„We begin by coveting what we see every day. – Wir begehren, was wir täglich sehen“, heißt es im „Schweigen der Lämmer“, und so saß ich jeden Tag in meinem Außenbüro, dem Barer 61, und blickte auf das Gegenüber, das Barer 80, in dem Barry, Avni und Robert ihr drittes Café nach dem Barer 61 und der BARer 47 planen. 47, 61, 80, ohne Re und Contra.
Wer in meinen Terminkalender blickt, mag irgendeinen geheimnisvollen Code vermuten, aber mein Leben spielt sich derzeit einfach zwischen diesen drei Hausnummern ab, natürlich zuzüglich meiner ebenfalls in der Barer Straße liegenden Wohnung, die da aber nie als 86a, sondern als Bar firmiert. Meine diversen Webprojekte brauchen noch viel Zeit und eine kleine Geldspritze für Software und Speichererweiterungen, journalistische Aufträge gibt's derzeit keine, und da erschien es mir irgendwie naheligend, in dem leerstehenden Laden eine Buchhandlung zu eröffnen.
Nichts von Dauer. „100 Tage Bücher“, im Stil eines Popup- oder Guerillastores, zeitlich befristet, ohne Ladendesign, Werbung, Vorlauf, einfach machen. Freitag abend habe ich den Mietvertrag unterschrieben und die Schlüssel bekommen. Samstag wurden die Schaufenster abgehängt. Heute kamen die Möbel und Ware. Morgen wird aufgemacht, obwohl noch nichts ausgepackt ist.
Obwohl ich immer schon – wie mein Vater und Großvater – Journalist werden wollte, in der Schule bereits zu publizieren begann, nach dem Abitur damit Geld verdiente und nie etwas anderes gemacht und vor allem nichts gelernt oder studiert habe, sind meine ersten journalistischen Sporen eng mit dem Buchhandel verknüpft. Kurz vor dem Abitur habe ich den Universum-Buchladen, Kurt Nane Jürgensen und dessen Hauspostille kennengelernt. Alsbald gründeten wir Anfang der achtziger Jahre zusammen das „Münchner Buch-Magazin“ und organisierten einen Stammtisch für Sortiments- und Verlagsbuchhändler. Bald darauf versuchte ich mich als Verleger – aus dieser Zeit stammt auch dieses Bild, das wohl in der Münchner Autorenbuchhandlung entstand, mit Andreas Sterzing an der Kamera? Parallel dazu habe ich immer auch journalistisch gearbeit, aber ohne Nanes Vorbild stünde ich heute nicht, wo ich bin. Weshalb ich mich ganz besonders darauf freue, die nächsten drei Monate an diese Vergangenheit anzuknüpfen.
Was ich dabei erlebe, werde ich in einem eigenen Blog erzählen. Und den Tivoli-Blog hier natürlich weiterführen, wenn auch wohl in reduziertem Umfang. Denn von 9 bis 19 Uhr stehe ich für den Rest des Jahres in der Barer Straße 80 und komme hoffentlich vor lauter Kundschaft kaum dazu, mich im Web zu tummeln.
2 Kommentare:
Toi-toi-toi
Wow, das ist wirklich eine sehr coole Überraschung! Schon mal viel Erfolg und grandiose 100 Tage!
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