah erlebt, wie rechtsextreme und evangelikale Kräfte versuchen, Homosexualität weiter zu verteufeln, zu beschämen und aus dem Raum der Öffentlichkeit zu drängen. Wir mussten erfahren: Kirche ist in diesem konkreten Fall kein ‚safe space‘ für queere Menschen und ihre Kultur gewesen. Aktuell arbeiten wir mit dem Egidien Kulturpfarrer Thomas Zeitler daran, einen neuen Ausstellungsort zu finden, damit sie spätestens zum Finale der Prideweeks allen auswärtigen und Nürnberger Teilnehmenden zur Besichtigung und eigenen Bewertung zur Verfügung steht.“ Die Egidiuskirche teilte diese Statement auf ihrer Facebook-Seite mit dem Kommentar: „Auch diesen Reaktionen müssen wie uns jetzt stellen.“ 
Rosa von Praunheim, der 1971 seinen Durchbruch hatte mit dem Spielfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, erregte nicht mehr so sehr die Gemüter, seit er 1991 in einer Fernsehsendung Alfred Biolek und Hape Kerkeling – gegen deren Willen – als homosexuell geoutet hat. Die in Nürnberg abgebrochene Ausstellung will er nun künftig in Galerien statt in einer Kirche zeigen. Anfang Oktober in der Kunstbehandlung in München und Anfang Dezember dann in der Hamburger Kunstkantine.

Eine Version dieses Artikel erschien in der Wochenendausgabe der „tz“ vom 29./30. Juli 2023.

Wochenplan

Jakobidult / Mariahilfplatz; Pressekonferenz zur Regensburger Nacht der Mode / Meisterschule für Mode; Verleihung der Barbara-Stamm-Medaille für Verdienste um die bayerisch-rumänischen Beziehungen / Max-Joseph-Saal in der Residenz; LUNAparty / Bayerischer Hof; Vorstellung der neuen Münchner S-Bahn-Züge / Siemens; Toto-Pokal: 1. FC Stockheim vs. TSV 1860 / Stockheimer Sportplatz & Löwen-TV„La Empresa“ / Studio Isabella; Kinostart „Im Herzen jung“; Pre-Opening DJI-Store / Olympia-Einkaufszentrum; Verleihung des Seerosenpreises / Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten; Vernissagen Susanne Görtz: „München–Salzburg“ / sandkasten und 6. Biennale der Künstlerinnen: „reset Now!“ / Haus der Kunst; Love Letters Party / Hoch 5 Dachterrasse; Adina Love Letters / Werksviertel-Mitte; „Demokratie im Abwehrmodus. Bayern im Krisenjahr 1923“: Stefan Korioth über „Gesellschaft, Staat, Parteien und Verfassung“ / Bayerisches Hauptstaatsarchiv; KI-Stammtisch der Turing Agency / Geierwally; Vorstellung des Armutsberichts 2023: „Einkommensarmut und regionale Unterschiede in Bayern“ / Rosa-Luxemburg-Stiftung; Brunnenfest Viktualienmarkt; Sommerfest Minna Thiel; „Nachtkatzen“ / Werkstattkino; Sommerfest Zirka; „Freiheit ist das einzigste, was zählt“ / ZDFneo; „Berlin Alexanderplatz“ / ZDF Mediathek; Free & Easy: Joe & the Shitboys / Backstage; TSV 1860 vs. SV Waldhof Mannheim / Grünwalder Stadion & BR; 5 Years Sorry Press (Foto) / Square am Wiener Platz; Red Bull Dance Your Style Qualifier / Container Collektive Black Box im alten Gasteig (Fat Cat); Musiksommer: Wildes, Fallwander & LNA / Theatron; Munich Speech mit US-Generalkonsul Timothy Liston / ludwig space

Mittwoch, 26. Juli 2023

Agora (8): Amelie Frieds Laudatio auf Maren Kroymann

Am 25. Juli 2023 wurde Maren Kroymann im Alten Rathaus mit dem Dieter-Hildebrandt-Preis der Stadt München ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Amelie Fried:

Verehrte Anwesende, liebe Freunde und Freundinnen, Weggefährten- und Gefährtinnen der Preisträgerin, liebe Maren! 

Frauen sind nicht komisch. Also, sie sind...“komisch“. Aber nicht komisch. Das ist es, was uns lange eingeredet wurde, so ähnlich wie die Behauptung, dass Frauen angeblich nicht Spitzenköchinnen oder Dirigentinnen sein können. Zum Glück kommt immer irgendwann eine Frau und widerlegt solche Vorurteile. 

Was den Humor angeht, gehört Maren Kroymann in Deutschland zu den Künstlerinnen, die uns gezeigt haben: Humor kann weiblich sein, ohne dämlich zu sein, er kann sogar scharf und politisch sein, und er ist dann am besten, wenn er die Stereotype männlichen Humors auf den Kopf stellt und dadurch entlarvt. 

Denn tatsächlich galt Humor Jahrhunderte lang als männlich; sogar wissenschaftlich wollte man das festgestellt haben. Sam Shuster, ein emeritierter Professor der englischen University of East Anglia stellte die These auf, Humor sei eine Sache der Hormone, genauer gesagt eine Frage des Testosteronspiegels. Humor resultiere aus Aggressivität, die in eine verbale Äußerung kanalisiert würde und bestenfalls als Witz ende. Aus dem Faustschlag werde also gewissermaßen ein Scherz. Auch sprachlich passt das: Ein Witz muss genauso sitzen wie ein Schlag (punch) – Punch line ist der englische Begriff für Pointe. 

Nun hauen Männer bekanntlich humortechnisch gerne mal daneben, die Witze fallen dann derb oder sogar sexistisch aus, und lange nahm man das – auch als Frau – eben so hin. Nicht so Maren Kroymann. Sie verwendet eine Technik aus dem Judo: Den Schwung des Gegners auffangen und sich zunutze machen. Am Ende liegt er auf der Matte. „Keine Parodie misslingt ihr, nichts gerät ihr peinlich!“ schrieb die TAZ 2019, anlässlich ihres 70. Geburtstages. Und dieser Instinkt, diese Geschmackssicherheit ist es wohl auch, die sie durchgetragen hat durch eine 40-jährige Karriere auf der Bühne und vor der Kamera, die in Deutschland ihresgleichen sucht. 

Maren Kroymann wurde in ein bürgerlich-akademisches Elternhaus geboren, wuchs mit vier Brüdern im beschaulichen Tübingen auf und ihr erster Berufswunsch war: Englischlehrerin. Aber dann muss irgendwas passiert sein, das ihre andere, unbürgerliche Seite geweckt hat. Zum Glück, möchte man sagen.

 Seit 1982 steht sie auf der Bühne, zunächst als Sängerin, die das gängige Frauenbild anhand von Schlagern kritisch hinterfragt, und mit ihrem ersten Soloprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ liefert sie gewissermaßen den Soundtrack zur damaligen Debatte, ob enge Kleider und hohe Absätze der Emanzipation schaden, weil sie die Frau zum Objekt männlicher Begierde degradieren, oder ob sie – im Gegenteil – ein Ausdruck weiblichen Selbstbewusstseins sind. 

Über diese Frage ist übrigens bis heute kein Konsens erzielt worden, aber Maren Kroymann hat sich der Debatte früh entzogen, indem sie sehr entspannt unter Beweis gestellt hat, dass Eleganz und Intelligenz sich keineswegs ausschließen, ja, dass man sogar Feministin sein kann, ohne Sackkleider und Gesundheitsschuhe zu tragen und die Achselhaare wuchern zu lassen.

1985 war sie zum ersten Mal im Fernsehen – als Gast in Dieter Hildebrandts Sendung „Scheibenwischer“. Als Kabarettistin war sie eine neuartige Figur, an die das Publikum sich erst gewöhnen musste. Politisches Kabarett gab es hierzulande schon, Comedy war erst im Kommen, und Maren Kroymann verkörperte irgendwas dazwischen, ein eigenständiges Genre, das nicht den predigerhaften Charakter der amerikanischen Stand up Comedy hatte (die nicht zufällig aus dem Land der evangelikalen Prediger kommt), aber auch nicht die schwarz-weiß-moralischen Gewissheiten deutschen Polit-Kabaretts. Und so dauerte es etwas, bis sie sich ihren Platz in der Kabarett-Szene erobert hatte. 

Was vielen nicht bewusst ist: Maren Kroymann schrieb ihre Texte lange Zeit selbst und entwickelte ihre Figuren eigenständig; sie war als Kabarettistin nicht das Produkt männlicher Phantasien und männlich geprägter Produktionsfirmen – etwas, das sie von ihren wenigen Kolleginnen damals und vor allem von vielen weiblichen Comedy-Stars der jüngeren Zeit unterscheidet. 

Aber, wie sie selbst sagt, sie musste erst dazu überredet werden, etwas Eigenes zu machen, weil sie es sich – typisch Frau - selbst nicht zutraute. Übrigens wurde sie dazu von einem Mann überredet (Jürgen Breest, dem damaligen Unterhaltungschef von Radio Bremen), wie sie überhaupt – wie sie selbst sagt – durchaus auch Unterstützung von Männern bekam, aber eben nicht nur. Manche erklärten ihr auch, sie solle bitte nur singen und dabei mit dem Hintern wackeln. Sogar mit Tomaten wurde sie mal beworfen, so befremdlich fanden es offenbar manche, dass eine Frau nicht vorgefertigte Texte spricht, sondern eigene Gedanken auf die Bühne bringt.

Bis heute, wo Maren Kroymann mit einem Autor:innenteam arbeitet, ist es ihr wichtig, kein „Meinungskabarett“ zu machen, nicht vorzugeben, sie sei im Besitz der einzig richtigen Wahrheit, sondern eher dialektisch zu arbeiten, Anregungen zum Nachdenken zu geben und nicht auf die reflexhafte Zustimmung des Publikums zu setzen. 

Gehen wir nochmal zurück auf der Zeitachse: 1993 kam der Durchbruch mit ihrer ersten eigenen Sendung „Nachtschwester Kroymann“, in der sie vor allem ihr Talent zur Parodie unter Beweis stellen konnte. Kaum eine prominente Frau war vor ihr sicher, und ihre Imitationen konnten recht gnadenlos sein. Meine Lieblingsparodie war die von Regine Hildebrandt (übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit dem Namensgeber dieses Preises), der SPD-Politikerin aus dem Osten, die eine fürchterliche Nervensäge sein konnte, dabei aber ungeheuer engagiert und in ihrer Schnoddrigkeit sehr liebenswert war – und genau diese Mischung war auch in der Parodie zu spüren. 

Parallel dazu entwickelte sich Maren Kroymanns Karriere als Schauspielerin. In „Oh Gott, Herr Pfarrer!“ war sie an der Seite von Robert Atzorn – wie sie es selbst formuliert – „die erste feministische Serienmutter“, und in der Serie „Vera Wesskamp“ spielte sie eine Frau, die nach dem Unfalltod ihres Mannes drei Kinder aufziehen und das Familienunternehmen retten soll. 

Die Liste ihrer Film- und Fernsehrollen ist schier endlos, und es waren fast immer starke Frauen, die sie gespielt hat, auf jeden Fall Frauen, die gegen Konventionen verstoßen und auch mal Tabus brechen. Ein Film, der ihr besonders am Herzen liegt, ist der Kinofilm „Verfolgt“ von Angelina Maccarone, die Geschichte einer sado-masochistischen Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem sehr jungen Mann, gespielt von Kostja Ullmann. Der Film, in kunstvollem schwarz-weiß gedreht, erhielt 2006 den Goldenen Leoparden beim Filmfestival in Locarno. 

1993 geschah etwas, dessen Auswirkungen – so kann man sagen – nicht nur für Maren Kroymann bis heute spürbar sind. Die Zeitschrift STERN hatte die Kampagnen „Ich habe abgetrieben“ und „Ich bin schwul“ publiziert – nun sollte „Ich bin lesbisch“ folgen. Maren Kroymann gibt zu, dass sie lange überlegt, sich dann aber entschlossen hat, mitzumachen, weil sie es wichtig fand und solidarisch sein wollte. Leider sagten kurz vorher alle anderen bekannten Frauen ab, und so war sie die einzige Prominente, die noch dabei war. Die Folge war, ich zitiere sie selbst: „Üble Reaktionen, Verrisse, ein Jahr lang kein Angebot zum Spielen.“ 

Maren Kroymann dachte damals, sie bereite den Weg für ihre queeren Kolleginnen und Kollegen – aber als die sahen, wie es ihr nach ihrem Outing erging, taten sie natürlich einen Teufel, ihrem Beispiel zu folgen. Es sollte noch Jahre dauern, bis viele Schauspieler:innen, Moderator:innen, Sportler:innen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich nicht mehr gezwungen fühlten, ihre Homosexualität zu verstecken. Ganz allmählich hat man den Eindruck, dass es hierzulande kaum eine Rolle mehr spielt, welche sexuellen Präferenzen eine Person hat. Und wenn es irgendwann hoffentlich ganz egal geworden ist, wird unsere Preisträgerin einen nicht unerheblichen Anteil daran haben. 

Sie selbst sagt heute im Rückblick auf diese Zeit, die Erfahrung habe sie gestärkt. Sie habe gelernt, sich unabhängig zu machen und Gegenwind auszuhalten – und das sei das Wichtigste für eine Kabarettistin. Sie geht sogar noch weiter und sagt, als weiße alte Frau wäre sie doch wahrscheinlich längst weg vom Fenster, da sei es nicht von Nachteil, einer diskriminierten Randgruppe anzugehören. „Meine Queerness schützt mich“, so ihre Worte. 

Ob das wirklich stimmt, oder ob es mehr mit ihrem Können, ihrer Vielseitigkeit und ihrer Coolness zu tun hat, dass auch junge Leute sie toll finden, lasse ich jetzt mal dahingestellt. Tatsache ist, dass Maren Kroymann in einem Alter, in dem andere über ihre Zipperlein klagen und höchstens noch Butterfahrten ins Emsland planen, einen Karriereschub erlebt hat, der wirklich außergewöhnlich ist. Seit zehn Jahren wird sie mit Preisen und Auszeichnungen regelrecht überhäuft, seit 2017 ist sie mit dem TV-Format „Kroymann“ wieder regelmäßig auf Sendung, und darüber hinaus dreht sie unaufhörlich Filme. 

Man kann sagen, je älter sie wird, desto erfolgreicher wird sie, und auch darin ist sie ein wunderbares Role Model für uns Frauen, die wir ja dazu neigen, uns ab einem gewissen Alter nicht nur unsichtbar zu fühlen, sondern auch unsichtbar zu machen. Maren Kroymann zeigt uns, dass es auch anders geht. 

An dieser Stelle würde ich gern eine ganz persönliche Beobachtung einflechten. Man sagt uns Frauen ja gerne nach, wir seien „stutenbissig“, konkurrierten untereinander und ließen uns gern mal abfällig über unsere Geschlechtsgenossinen aus. Und wenn wir jetzt mal ehrlich sind, ja, sowas kommt vor, und gar nicht selten. 

Seit ich Maren Kroymann kenne, und ich kenne sie auch persönlich, habe ich noch nie erlebt, dass sie sich hämisch oder herablassend über Kolleginnen geäußert hätte. Es ist, als fühle sie so etwas wie eine Grundsolidarität mit Frauen und insbesondere mit Frauen aus der Film- und Fernsehbranche – weil sie weiß, wie schwer es denen oft gemacht wird, gegen wie viel Ignoranz und Voreingenommenheit sie sich wehren müssen. Auch wenn sie vielleicht persönlich nicht alles gut findet, was eine Kollegin beruflich macht, Maren würde sich immer hinter sie stellen und sie unterstützen. Sie hat es einfach nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren oder ihnen gar schaden zu wollen. Und das ist – ich spreche aus eigener Erfahrung – in dieser Branche alles andere als selbstverständlich. 

Gerade sagte ich, dass auch junge Leute sie toll finden. Und das liegt daran, dass sie nicht versucht, mit Gewalt jung zu bleiben oder jung auszusehen, sondern dass sie selbstbewusst und selbstironisch mit dem Thema Alter umgeht. Ich empfehle Ihnen dringend, sich das Musikvideo „Wir sind die Alten“ anzusehen – es hat inzwischen über eine Million Klicks auf Facebook und zeigt all denen sehr humorvoll den Mittelfinger, die glauben, Jugend sei ein Verdienst und Alter eine Schande. Auch in ihr Bühnenprogramm „In my Sixties“ kommen immer mehr junge Leute, denen die Mischung aus selbstbewusster Weiblichkeit, Haltung, Humor und Professionalität gefällt. 

Außerdem – und auch das ist übrigens nicht selbstverständlich - geht Maren Kroymann als Künstlerin mit der Zeit und ist nicht nur in Fernsehen und Kino präsent, sondern auch auf sozialen Medien, wodurch sie sich neue Publikumsschichten erschließt. Das ist „in unseren Kreisen“ und in unserer Generation ja oft noch verpönt, und viele (mich eingeschlossen) nehmen nur höchst widerwillig zu Kenntnis, dass man ohne diese Medien heute eigentlich nichts mehr verkaufen kann, keine Meinungen, keine Bücher, keine Kunst. Aber das ist ein anderes Thema. 

Maren Kroymann ist auch eine politische Künstlerin, aber nicht nur. Sie ist aber durch und durch eine politische Frau, und als solche zeigt sie Haltung, wenn sie es für notwendig hält. Für sehr notwendig hielt sie es, sich bei der Verleihung des Deutschen Comedy Preises 2021 zum Thema Metoo und dem Umgang der Branche damit zu Wort zu melden. Nachdem sie den Preis für ihr Lebenswerk entgegengenommen hatte, sagte sie unter anderem: „Ich werde jetzt dafür ausgezeichnet, dass ich lustige Geschichten erzähle. Und es gibt Frauen, die eben Geschichten erzählen, die ihre Geschichten sind, die nicht lustig sind. Und sie werden nicht so gerne gehört. (...) Ich würde mir wünschen, dass ihre Geschichte gehört wird. Dass diese Frauen ernst genommen werden. Dass sie respektiert werden. Dass man ihnen glaubt.“ 

Für diese Rede wurde Maren Kroymann von der Jury des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen mit dem Preis für die Rede des Jahres ausgezeichnet. Und ich glaube, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, dass ihr diese Auszeichnung eine der wertvollsten ist. Sie kann eigentlich nur noch durch eine einzige andere Auszeichnung getoppt werden ;-) 

Liebe Maren, die Jury des Dieter-Hildebrandt-Preises wundert sich in ihrer eigenen Jury-Begründung, warum du den Dieter-Hildebrandt-Preis eigentlich noch nicht hast. Nun bekommst du ihn, und eines steht fest: Dieter Hildebrandt hätte sich darüber unglaublich gefreut! 

Herzlichen Glückwunsch! 

Dienstag, 25. Juli 2023

Die Polizei und ich

Das erste deutsche Wort, das ich aufgeschnappt haben soll, war Polizei. Und wie es mit Erinnerungen aus frühkindlichen Tagen so ist, bin ich mir nicht sicher, ob ich mich tatsächlich daran erinnern kann oder nur die stetig wiederholten Erzählungen Dritter verinnerlicht habe, bis ich sie für eigene Erinnerungen hielt. Aber offenbar bin ich im Alter von drei Jahren, bei uns in Gern um die Ecke, die Wilhelm-Düll-Straße entlanggelaufen und habe „Polizei, Polizei“ gerufen.

Rückblickend interpretiere ich das gern als Warnruf, aber vielleicht identifizierte ich mich beim Spielen auch mit den Ordnungshütern und fand „Polizei, Polizei“ einfach nur hübscher als ein „Tatütata“.

In der Wilhelm-Düll-Straße wohnte auch mein erster deutscher Spielkamerad, Klaus-Thomas. Sein Vater war Polizist, was er aber nur zweimal mir gegenüber heraushängen ließ. Das erste Mal, als eine alte, paranoide Frau aus dem Viertel Klaus und mich als Privatdetektive anheuerte. Sie war überzeugt, dass während ihrer Abwesenheit Fremde ihre Wohnung durchstöberten, und so bat sie uns, im Schrank auf der Lauer zu sitzen, um die Einbrecher in flagranti zu erwischen. Als der Vater davon erfuhr, setzte er sich mit Klaus und mir zusammen und erläuterte eindringlich aus seiner polizeilichen Praxis, dass früher oder später die alte Dame uns beide verdächtigen würde, sie zu bestehlen. Wir mussten die Detektivarbeit umgehend einstellen.

Jahre später hatten meine Eltern im selben Haus, in dem Klaus lebte, die Erdgeschosswohnung angemietet. Zuerst für meine beiden älteren Brüder. Zeitweise lebte auch mein Vater drin, der es nicht mehr mit meiner Mutter unter einem Dach aushielt. Klaus und ich hatten uns inzwischen auseinandergelebt. Ferenc, wie ich ein Flüchtlingskind, war mein neuer bester Freund. Seit er in meiner Klasse an der Dom-Pedro-Schule war, wurde ich nicht mehr täglich von den deutschen Mitschülern verprügelt. Eines Tages wollten Ferenc und ich im Erdgeschoss der Wilhelm-Düll-Straße übernachten, was Klaus im zweiten Stock offenbar mitbekam. Vielleicht haben wir es ihn auch wissen lassen. Kinder können grausam sein. Und der fürsorgliche Vater stieg ins Erdgeschoss herunter, stellte uns beide mit der Autorität eines Staatsdieners zur Rede und verbat uns kurzerhand, in der Wohnung zu übernachten.

Ich war nicht viel älter, als ich im Münchner Polizeipräsidium bereits regelmäßiger Gast war. Meine Eltern, staatenlose politische Flüchtlinge rumänischer Herkunft mit Asyl in Frankreich, mussten die deutsche Aufenthaltserlaubnis in ihren Nonsense-Pässen regelmäßig erneuern. Und es war meine Aufgabe, diesen Behördengang für sie zu erledigen. Die Ausländerbehörde befand sich damals noch in der Ettstraße, wo man mir jedes Mal zu verstehen gab, dass wir in Deutschland unerwünscht seien. Aber immer auch die Aufenthaltserlaubnis verlängern musste, weil auf dem Titre de voyage meiner Eltern Aufkleber mit dem magischen Kürzel RFE waren. 

Das Mißtrauen gegenüber der deutschen Polizei war auch der einzige Grund, dass ich mich mit 21 Jahren einbürgern ließ. Schluss mit der Drohkulisse, ausgewiesen zu werden. Im selben Jahr zog ich nach West-Berlin und pendelte auf der Transit-Strecke ständig zwischen neuer und alter Heimat. Es war die Zeit der Roten Armee Fraktion und ich wie meine Mitfahrgelegenheiten passten offenbar ins Raster. Jedenfalls drangsalierte uns die bayerische Grenzpolizei immer ungleich härter als die Kollegen auf Seiten der DDR. Fahrzeugkontrollen, Personenkontrollen, penible Ausweiskontrollen, das ganze Programm.

Nennen wir es die bayerische Linie, denn merkwürdigerweise kreisen alle meine negativen Erinnerungen um die hiesige Polizei, während ich mit den französischen oder Berliner Ordnungshütern nie aneinandergeraten bin.

Inzwischen war ich Journalist geworden und irgendwann nach München zurückgekehrt. Demonstrationen journalistisch zu begleiten gehörte zu meinem Alltag. Mal lief das besser. Etwa als am Marienplatz während einer Großkundgebung gegen die Sicherheitskonferenz ein mir völlig unbekannter Zivilist mich mit meinem Namen ansprach, mir die Hand schüttelte und sich als Mitarbeiter der Pressestelle im Polizeipräsidium vorstellte. Mal weniger gut, als ich während einer Kundgebung am Odeonsplatz zwecks besserer Übersicht die Treppe zur Feldherrnhalle hochstieg, einem USK-Beamten meinen Presseausweis entgegenhielt und er mich dann die Treppe wieder herunterstieß.

Dir Steigerung eines Presseausweises ist wohl eine Akkreditierung bei der Munich Security Conference, der – sicherheitstechnisch betrachtet – Schnittmenge aus Polizei, Bundeswehr und Geheimdiensten. Natürlich habe ich es geschafft, dort als akkreditierter Journalist von der Polizei sistiert und zur Personenkontrolle festgehalten zu werden. Die Einsatzkräfte bemühten sich sogar in vielen Telefonaten, mir die Akkreditierung entziehen zu lassen, scheiterten aber an der souveränen Konferenzleitung.

Versuche, meine Arbeit als Vertreter der Presse zu unterbinden, gab es öfter. Und manchmal kann man sich zumindest im Nachhinein dagegen wehren. Als etwa der Audimax der Ludwig-Maximilians-Universität besetzt worden war, bereitete die Polizei die Räumung vor, und der Staatschutz sorgte als erstes dafür, dass auch die Presse weiträumig ausgesperrt wurde. Der Bayerische Journalisten-Verband und der Deutsche Journalisten-Verband teilten meine Bedenken gegen diese Behinderung der Presse, und letztendlich musste der Unipräsident und nicht etwa das Polizeipräsidium sich für dieses „Missverständnis“ entschuldigen.

Missverständliche Signale strahle ich bei Terminen der Staatsregierung offenbar auf die Personenschützer aus. Vielleicht lassen sie meine Tattoos, lackierten Fingernägel und Outfits nervös bis gereizt reagieren. Bei der Eröffnung der Außenstelle eines Ministeriums kam Söders Regenschirmträger sofort auf mich zu, nachdem er ausgestiegen war. Ich stand auf dem Vorplatz des Ministeriums neben einem Verkehrszeichen. Tiefbesorgt prüfte der Leibwächter, ob das Schild wirklich fest verankert und nicht als Waffe zu missbrauchen war. Danach wich er mir nicht mehr von der Seite und positionierte sich stets zwischen mir und dem Ministerpräsidenten. Während der Feierstunde im gesicherten Gebäude verlangte er dann plötzlich meinen Presseausweis zu sehen, den ich ihm gern zeigte. Als er aber dann auch noch zu wissen verlangte, für wen ich denn schriebe, verwies ich ihn kurzerhand an die Pressestelle des Ministeriums. Die hätte mich akkreditiert, also könne man ihm dort sicher weiterhelfen.

Wesentlich besser läuft es dagegen die letzten drei Jahre bei der alltäglichen Recherche zwischen der Polizei und mir als Tageszeitungsjournalist. So wie ich mit Klimagruppen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion, Anti-IAA, dem Antikapitalistischen Klimatreffen oder der Letzten Generation spreche, telefoniere oder maile, rede ich auch immer wieder mit Einsatzkräften oder der Pressestelle im Polizeipräsidium, frage nach Teilnehmerzahlen, besonderen Vorkommnissen oder anderen wichtigen Fakten. Eine so vertrauensvolle Zusammenarbeit, dass selbst Hintergrundinformationen, die man nicht drucken soll, in die Gespräche einfließen.

Dass das Bayerische Landeskriminalamt währenddessen auf Anordnung der Münchner Generalsstaatsanwaltschaft Pressekontakte zur Letzten Generation überwachte, fügt sich da leider nicht ins Bild. 

Montag, 24. Juli 2023

Wochenplan (Updates)

Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachung von Kontakten zwischen der Presse und der Letzten Generation sowie Einsicht in die Ermittlungsakten / Amtsgericht München; Urkundenübergabe für Ausgezeichnete Bayerische Küche, Bayerische Bierkultur und Bayerisches Festzelt an 52 Gastronomen / Hofbräukeller; KVR-Ausschuss / Rathaus; Pressekonferenz zum Klangfest im Werksviertel; Verleihung des Dieter-Hildebrandt-Preises an Maren Kroymann / Altes Rathaus; Vernissagen „Beyond the Matter - Impressions of Eva Hesse“ / BBK, Holzskulpturen von Jessi Strixner & Philipp Liehr / Valentin-Karlstadt-Musäum und „40 Jahre Thaddaeus Ropac“ / Villa Kast & Salzburg-Halle; Künstlergespräch mit Ena Oppenheimer und Franziska Straubinger / Archiv Geiger, 40 Jahre „Monaco Franze“ / Bayerisches Fernsehen; „Die Bilderkriegerin“ / ZDF; Vollversammlung des Münchner Stadtrats / Rathaus; Verleihung des Bayerischen Maximiliansordens an Klaus Doldinger, Thomas Gottschalk, Michael Krüger, Katharina Wagner u. a. / Antiquarium der Residenz; Eröffnung der Konrad Zuse School of Excellence in Reliable AI / Residenz; Eröffnung der TUM Hyperloop-Teststrecke / Ottobrunn; Eröffnung der Filmkunstwochen / Rio Filmpalast & Riobar; rauschen&Töchter #selbstvergessen / Hotel im Bunker; „Good Morning Europe“ – Frühstück mit der französischen Generalkonsulin Corinne Pereira da Silva / Café Luitpold; Theatron Musiksommer; Eröffnung der Capri-Strandbar auf dem Olympiasee; „Rette sich, wer kann“ – die Folgen von Hatespeech und der Einfluss von KI auf den Journalismus. BJV-Gespräch mit Rechtsanwalt Chan-jo Jun / Bürgerspital-Weinstuben Würzburg; Heribert Prantl: „Mensch Prantl – ein unterhaltsames Zwiegespräch“ / Café Luitpold; KI-Stammtisch der Turing Agency; Dreitägiges Optimal Sommerfest mit Nikos Papadopoulos & die Hochzeitskapelle, Shā Mò & Images of Goo / Optimal Records; Sommerfest der Partei ft. Analstahl / Backstage; Spatenstich zum Bauvorhaben an der Hildegardstraße; Hands off the Wall – Female Graffiti & Streetart Festival / Werksviertel-Mitte; Grande Finale der Abrissfestspiele / Köşk; „Digitalisierung im föderalen System: Da geht noch was“ –  Akademiegespräch am See mit Malte Spitz, Franziska Armbruster, Alexander Handschuh und Ursula Münch / Akademie für politische Bildung Tutzing; Secret Session von Broke Today mit Osono, Cellz & The Peach Cans; Jakobidult / Mariahilfplatz; „El Blocko“ Sommerparty des Luitpoldblock / Schwittenberg & Public Possession; Releaseparty für den alkoholfreien Gin The Illusionist Masquerade / Curtain Call Bar; sub-bavaria-Treffen / Cafébar MonaBroke Today: „Nachts im Atelier“ / Franzi Mucbook Clubhaus; Punk & Roll Flohmarkt und African Food Festival / Backstage; Starter Filmpreis / City 

Samstag, 22. Juli 2023

Von Lausch- und anderen Angriffen

Ich bin ein Kind des kalten Krieges. Meine Initialen, wie auch die meiner beiden Brüder, DP, stehen für Displaced Person. Und obwohl in München geboren, habe ich Deutsch erst mit etwa drei Jahren auf der Straße gelernt, weil wir daheim Rumänisch sprachen. Daheim in der Gerner Tizianstraße, in einer Wohnung, die die USA für uns angemietet und mit Möbeln ausgestattet hatten, und die die deutschen Polizeibehörden nicht betreten durften. Das Besatzungsstatut schützte uns. 
Und auch wenn das später im Lehrerzimmer des Wittelsbacher Gymnasiums gestreute Gerücht, mich hätten Personenschützer zur Schule begleitet, nicht stimmte, so wuchs ich doch inmitten von Agenten und Doppelagenten, CIA, BND, MI6, SDECE und Securitate, Mord und Totschlag auf. Post wurde geöffnet, Telefone abgehört, die Nachbarn befragt. 
Wie Wien und Berlin war auch München in den 50er bis 80er Jahren eine Hochburg der Geheimdienste, nur leider ohne dass sich das in so schönen Spielfilmen wie „Finale in Berlin“ (Michael Caine! Paul Hubschmid! Eva Renzi! Oskar Homolka!) oder dem in Wien spielenden „Scorpio, der Killer“ (Alain Delon! Burt Lancaster!) widergespiegelt hätte. Selbst die Ermordung des Radiojournalisten Cornel Chiriac im Münchner Exil oder der im Auftrag Ceaușescus vom Terroristen Carlos durchgeführte Sprengstoffanschlag auf das Gebäude von Radio Freies Europa im Englischen Garten sind im kollektiven Münchner Gedächtnis inexistent.
Der Sender ist inzwischen längst nach Prag umgezogen. Meine im Visier der Geheimdienste stehende Verwandtschaft tot. Aber bis heute halte ich zufällige Begegnungen in der Regel erst einmal für von Geheimdiensten inszeniert und auf der Straße oft Ausschau nach verdächtigen Gestalten. Mit der Kindheit angeeignete Paranoia. Aber bloß, weil ich es aus Erfahrung für selbstverständlich halte, abgehört und überwacht werden zu können, bedeutet es noch nicht, mich damit etwa still abzufinden. Man wehrt sich, wie man kann.